Wieder weckst du mein Verlangen

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Heftiges Verlangen steigt in Amanda auf, als ihr attraktiver Exmann sie umwirbt. Und blanke Wut, als der ehrgeizige Medienboss ihr Leben wieder mal umkrempeln will. Sie weiß, sie sollte die Finger von Daniel lassen. Doch die Aussicht auf heiße Nächte mit ihm ist zu verlockend ...


  • Erscheinungstag 24.02.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733766948
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Wenn es nach Amanda Elliott ginge, gäbe es in New York ein Gesetz gegen Exmänner.

Sie holte tief Luft, stieß sich vom Startblock ab und tauchte mit einem eleganten Kopfsprung in die erste Bahn des Pools im Boca Royce Health Club.

Ein Gesetz gegen Exmänner, die in das Leben ihrer geschiedenen Frau eindrangen. Sie streckte die Arme nach vorn, glitt durchs Wasser und tauchte schließlich wieder auf.

Ein Gesetz gegen Exmänner, die nach über fünfzehn Jahren immer noch fit und sexy waren. Sie hob den rechten Arm aus dem Wasser und fand schnell in ihren Kraulrhythmus.

Und ein Gesetz gegen Männer, die ihre Exfrau zärtlich in den Armen hielten, tröstende Worte flüsterten und die Welt wieder zurechtrückten, die gerade aus den Fugen geraten war.

Sie verdrängte die unwillkommene Erinnerung und kraulte schneller, bis ihre Fingerspitzen die Beckenwand am anderen Ende der Bahn berührten. Gekonnt vollführte sie eine Wende und schwamm die nächste Bahn.

Und wenn die Politiker schon dabei waren, dann sollten sie auch gleich ein Gesetz gegen Söhne erlassen, die bei Schusswechseln verletzt wurden, Söhne, die insgeheim Regierungsagenten waren, und Söhne, die ohne Zustimmung ihrer Mutter eine Agentenausbildung absolvierten.

Es wäre ganz einfach. Eine Änderung der Zulassungsklauseln, und keine Frau müsste je wieder feststellen, dass sie einem James Bond das Leben geschenkt hatte.

Amanda hatte die halbe Bahn geschafft.

Ihr Sohn Bryan war ein James Bond.

Sie lachte verzweifelt auf und hätte dabei fast Wasser geschluckt.

Sosehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich Bryan nicht vorstellen, wie er, ausgestattet mit gefälschten Papieren, in schnittigen Autos durch exotische Länder fuhr und auf kleine Fernsteuerungen drückte, um Dinge in die Luft zu jagen. Ihr Bryan hatte junge Hunde und Fingerfarbe geliebt und vor allem diese süßen, mit Sahne gefüllten Kokosnusswindbeutel, die man nur bei Wong an der Ecke bekam.

Sie war dankbar, dass er sich aus dem Agentengeschäft zurückziehen wollte. Das hatte er seiner jungen Frau geschworen. Amanda hatte es mit eigenen Ohren gehört. Und Daniel auch.

Sie kam aus dem Rhythmus. Dieses Mal wollte das Bild ihres Exmannes nicht verschwinden.

Daniel hatte sie getröstet in der langen Nacht, in der Bryan operiert wurde. Er war ihr Anker gewesen, hatte sie gehalten, als sie glaubte, unter der Last des Erlebten zusammenzubrechen. Gelegentlich hatte er sie so eng an sich gepresst, dass sich fünfzehn Jahre Ärger und Misstrauen zwischen ihnen einfach auflösten.

Frieden?

Sie wendete wieder, stieß sich kraftvoll vom Beckenrand ab und schoss durchs Wasser. Sie konzentrierte sich auf die Schwimmzüge und kraulte schneller.

Zwischen ihnen würde kein Frieden herrschen.

Niemals.

Denn Daniel war ein echter Elliott. Und Amanda nicht. Ost-West-Beziehungen waren Harmonieveranstaltungen gegen eine Beziehung mit einem Elliott.

