Ist das Liebe?

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Brennendheiß erwacht die Sehnsucht nach Liebe und Zärtlichkeit in Bobbie Miller. Doch die junge Anwältin hat ihr Herz an den Falschen verloren. Zwar ist Luke Crighton atemberaubend attraktiv - aber auch ein Feind ihrer Familie …


  • Erscheinungstag 15.12.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733769659
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Müde griff Tullah zum Hörer, als das Telefon zu klingeln begann. Sie hatte soeben ihre Wohnung betreten. Offiziell begann ihr Feierabend um halb sechs Uhr. Doch an diesem Tag war es wie so oft in den letzten sechs Wochen neun Uhr geworden, bevor sie das Büro verlassen hatte. Aber es sollte nicht mehr lange so weitergehen. Gott sei Dank.

„Tullah Richards“, sagte sie mit ihrer tiefen, recht sinnlichen Stimme in den Hörer. Ihre Freunde neckten sie damit, dass sie viel zu verführerisch für eine entschlossene Karrierefrau klang, als die sie sich gern bezeichnete.

„Na endlich! Ich habe schon den ganzen Tag versucht, dich zu erreichen. Unsere Verabredung für dieses Wochenende gilt doch noch, oder?“

Sie lächelte, als sie Olivias Stimme erkannte. Einige Jahre zuvor hatten sie in derselben Londoner Firma gearbeitet. Trotz der Umstände, die sie getrennt hatten, waren sie gute Freundinnen geblieben. Inzwischen war Olivia verheiratet, hatte eine kleine Tochter und lebte auf dem Lande in Cheshire. Tullah hingegen war in London geblieben und hatte sich völlig ihrer Karriere gewidmet. Doch das sollte sich bald ändern. Auf Grund einer seltsamen Laune des Schicksals wollte auch sie demnächst nach Haslewich ziehen.

„Ja, wenn es dir immer noch recht ist“, erwiderte sie.

„Wir freuen uns darauf“, versicherte Olivia. „Um welche Uhrzeit kommst du an?“

„Gegen fünf, denke ich. Ich soll den Immobilienmakler um eins treffen, und dann werden wir mehrere Anwesen besichtigen, die er für mich ausgesucht hat.“

„Anwesen … das klingt ja gewaltig“, neckte Olivia sie.

Tullah lachte. „Ich wünschte, dass es so wäre. In Wirklichkeit habe ich ihm bereits gesagt, dass ich mir kaum etwas Teureres als eine Einzimmerwohnung leisten kann oder vielleicht ein winziges Häuschen. Ich nehme an, dass mittlerweile der Wohnraum in Haslewich durch den Zustrom all der neuen Angestellten von Aarlston-Becker hoch im Kurs steht.“

„Größtenteils trifft das sicherlich zu“, bestätigte Olivia. „Ursprünglich haben die höheren Ränge von Aarlston-Becker wohl angenommen, sie könnten ihre Doppelhaushälften in der Stadt gegen hochherrschaftliche Landhäuser mit sieben Zimmern inklusive Weiden für Ponys und riesige Gärten tauschen. Die Wirklichkeit sieht jedoch etwas anders aus, obwohl Grundbesitz hier immer noch billiger als in der Großstadt ist. In Haslewich direkt gibt es einige sehr hübsche Häuschen. Großtante Ruth hat inzwischen vier neue Nachbarn am Church Walk bekommen, und wir hatten eine Menge Eigentumsübertragungen vorzunehmen. Ach, übrigens, was wird denn aus deiner Wohnung in London?“

„Oh, da hatte ich Glück. Sarah, mit der ich die Wohnung teile, will heiraten. Sie und ihr Mann werden mich auszahlen, so dass ich nicht erst auf einen Käufer warten muss. Ich habe außerdem mit Aarlston-Becker ausgehandelt, dass mir die Umzugskosten erstattet werden und ein Überbrückungskredit gewährt wird, falls ich einen brauche.“

Olivia lachte. „Das ist wieder mal typisch für dich. Ich muss sagen, dass ich mich wirklich freue, dass du hierherziehst. Es wird wieder wie in alten Zeiten sein. Manchmal kann ich kaum glauben, dass es über drei Jahre her ist, seit ich aus der Firma ausgeschieden bin. Seitdem ist so viel passiert. Ich habe Caspar geheiratet, und wir haben Amelia bekommen. Im vergangenen Jahr hat sich die Kanzlei beträchtlich entwickelt, und Onkel Jon und ich spielen mit dem Gedanken, einen qualifizierten Kanzleigehilfen oder möglicherweise sogar einen voll ausgebildeten Anwalt einzustellen.“