Der Waffenstillstand war vorbei. Bryan befand sich auf dem Weg der Besserung, Daniel war zurück in seiner Welt in Manhattan, und Amanda musste morgen früh das Eröffnungsplädoyer vor Richter Mercer halten.

Wieder eine Bahn geschafft. Fünf, zählte sie in Gedanken mit.

„Hi, Amanda.“ Daniels vertraute Stimme kam aus dem Nichts.

Sie brachte ihren Körper mühsam in die Vertikale, rieb sich das Wasser aus den Augen und blinzelte in das verschwommene Gesicht ihres Exmannes. Was tat er hier? „Ist etwas mit Bryan?“

Daniel schüttelte hastig den Kopf. „Nein, nein. Mit Bryan ist alles in Ordnung. Entschuldige, wenn ich dir einen Schreck eingejagt habe.“ Er ging in die Hocke, sodass sie fast auf Augenhöhe miteinander waren.

Amanda atmete erleichtert auf. Sie hielt sich am Beckenrand fest. „Gott sei Dank.“

„Cullen hat mir gesagt, dass ich dich hier finden würde.“

Bei der Erwähnung ihres zweiten Sohnes regte sich wieder Angst in ihr. „Stimmt etwas nicht mit Misty?“

Erneut schüttelte Daniel den Kopf. „Misty geht es gut. Das Baby tritt wie verrückt.“

Amanda betrachtete seinen Gesichtsausdruck. Er wirkte ruhig und gelassen. Was auch immer ihn mitten am Tag aus dem Büro gelockt haben mochte, es konnte nichts Lebensbedrohliches sein.

Er richtete sich wieder zu voller Größe auf, und ihr Blick wanderte zu seiner muskulösen Brust, dann zu seiner blauen Badehose. Um den Waschbrettbauch beneidete ihn sicherlich so mancher Mann, der nur halb so alt war wie er.

Ihr Mund wurde trocken, als sie plötzlich feststellte, dass sie Daniel sechzehn Jahre lang in nichts anderem als Designeranzügen gesehen hatte. Der Mann, den sie verlassen hatte, sah immer noch fantastisch aus.

Sie trat auf der Stelle, um in dem tiefen Wasser das Gleichgewicht zu behalten. „Was machst du dann hier?“

„Ich wollte zu dir.“

Sie blinzelte wieder und suchte nach dem Sinn hinter seinen Worten. Wenn sie nicht irgendetwas verpasst hatte, dann hatten sie sich bei Bryans Hochzeit Lebewohl gesagt, und jeder war in sein Leben zurückgekehrt.

Eigentlich sollte Daniel jetzt hinter seinem Mahagonischreibtisch in der Redaktion von Snap sitzen und mit allen Mitteln um Umsatz und Marktanteile kämpfen. Da er sich mit seinen Geschwistern im Wettstreit um den Geschäftsführerposten bei Elliott Publication Holdings befand, konnte ihn eigentlich nur eine Katastrophe biblischen Ausmaßes während der Arbeitsstunden dem Büro fernhalten.

„Ich wollte mit dir reden“, sagte er.

„Wie bitte?“ Sie schüttelte sich das Wasser aus den Ohren.

„Reden. Du weißt schon, wenn Menschen Worte benutzen, um Informationen und Ideen auszutauschen.“

Hatte sie tatsächlich richtig gehört? Daniel hatte sie gesucht, um zu plaudern?

Er lächelte und hielt ihr die Hand hin. „Wollen wir etwas trinken?“

Sie drückte sich vom Beckenrand ab und begann, Wasser zu treten. „Nein.“

„Komm aus dem Pool, Amanda.“

„Nein.“ Sie würde nicht mit ihm sprechen, und vor allem würde sie nicht in einem hautengen Badeanzug vor ihm aus dem Wasser hüpfen.

Er mochte immer noch ein Muskelpaket sein, bei ihr aber gewann die Erdanziehungskraft den Kampf gegen ihren Körper.

„Ich muss noch fünfundvierzig Bahnen schwimmen.“

Fünfzig Bahnen waren viel, doch sie hatte sich vorgenommen, ihr Training zu steigern – und fing hier und jetzt damit an.

Daniel verschränkte die Arme vor der breiten Brust. „Seit wann hältst du dich an einen Plan?“

Wollte er jetzt von ihren und seinen Schwächen anfangen?

„Seit wann hörst du vor acht Uhr abends auf zu arbeiten?“

„Ich lege gerade eine Kaffeepause ein.“

„Aha.“ Sie sah ihn skeptisch an.

Er runzelte die Stirn. Obwohl er nur mit einer Badehose bekleidet war, strahlte er Autorität aus. „Was soll das nun wieder heißen?“

„Es heißt, dass ich dir nicht glaube. Du machst keine Kaffeepausen.“

„In den letzten fünfzehn Jahren – oder sogar noch länger – haben wir uns kaum gesehen. Woher willst du wissen, ob ich Kaffeepausen mache oder nicht?“

„Wann war die letzte?“

Seine kobaltblauen Augen verdunkelten sich. „Heute.“

„Und davor?“

Er schwieg einen Moment, dann zog er einen Mundwinkel hoch.

Sie spritzte Wasser in seine Richtung. „Ich wusste es.“

Er wich aus. „Muss ich erst zu dir ins Becken kommen?“

„Verschwinde.“ Sie wollte ihr Training beenden und wieder einen klaren Kopf bekommen. Es war in Ordnung gewesen, sich auf Daniel zu stützen, als ihr Sohn in Lebensgefahr schwebte. Doch jetzt herrschten wieder andere Regeln.

„Ich möchte mit dir reden“, rief er.

„Wir haben uns nichts mehr zu sagen.“

„Amanda.“

„Bryan ist nicht mehr im Krankenhaus, und Misty hat keine Wehen, also gehen wir beide getrennte Wege.“

„Amanda“, wiederholte er etwas lauter.

„So steht es in unseren Scheidungspapieren.“ Sie schwamm davon.

Er lief den Beckenrand entlang, seine Stimme erreichte sie nur gedämpft und bruchstückhaft. „Ich dachte … dann hast du … Fortschritte machen …“

Sie gab auf, drehte sich in die Seitenlage und blickte auf seinen schlanken Körper.

„Fortschritte in welcher Hinsicht?“

Er kniff die Augen zusammen. „Ich hasse es, wenn du dich dumm stellst.“

„Und ich hasse es, wenn du mich beleidigst.“

„Ich beleidige dich doch nicht.“

„Du hast gesagt, ich sei dumm.“

Er streckte frustriert die Hände aus. „Ich habe gesagt, du stellst dich dumm.“

„Dann bin ich also hinterhältig.“

„Muss das sein?“

Offensichtlich ja, denn jedes Mal, wenn sie sich auf ein paar Meter näherten, fingen sie an zu streiten.

„Ich war für dich da, Amanda.“

Sie schwamm nicht weiter, das Wasser schwappte leicht gegen ihren Hals.

Er hob kapitulierend die Arme. „Okay, okay. Du warst auch für mich da. Ich weiß.“

„Und es ist vorbei“, sagte sie. „Bryan lebt …“ Ihre Stimme bebte, als sie den Namen ihres Sohnes aussprach. Sie holte Luft. „Und Cullen ist glücklich verheiratet.“

Daniel ging wieder in die Hocke und senkte die Stimme. „Was ist mit dir, Amanda?“ In seinen blauen Augen spiegelte sich das Wasser.

Nein. Das tat sie sich nicht an. Sie würde sich von Daniel nicht in eine Unterhaltung über ihre Gefühle oder ihren Seelenzustand ziehen lassen.

„Ich lebe auch“, informierte sie ihn, tauchte unter und begann wieder zu kraulen.