„Tja, nun, du hast mit deiner Kündigung zweifellos die richtige Entscheidung getroffen“, versicherte Tullah düster. „Die Zahl der Kürzungen, die stattgefunden haben, ist geradezu beängstigend.“

„Trotzdem wird es ihnen leidtun, dich zu verlieren“, entgegnete Olivia. „Ich muss sagen, dass ich furchtbar stolz auf dich war, als ich erfahren habe, dass Aarlston-Becker an dich herangetreten ist.“

„Und außerdem an ein Dutzend andere Leute“, fühlte Tullah sich verpflichtet zu betonen. „Und nur, weil sie im letzten Moment entschieden haben, wegen der höheren Leistungsprämien in England nach Haslewich umzusiedeln, statt den europäischen Geschäftssitz wie ursprünglich geplant nach Den Haag zu verlegen.“

„Nun, auf jeden Fall wirst du für eine erstklassige internationale Organisation arbeiten“, schwärmte Olivia. „Ich weiß, wie beeindruckt mein Cousin Saul ist, seit er der Firma vor sechs Monaten beigetreten ist. Wie in deinem Fall, ist sie an ihn herangetreten, als die Zweigstelle hier gegründet wurde, und …“

„Saul?“, unterbrach Tullah mit einer ungewöhnlichen Schärfe in ihrer rauchigen Stimme.

„Ja, er ist einer meiner Cousins zweiten oder dritten Grades väterlicherseits. Ich bin mir da nie so ganz sicher bei unserer verzweigten Familie. Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht an ihn, aber er war bei unserer Hochzeit und auch bei der Taufe. Er ist groß, dunkelhaarig und …“

„Gut aussehend“, warf Tullah schroff ein. „Wenn ich mich recht erinnere, hast du mindestens ein halbes Dutzend Cousins zweiten oder dritten Grades, auf die diese Beschreibung zutrifft.“

„Vielleicht“, räumte Olivia ein. Dann setzte sie in sanftem Ton hinzu: „Aber es gibt nur einen Saul.“

„Hoffentlich“, murrte Tullah vor sich hin. Dann erhob sie die Stimme, so dass Olivia sie hören konnte. „Ich erinnere mich vage an ihn. Ein sehr dunkler Typ, ziemlich autokratisch und ganz Kavalier, wenn ich nicht irre. Er hat sich extrem bemüht, alle wissen zu lassen, welch guter Vater er sei. Aber wenn ich mich nicht sehr täusche, war es deine Tante Jenny, die sich überwiegend um seine Kinder gekümmert hat“, bemerkte sie verächtlich und fügte dann hinzu: „Ich dachte, dieser Zweig deiner Familie würde in Pembroke leben.“

„Das stimmt auch. Aber da Onkel Hugh jetzt im Ruhestand ist, sind er und Ann viel auf Reisen in Übersee. Onkel Hugh ist nämlich begeisterter Segler. Nun, um es kurz zu machen, Saul ist inzwischen geschieden und hält es für besser, dass die Kinder in einer Umgebung aufwachsen, in der sie engen Kontakt zur Familie haben. Das war auch der ausschlaggebende Grund dafür, dass er die Stellung bei Aarlston-Becker angenommen hat. Eigentlich ist es ein erstaunlicher Zufall, dass ihr beide in deren Rechtsabteilung arbeiten werdet. Andererseits ist es jedoch eine riesige, multinationale Organisation.“ Olivia seufzte und fuhr fort: „Es hat eine Menge Feindseligkeiten gegeben, als die Firma sich hier niedergelassen hat. Tante Ruth hat gesagt, es erinnere sie an damals, als die Amerikaner während des Zweiten Weltkrieges hier einzogen. Nur dass die den Vorteil hatten, sich durch Seidenstrümpfe und Schokolade die Aufnahme in die Gemeinde zu erleichtern. Tante Jenny hat allerdings neulich gesagt, dass eine generelle Übereinstimmung zu Gunsten des Zustroms herrsche – oder zumindest zu Gunsten des wirtschaftlichen Aufschwungs, der darauf folge. Sie hat es von ihrem Geschäftspartner, Guy Cooke, gehört, und der muss es wissen. Seine Familie ist weit verbreitet und macht praktisch halb Haslewich aus. Sie lebt schon von Anfang an hier.“

„Tja, nun, es ist gut zu wissen, dass ich nicht befürchten muss, von einer wütenden Einwohnerschar empfangen zu werden, die mich am liebsten wieder nach London zurückbefördern würde“, bemerkte Tullah.