Er lief erneut den Beckenrand entlang und beobachtete ihre Schwimmzüge.

Schon bald konnte sie nur noch daran denken, wie weit ihr Hintern aus dem Wasser schaute und ob ihr Badeanzug hochgerutscht war.

Sie machte am anderen Ende der Bahn eine Pause und strich sich die Haare aus dem Gesicht.

„Gehst du jetzt endlich?“ Sie hatte nicht vor, weitere vierundvierzig Bahnen zu schwimmen, solange er am Beckenrand stand und ihre Schenkel betrachtete.

„Ich will mit dir über eine juristische Angelegenheit sprechen“, sagte er.

„Ruf in meinem Büro an.“

„Wir sind eine Familie.“

„Sind wir nicht.“ Nicht mehr.

Er blickte sich um. „Müssen wir hier streiten?“

„Müssen wir nicht, wenn du mich endlich weiterschwimmen lässt.“

„Komm aus dem Wasser und lass uns etwas trinken.“

„Geh.“

„Ich brauche deinen juristischen Rat.“

„Du hast genug Anwälte.“

„Aber es ist vertraulich.“

„Ich muss noch meine Bahnen schwimmen.“

Er sah auf ihren Körper, dessen Umrisse unter Wasser nur verschwommen zu erkennen waren. „Das hast du doch nicht nötig.“

Ihr Herz geriet fast ins Stolpern. Doch dann erinnerte sie sich, wie leicht ihm Komplimente über die Lippen kamen. Sie drehte sich um und schwamm die nächste Bahn.

Er folgte ihr ans andere Ende des Beckens und stand bereits dort, als sie auftauchte und Luft holte.

Sie seufzte frustriert. „Du kannst ein richtiger Mistkerl sein, weißt du das?“

„Schwimm deine Bahnen. Ich kann warten.“

Sie biss die Zähne zusammen. „Das glaube ich nicht.“

Er grinste und streckte die Hand aus.

Daniel hatte sich Sorgen gemacht, dass sie möglicherweise nicht auf seinen Trick hereinfiel. Dann müsste er sich etwas anderes einfallen lassen, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Denn es gab ein paar Dinge, die unbedingt gesagt werden mussten.

In den letzten Wochen hatte er ihren vollen Terminkalender gesehen. Er hatte die späten Anrufe gehört. Und er hatte beobachtet, wie sie von ihren Mandanten ausgenutzt wurde.

Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen, und er streckte die Hand noch etwas weiter aus und lockte sie mit dem Zeigefinger. Er brauchte ihre Aufmerksamkeit für ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen. Dann wäre sie wieder in der Spur, und er würde für immer aus ihrem Leben verschwinden.

Schließlich legte sie ihre schmale Hand in seine. Er versuchte, seine Erleichterung nicht zu deutlich zu zeigen, und zog sie aus dem Wasser.

Sie richtete sich auf, und er ließ den Anblick ihrer gebräunten Arme und Beine auf sich wirken. Verführerisch schmiegte sich der apricotfarbene Badeanzug an ihre fraulichen Kurven. Da sie jetzt lässige Kleidung bevorzugte – Kleidung, die man fast als sackartig bezeichnen konnte –, hatte er vermutet, sie hätte über die Jahre zugenommen. Dem war aber nicht so.

Sie hatte absolutes Modelpotenzial. Ihre Figur war traumhaft. Die Taille schlank, der Bauch flach und fest, die Brüste herrlich voll.

Ein Verlangen, wie er es schon lange nicht mehr gespürt hatte, ergriff ihn plötzlich. Er verdrängte das Gefühl.

Wenn er sie jetzt bedrängte, dann würde sie flüchten und den Rest ihres Lebens damit verbringen, den Stress im Büro beim Schwimmen abzubauen und in Freizeithosen, weiten Blusen und klobigen Sandalen durch Manhattan zu laufen.

Bei der Vorstellung zuckte er innerlich zusammen.

Sie wollte es vielleicht nicht zugeben, doch sie musste ihre beruflichen Kreise ausweiten, den Kontakt zu wohlhabenden Mandanten pflegen und sich um Himmels willen schicker anziehen.

Amanda entzog ihm ihre Hand.

„Ein Drink“, warnte sie und warf ihm ihren Leg-dich-bloß-nicht-mit-mir-an-Blick zu, als sie Wassertropfen von ihrem Badeanzug wischte.

„Ein Drink“, stimmte er schroff zu und wandte seinen Blick von ihrem herrlichen Körper ab.

Sie sah auf seine trockene Badehose und rümpfte die Nase. „Du bist nicht einmal nass.“

Er legte die Hand unter ihren Ellenbogen und führte sie zu den Umkleidekabinen. „Ich bin ja auch nicht gekommen, um zu schwimmen.“

Ihre Haut fühlte sich glatt und kühl an, wie die Kacheln unter seinen Füßen. Am Gang zu den Kabinen blieb sie stehen und sah ihn an. Er konnte fast sehen, wie es in ihrem Kopf arbeitete.

Daniel hatte nichts Juristisches mit ihr zu besprechen. Es war ein spontaner Einfall gewesen, um sie aus dem Pool zu locken.

Er überlegte, wie er sie ablenken konnte. „Ich nehme nicht an, dass du um der guten alten Zeiten willen eine Gemeinschaftskabine in Betracht ziehst?“

Bei der Bemerkung blitzten ihre dunklen Augen auf, doch sie ging nicht darauf ein.

Fast wehmütig lächelte er sie an. „Die Jungs waren immer gern hier.“

„Was ist mit dir los?“, fragte sie.

„Ich habe nur gesagt …“

„Schön. In Ordnung. Ja, die Jungs waren immer gern hier.“

Sie schwieg einen Moment, dann wurde ihr Blick weicher.

Er merkte, wie ihn die Vergangenheit eingeholte. Die Schreie der im Wasser tobenden Kinder traten in den Hintergrund, und plötzlich sah er zwei kleine, dunkelhaarige Jungen, die die Rutschte hinunterschlitterten und Saltos vom Sprungbrett machten. Boca Royce war das einzige Freizeitzentrum gewesen, das Amanda und er sich damals hatten leisten können – dank der Mitgliedschaft der Elliotts. Bryan und Cullen hatten hier im Wasser getobt, bis sie völlig erschöpft waren.

Er erinnerte sich daran, wie Amanda und er die Jungen am Ende des Tages nach Hause gebracht, mit ihnen Pizza gegessen und einen Zeichentrickfilm gesehen hatten. Schließlich hatten sie ihre Söhne ins Bett gebracht und sich verliebt in ihr eigenes Bett gekuschelt.

„Wir hatten auch schöne Zeiten, nicht wahr?“, fragte er mit belegter Stimme.

Sie pflichtete ihm weder bei, noch erwiderte sie seinen Blick. Ohne ein Wort drehte sie sich um und marschierte den Flur entlang.

Auch gut.

Er war hier, um ihr ein paar grundlegende Ratschläge zu geben, was ihre berufliche Karriere betraf.

Alles andere war tabu.

Absolut tabu.

Amanda fühlte sich in ihren verwaschenen Jeans und dem hellblauen Top wesentlich weniger wehrlos. Mit den Fingern fuhr sie sich durch ihre nassen Haare und gab dann farblosen Lipgloss auf die Lippen. Tagsüber benutzte sie nie viel Make-up, und für Daniel wollte sie sich schon gar nicht schminken. Sie föhnte auch ihre Haare nicht.

Mit Schwung warf sie ihre gelbe Sporttasche über die Schulter, verließ die Umkleidekabine und lief die breite Treppe zur Lounge hinauf.

Ein schneller Drink. Sie würde Daniel anhören, ihn an einen Kollegen verweisen und dann vielleicht einen guten Therapeuten aufsuchen.