Olivia lachte. „Dich? Auf keinen Fall. Ich finde es wundervoll, dass du übers Wochenende kommst. Ich freue mich riesig darauf.“

„Ich auch“, versicherte Tullah mit einem Lächeln. Als sie den Hörer auflegte, lächelte sie jedoch nicht mehr. Saul Crighton. Sie hatte nicht gewusst, dass er nun in Haslewich lebte und noch dazu bei Aarlston-Becker arbeitete. Sie wusste natürlich, dass Olivia eine Schwäche für ihn hatte, konnte sich aber beim besten Willen nicht den Grund dafür erklären.

Nach allem, was sie auf der Hochzeit von Olivia und Caspar über ihn gehört hatte, war es ihm beinahe gelungen, die beiden zu trennen. Angeblich hatte er sehr kaltblütig versucht, die damals sehr verletzliche Olivia zu einer Affäre zu bewegen, obwohl er zu jenem Zeitpunkt selbst noch verheiratet gewesen war.

Darüber hinaus hatte Tullah erfahren, dass Louise, eine halbwüchsige Cousine von Olivia, ebenfalls seinem Egoismus zum Opfer gefallen war. Offensichtlich vermochte er sein erlahmendes Selbstbewusstsein nur auf eine einzige Weise aufzupäppeln, indem er nämlich junge, unreife und verletzliche Mädchen verführte.

Tullah kannte sich mit Männern wie ihm aus. Sie wusste, welches Unheil sie anrichten, welchen Kummer und welche Selbstverachtung sie bei ihren Opfern hervorrufen konnten. Sie musste es schließlich wissen.

Aber es war sinnlos, auf die Vergangenheit zurückzugreifen. Sie hatte mit dieser Episode ihres Lebens längst abgeschlossen. Kurz nach ihrer Übersiedlung nach London hatte sie sich Hals über Kopf und hoffnungslos in einen verheirateten Mann verliebt, der kaltblütig ihre Naivität und Unerfahrenheit ausgenutzt hatte. Er hatte behauptet, dass er sie liebte und seine Ehe nur noch eine leere Heuchelei sei, und sie hatte ihm jedes Wort geglaubt.

Doch jenes junge Mädchen von damals existierte nicht mehr. Wie konnte es auch? Es war zerstört worden durch die erschütternde Erkenntnis, dass ihr Geliebter nicht beabsichtigt hatte, seine Ehefrau zu verlassen, und dass sie darüber hinaus keineswegs die Liebe seines Lebens war, sondern lediglich eine von zahlreichen Affären.

Sie musste sich eingestehen, dass sie ihre jugendliche Liebe und Bewunderung längst überwunden hatte, nicht aber die Demütigung, den Selbsthass und die Scham über ihre Dummheit und Leichtgläubigkeit.

Seine Ehefrau hatte ihr damals mitgeteilt, dass sie ihn nur wegen der Kinder noch nicht verlassen hatte. „Sie brauchen ihn immer noch, auch wenn ich ihn nicht brauche.“

Und Tullah, die ihren Vater seit der Scheidung ihrer Eltern sehnlichst vermisste, war beinahe wie ein kleines Kind in Tränen ausgebrochen.

Im Laufe der Jahre war sie mit vielen Männern in Kontakt gekommen, die unter denselben egozentrischen Bedürfnissen litten wie jener Mann, der ihr so wehgetan hatte. Es waren oberflächliche, eitle Kreaturen, die einen gefährlich reizvollen Charme besaßen, auf den naive und verletzliche Frauen allzu leicht hereinfielen. Und bislang bezweifelte sie nicht, dass es sich bei Saul Crighton um ein weiteres Exemplar dieser Gattung handelte.

Tullah erinnerte sich, dass er sie auf Olivias und Caspars Hochzeit um einen Tanz gebeten und auf ihre Ablehnung so verstimmt wie ein kleines Kind reagiert hatte.

Sie erinnerte sich außerdem, dass Olivia ihn regelrecht bemuttert und erklärt hatte, dass er auf Grund der Trennung von seiner Frau eine schlimme Zeit hinter sich habe und eine schwere Verantwortung trüge.

Um keinen Zwiespalt hervorzurufen, hatte Tullah verschwiegen, dass die Trennung sie keineswegs überraschte. Schließlich hatte sie kurz zuvor von Sauls Versuch gehört, Olivia zu verführen und sie Caspar auszuspannen.

Max Crighton, Jon und Jennys ältester Sohn und somit ein weiterer Cousin von Olivia, hatte ihr schließlich die Situation erläutert.

„Saul steht auf junge Dinger. Er ist gerade in dem Alter“, hatte Max zynisch verkündet. „Er ist nicht gerade zur Treue geboren. Kaum hat er erkannt, dass er Olivia verloren hat, versucht er auch schon, meiner Schwester Louise den Kopf zu verdrehen.“

Eine gute halbe Stunde lang hatte er ihr die verwickelten Beziehungen zwischen den verschiedenen Mitgliedern des Crighton-Clans erklärt. Er war offensichtlich ein Mann, der selbst sehr gern flirtete. Tullah war sein Versuch, sie in einen unterschwellig-sinnlichen Flirt zu verwickeln, jedoch als recht angenehm erschienen. Im Gegensatz dazu empfand sie Sauls Ernsthaftigkeit und vorgetäuschte Aufrichtigkeit als hinterlistig und somit bedrohlich und abstoßend. Diese Ansicht war nur noch verstärkt worden durch das Verhalten von Louise, die ihn mit zitternden Lippen und vernarrten Blicken beobachtet hatte.

Nein, Saul Crighton hatte Tullah überhaupt nicht gefallen.

„Du wirkst sehr nachdenklich und brütend“, bemerkte Caspar zu seiner Frau, als er die Küche betrat. Er legte die Essays, die er sich zur Lektüre mitgebracht hatte, auf den Tisch. Dann trat er zu ihr, schloss sie in die Arme und küsste sie. „Hm … das war schön.“

„Hm … sehr schön“, bestätigte sie und erklärte: „Ich habe vorhin mit Tullah gesprochen. Sie kommt ganz sicher an diesem Wochenende.“

„Aha, jetzt verstehe ich. Der Gedanke, dich ein bisschen in Kuppelei zu üben, macht dich so nachdenklich.“

„Na ja, Tullah ist immerhin achtundzwanzig und damit genau im richtigen Alter, um zu heiraten“, verteidigte sich Olivia. „Außerdem ist sie so mütterlich.“

„Mütterlich?“ Caspar lachte laut, als er sich die Freundin seiner Frau vergegenwärtigte. „Reden wir etwa über ein und dieselbe Tullah? Die Tullah mit der Figur, die der Fantasie eines jeden Mannes entspringt und einer Mischung aus Claudia Schiffer und einem Girl aus ‚Baywatch‘ entspricht? Dieselbe Tullah mit diesen wundervollen, dunklen Zigeuneraugen und den üppigen Locken und dem tollen Schmollmund, der sie so provozierend und gleichzeitig so verletzlich und unschuldig wirken lässt?“

„Caspar!“, warnte Olivia.

„Entschuldige“, murmelte er ohne Reue. Seine Augen funkelten. „Vielleicht habe ich mich ein bisschen mitreißen lassen, aber du musst zugeben, dass niemand sie für eine hoch qualifizierte Anwältin halten würde. Sie sieht aus, als ob ihr Sex-Appeal keine Grenzen kennt, während ihr Intelligenzquotient …“

„Caspar!“, ermahnte Olivia ihn mit mehr Nachdruck.

„Okay, okay, beruhige dich. Du weißt sehr gut, dass ich auf freche Blondinen mit blitzenden Augen stehe.“ Geduldig fügte er hinzu: „Ich will mit alledem nur sagen, dass Tullah zwar umwerfend sinnlich und verführerisch ist, aber bestimmt nicht mütterlich.“

„Das liegt daran, dass du sie nur nach dem Äußeren beurteilst“, teilte Olivia ihm ernst mit. „Wie du gerade selbst gesagt hast, ist sie höchst qualifiziert. Übrigens hat sie ursprünglich in einer kleinen Privatkanzlei gearbeitet. Aber all die Fälle mit Scheidung und Sorgerecht sind ihr so nahe gegangen, dass sie zur Industrie umgesattelt ist. Ihre Eltern haben sich getrennt, als sie noch ein Teenager war. Nach allem, was sie mir darüber erzählt hat, hatte es eine sehr traumatische Wirkung auf sie.“

„Das ist durchaus wahrscheinlich.“ Sie tauschten einen langen, verständnisvollen Blick. Auch Caspar hatte keine angenehme Kindheit erlebt. Er war von einem Elternteil zum anderen gereicht und in den Hintergrund gedrängt worden, als beide wieder geheiratet und neue Familien gegründet hatten.