Oben führte eine breite Holztür in den Loungebereich. Die Empfangsdame hinter dem Marmortresen hielt sie auf, um sich ihre Mitgliedskarte zeigen zu lassen. Bevor Amanda die Karte aus den Tiefen ihrer Tasche herausfischen konnte, erschien Daniel. Im Armani-Anzug.

Er ergriff ihren Arm und nickte der Empfangsdame kurz zu. „Nicht nötig. Sie ist mein Gast.“

„Rein formal gesehen, bin ich nicht dein Gast“, betonte Amanda, als er die schwere Tür aufstieß. „Ich bin selbst Mitglied.“

„Ich hasse es, wenn sie sich von dir den Mitgliedsausweis zeigen lassen.“ Daniel deutete auf einen kleinen runden Tisch in der Nähe der Glaswand mit Blick auf den Pool. „Es ist unverschämt.“

„Man kennt mich hier nicht“, sagte Amanda. Die Empfangsdame machte nur ihren Job.

Daniel zog einen Stuhl für Amanda heran. Sie sank auf das weiche Lederkissen und stellte ihre Tasche neben sich auf den Holzboden.

„Wenn du …“

Sie warf ihm einen warnenden Blick über die Schulter zu.

Er sprach nicht weiter, sondern ging um den Tisch herum.

Daniel hatte sich gerade gesetzt, da erschien schon ein Kellner in einem dunklen Anzug. „Was darf es sein?“

„Für mich bitte einen Fruchtsaft“, bat Amanda.

„Wir haben einen Orangen-Mango-Saft.“

„Klingt gut.“

„Und für Sie, Sir?“

„Glen Saanich on the Rocks.“

„Gern.“ Der Kellner nickte und entfernte sich.

„Lass mich raten“, sagte sie. „Du wolltest sagen, dass niemand meinen Ausweis sehen wollte, wenn ich ein elegantes Kostüm tragen würde.“

Er machte sich nicht die Mühe zu widersprechen. „Kleider machen Leute. Ein Kostüm und High Heels würden dir mehr Ansehen verschaffen.“

„Das ziehe ich im Gerichtssaal an, aber nicht, um in exklusive Clubs zu kommen.“

„Amanda, du bist Rechtsanwältin.“

„Das ist mir bewusst.“

„Und Anwälte sind üblicherweise …“

„Daniel“, warnte sie. Was auch immer sie hier besprechen wollten, ihre Garderobe gehörte nicht dazu.

„Ich sage nur, geh mal in eine Boutique. Geh regelmäßig zum Friseur …“

„Was stimmt denn nicht mit meiner Frisur?“

Er hielt kurz inne, und etwas flackerte in seinen Augen auf. „Du bist eine wunderschöne Frau, Amanda.“

„So?“ Zu schade nur, dass sie hässliche Kleidung trug und eine schreckliche Frisur hatte.

„Ich spreche von ein paar Blazern und einem Haarschnitt.“

„Damit ich meine Karte im Boca Royce nicht mehr zeigen muss?“

„Es geht nicht nur um den Mitgliedsausweis, und das weißt du genau.“

Sie richtete sich auf. Vielleicht nicht. Aber auch das ging ihn nichts an. „Lass mich in Ruhe, Daniel.“

Zu ihrer Überraschung hielt er kapitulierend die Hände hoch und lächelte entschuldigend. Irgendwie unbefriedigend, dass er so schnell nachgab …

Er nahm die Serviette, die dekorativ auf dem Tisch stand, und legte sie zur Seite, damit er Amanda besser in die Augen sehen konnte. Ihr Blick blieb an seinen kräftigen gebräunten Händen hängen, und für den Bruchteil einer Sekunde erinnerte sie sich daran, wie es gewesen war, seine Hand auf ihrer Haut zu spüren. Sie schluckte.