Auch Olivias Kindheit war nicht unproblematisch verlaufen. Ihr Vater David, der Zwillingsbruder ihres Onkels Jon, war plötzlich verschwunden. Nach einem schweren Herzanfall hatte er sich einfach selbst aus der Klinik entlassen, ohne irgendjemandem mitzuteilen, wohin er wollte oder was er zu tun beabsichtigte.

Und ihre Mutter Tania lebte nun im Süden Englands, nachdem sie jahrelang an einer Essstörung gelitten hatte. Vor wenigen Wochen hatte sie angerufen und aufgeregt verkündet, dass es einen neuen Mann in ihrem Leben gäbe, den sie ihrer Tochter vorstellen wolle.

„Ich habe mir gerade überlegt, wie perfekt einer der Cousins aus Chester für Tullah wäre“, verkündete Olivia.

„Einer von ihnen?“, hakte Caspar erstaunt nach.

„Na ja, es stehen so viele zur Auswahl“, verteidigte sie sich. „Dass Luke inzwischen geheiratet hat, gibt den anderen vielleicht den Anstoß, den sie brauchen. Schließlich kann es nicht ein Mangel an finanzieller Sicherheit sein, der sie zurückhält.“

„Du klingst wie eine Figur von Jane Austen“, neckte er sie.

Olivia lachte und zitierte: „‚Es ist eine allgemein anerkannte Tatsache, dass ein lediger Mann im Besitz eines großen Vermögens einer Frau bedürfen muss.‘ Meinst du das? Ich habe aber eher an ein emotionelles Bedürfnis gedacht“, teilte sie ihm sehr würdevoll mit. „Jetzt lass mich mal sehen. Da haben wir James und Alistair, Niall und Kit …“ Sie zählte die Namen an den Fingern ab.

„Sie kann nicht alle heiraten“, gab Caspar zu bedenken.

„Natürlich nicht“, entgegnete sie mit vorwurfsvollem Blick. „Aber ich bin sicher, dass einer von ihnen in Frage käme. Bedenke doch nur mal, was sie alles gemeinsam haben.“

„Was denn?“

„Nun, zum einen gehören sie alle demselben Berufszweig an.“ Sie hob den Blick zur Decke und seufzte. „Männer, also wirklich!“ Kopfschüttelnd wandte sie sich den Papieren zu, die sie hatte lesen wollen, als er hereingekommen war.

„Livvy …“ Sanft zog Caspar sie an sich. „Hör mal, ich weiß ja, dass du es gut meinst, und deine Cousins und Tullah haben womöglich auch etwas gemeinsam. Aber sie ist eine Karrierefrau, die hoch hinaus will und fast dreißig ist. Meinst du nicht, dass sie inzwischen selbst einen Partner ihrer Wahl gefunden hätte, wenn sie heiraten und Kinder bekommen wollte?“

Olivia nagte an der Unterlippe. „Willst du mir damit sagen, dass ich mich nicht einmischen soll?“

„Na ja …“

„Ich habe doch nur daran gedacht, ein paar Dinnerpartys zu geben, Einladungen zu erwidern und solche Dinge.“

„Wahrscheinlich sollte ich es als Kompliment auffassen, dass du die Ehe und Mutterschaft so genießt, dass du sie all deinen Freundinnen auferlegen … äh, ich meine, dass du die Freuden mit ihnen teilen willst.“

„Das solltest du wohl“, stimmte sie zu. „Da wir gerade davon reden … wir haben doch neulich beschlossen, dass es an der Zeit wäre, an einen Bruder oder eine Schwester für Amelia zu denken …“

„Was? Du bist doch nicht …“

„Noch nicht. Aber wir sollten wirklich daran arbeiten.“

„Oh ja, das sollten wir.“ Lachend drehte Caspar sie zur Küchentür um und schob sie zur Treppe.

2. KAPITEL

„Also, hast du schon etwas gesehen, das dir gefällt?“, erkundigte sich Olivia eifrig, als Tullah von der Besichtigungstour mit dem Immobilienmakler zurückkehrte.