Der Kellner kam mit den Getränken und stellte sie auf die Untersetzer. Dann reichte er Daniel die Karte mit den Vorspeisen.

„Hast du Hunger?“

Als wenn sie dieses Gespräch bei Sushi oder Blätterteighäppchen in die Länge ziehen würde. „Nein.“

„Wir könnten ein paar Kanapees bestellen.“

Sie schüttelte den Kopf.

„In Ordnung. Dann begnüge ich mich mit meinem Scotch.“

Sie blickte auf den teuren bernsteinfarbenen Whisky, der sie gnadenlos daran erinnerte, wer er geworden war. Es war lange her, dass sie ihm ein Budweiser in der Dose serviert hatte.

„Ein Dreißig-Dollar-Scotch?“, fragte sie.

Er klappte die Speisekarte wieder zu. „Was ist daran falsch?“

„Trinkst du noch Bier?“

Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal.“

„Ich meine heimisches.“

Er hob sein Glas, und die Eiswürfel klirrten gegen das feine Kristall. „Du bist das absolute Gegenteil von einem Snob, weißt du das?“

„Und du bist ein totaler Snob.“

Er sah sie lange an. Sein vielsagender Blick ließ ihr Schauer über den Rücken laufen.

Aus reinem Selbsterhaltungstrieb heraus senkte sie den Blick. Sie würde sich Daniels Meinung über sie nicht zu eigen machen. Vergiss den Friseur. Vergiss die Designerklamotten.

Es war ihr egal, was er über sie dachte.

„Was meinst du, warum wir …?“, begann er, und sie blickte auf. Er fing noch einmal von vorn an. „Was meinst du, warum wir ständig streiten?“ Zweifellos eine sehr persönliche Frage.

Sie wehrte sich dagegen, auf den vertraulichen Ton einzugehen. „Weil wir uns an die Hoffnung klammern, die Meinung des anderen irgendwann ändern zu können.“

Er schwieg lange Zeit. Dann breitete sich ein entwaffnendes Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Nun, ich bin bereit, es besser zu machen, wenn du es auch bist.“

Oh, oh. Sie wusste nicht, was er vorhatte, aber es konnte nicht gut sein. „Können wir jetzt zur Sache kommen?“

„Zur Sache?“

„Die vertrauliche juristische Angelegenheit? Die Geschichte, über die du mit mir sprechen wolltest?“

„Ach, das. Es ist eine etwas … delikate Angelegenheit.“

Das ließ sie aufhorchen. „Wirklich?“

Sie beugte sich vor. Lag in seinen Worten eine versteckte Botschaft? Befand Daniel sich in Schwierigkeiten?

„Willst du andeuten, dass du etwas angestellt hast?“, fragte sie.

Er blinzelte. „Was soll ich angestellt haben?“

„Hast du ein Gesetz gebrochen?“

Er zog die Augenbrauen zusammen. „Das ist doch lächerlich. Meine Güte, Amanda.“

„Was hat es dann mit diesem geheimen Meeting mitten am Tag auf sich? Und warum mit mir?“

„Dies ist kein geheimes Treffen.“

„Wir sind nicht in deinem Büro.“

„Wärst du zu mir ins Büro gekommen?“

„Nein.“

„Siehst du.“

„Daniel! Komm endlich zum Punkt.“

Er nahm einen Schluck von seinem Scotch. „Also gut. Ich bin dabei, das Handbuch zu überprüfen, in dem die Spielregeln für unser Unternehmen festgeschrieben sind.“

„Das Mitarbeiterhandbuch?“ Warum, um alles auf der Welt, sollte das eine delikate Angelegenheit sein?

Er nickte.

Enttäuscht schüttelte sie den Kopf und griff nach ihrer Sporttasche. „Daniel, Firmenrecht ist nicht mein Fachgebiet.“

Er drückte ihre Hand auf den Tisch, und ein Prickeln lief über ihren Arm.