„Eigentlich nicht. Außer diesem Püppchen“, erwiderte Tullah lachend, während sie Olivias und Caspars zweijährige Tochter Amelia knuddelte.

„Wenn es das ist, was du dir wünschst, dann solltest du dich nicht nach einem Haus umsehen, sondern nach einem Mann“, neckte Olivia sie sanft.

„Nein, danke“, konterte Tullah. Die Belustigung schwand aus ihren Augen, und sie presste die vollen Lippen zusammen.

Olivia setzte zu einer Entgegnung an. Dann besann sie sich. Sie waren zwar gute Freundinnen, aber Tullah war ein Typ, der sich anderen stets ein wenig fernhielt. Trotz ihrer üppigen Rundungen und der sinnlichen Ausstrahlung lernten die Männer in ihrer Umgebung gewöhnlich sehr schnell, sie mit Vorsicht zu genießen.

Olivia kannte den Grund für Tullahs Argwohn gegenüber dem männlichen Geschlecht. Sie wusste außerdem, dass Tullah nicht gern über ihr Liebesleben sprach und sich nur in Gesellschaft derjenigen Männer entspannte, die ihres Wissens glücklich verheiratet waren. Weil sie sich vor diesen Männern sicher fühlte?

„Also ist keines der Objekte zu gebrauchen?“, hakte sie mitfühlend nach.

Tullah verzog das Gesicht. „Na ja, die modernen Einzimmerwohnungen, die ich gesehen habe, sind erschwinglich, aber sehr unpersönlich, und die Häuser sind entweder zu groß oder zu teuer oder beides. Allerdings war da ein Cottage …“ Sie hielt inne und erklärte dann: „Na ja, es spricht so vieles dagegen, und sogar der Makler hat mir nicht gerade zugeraten.“

„Aber?“, hakte Olivia geduldig nach.

Mit reumütigem Blick gestand Tullah: „Aber es ist ein Fall von Liebe auf den ersten Blick.“

„Oje, so schlimm?“

„Schlimmer. Es ist überteuert und liegt von der Firma aus gesehen am falschen Ende der Stadt. Man müsste erst mal ein Vermögen hineinstecken. Das Holz muss wahrscheinlich gegen Parasiten versiegelt werden. Außerdem braucht das Haus neue Stromleitungen, neue sanitäre Einrichtungen und so weiter. Es ist nicht mal eine Abwasserleitung vorhanden.“

„Was hat es denn überhaupt? Irgendwelche Pluspunkte muss es doch aufweisen. Sonst hättest du dich nicht verliebt.“

„Hat es auch. Es ist von Farmland umgeben. Das Obergeschoss bietet eine fantastische Aussicht auf den Fluss. Es hat einen riesigen Garten. Es ist ein halbes Doppelhaus. Die andere Hälfte gehört einem älteren, verwitweten Schwesternpaar, das oft nach Australien verreist, um Verwandte zu besuchen. Der Zufahrtsweg führt nirgendwohin, außer zu einem Farmhaus, das man von meinem Häuschen aus nicht mal sehen kann.“

„Ein Farmhaus?“ Olivia wirkte ein wenig aufgeregt und fasziniert zugleich. „Wo genau liegt dieses Cottage? Es klingt …“

„Es klingt furchtbar, ich weiß“, fiel Tullah ihr ins Wort. „Es ist ganz gewiss nicht das, was eine vernünftige Frau meines Alters zu kaufen in Erwägung ziehen sollte. Selbst wenn es ein gutes Geschäft wäre, was es nicht ist, könnte es Monate dauern, bevor es überhaupt bewohnbar wäre.“

„Du könntest ja inzwischen hier bei uns wohnen“, bot Olivia großzügig an.

Tullah schüttelte den Kopf.

„Was hast du also getan? Hast du dem Makler gesagt, dass es einfach nicht machbar ist?“

„Nein“, gab Tullah mit einem beschämten Grinsen zu. „Ich habe ihm ein Angebot gemacht.“

Sie lachten immer noch, als Caspar in die Küche kam. Wie es für einen Mann typisch war, konnte er den Grund für ihre Heiterkeit nicht verstehen, obwohl Olivia ihm die Situation erläuterte.

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
Mehr erfahren

Entdecken Sie weitere Bände der Serie

Die Crighton-Saga