„Was meinst du damit?“

Sie versuchte, seine Berührung zu ignorieren. „Ich kenne mich auf diesem Gebiet nicht aus.“

„Nun, vielleicht nicht mit Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen …“

Sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Wenn sie ihm jetzt ihre Hand entzog, würde er sofort merken, wie nervös seine Berührung sie machte. „Ich habe mich auf Strafrecht spezialisiert.“

Schweigend sah er sie an. Der Puls in seinem Daumen schlug synchron mit ihrem.

„Straftaten“, fügte sie hinzu und zog leicht an ihrer Hand.

Er blinzelte verwirrt.

„Sicher hast du die Zeitungen gelesen, die Dramen im Fernsehen gesehen …“

„Aber … Anwälte verfolgen keine Verbrecher.“

„Wer sagt, dass ich sie verfolge?“

Er verstärkte seinen Griff. „Du verteidigst sie?“

„Ja, genau.“ Jetzt machte sie keinen Hehl mehr daraus, dass sie ihre Hand befreien wollte.

Er ließ sie los und wandte den Blick ab. Einen Moment später starrte er sie wieder an. „Welche Art von Verbrechern?“

„Die, die geschnappt werden.“

„Jetzt sei mal ernst.“

„Ich bin todernst. Diejenigen, die davonkommen, brauchen mich nicht.“

„Verbrecher wie Diebe, Prostituierte, Mörder?“

„Ja.“

„Wissen die Jungs das?“

„Natürlich.“

„Das gefällt mir nicht.“

„So?“ Als hätte seine Meinung einen Einfluss auf ihre beruflichen Entscheidungen.

„Wirklich, Amanda.“ Er griff jetzt mit beiden Händen nach ihrer. „Ich dachte …“ Er schüttelte den Kopf. „Aber das ist gefährlich.“

Seine Berührung mochte beunruhigend sein, doch noch mehr störten sie seine Worte.

„Es geht dich nichts an, Daniel.“

„Doch.“

„Nein.“

„Du bist die Mutter meiner Kinder. Ich kann nicht zulassen …“

„Daniel!“

Sein Griff verstärkte sich, und plötzlich hatte er diesen vertrauten Ausdruck in den Augen. Dieser Ausdruck besagte, dass er einen Plan hatte.

2. KAPITEL

Daniel musste mit seinen Söhnen sprechen. Zumindest mit Cullen. Ihm würde er gehörig die Meinung sagen. Bryan wollte er sich erst vorknöpfen, wenn er genesen war.

Er warf seine Kreditkarte auf den Tresen des Atlantic Golf Course Pro Shop.

Amanda war eine Strafverteidigerin? Völlig wahnwitzig. Nach der Scheidung hatte sie ihren Bachelor gemacht, dann den Master in englischer Literatur, schließlich hatte sie noch drei Jahre Jura studiert. Und das alles, um Kriminelle zu verteidigen?

Der Verkäufer des Golfgeschäfts packte das blaue Golfshirt ein, während Daniel den Beleg unterschrieb.

Ihre Mandanten bezahlten sie vermutlich mit gestohlenen Stereoanlagen.

Bankräuber hatten vielleicht Bargeld aus erfolgreichen Banküberfällen – kleine, nicht markierte Geldscheine. Bis sie gefasst wurden.

Und seine Söhne hatten gewusst, was für einen gefährlichen Job sie ausübte. Trotzdem hatten sie es all die Jahre nicht für nötig befunden, ihn darüber zu informieren. Hätten sie nicht in einer Unterhaltung ganz beiläufig das Thema darauf bringen können?

Autor

Barbara Dunlop
<p>Barbara Dunlop hat sich mit ihren humorvollen Romances einen großen Namen gemacht. Schon als kleines Mädchen dachte sie sich liebend gern Geschichten aus, doch wegen mangelnder Nachfrage blieb es stets bei einer Auflage von einem Exemplar. Das änderte sich, als sie ihr erstes Manuskript verkaufte: Mittlerweile haben die Romane von...
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