Mein Märchen aus 1001 Nacht

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Prinzessin Catherine fühlt sich wie in tausendundeiner Nacht, als der faszinierende Scheich Kaj al bin Russad sie in seine Welt der Sinnlichkeit entführt. Bis sie fürchten muss: Nicht aus Liebe hat er sie erobert, sondern weil er eine Wette gewinnen will …


  • Erscheinungstag 20.06.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768928
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Du hast absolut recht, Kaj“, sagte Joffrey Dunstan, der Earl von Alston, in seiner typisch bedächtigen Art. „Sie ist bezaubernd und noch hübscher, als ich sie in Erinnerung hatte.“ Sein Blick ruhte auf einer schlanken jungen Frau mit rötlichbraunen Haaren.

Der Earl trat einen Schritt von der Brüstung zurück. Sie standen auf dem Balkon, von dem man einen Blick über den glamourösen Ballsaal im Palast von Altaria hatte. Mehr als zweihundert Mitglieder der oberen Zehntausend Europas in ihrer elegantesten Abendgarderobe hatten sich eingefunden, doch er schenkte ihnen nicht die geringste Aufmerksamkeit.

Stattdessen wandte er sich nachdenklich an seinen Begleiter, der im Hintergrund stand, verborgen vor neugierigen Blicken. „Aber sie heiraten? Das kann nicht dein Ernst sein.“

Scheich Kaj al bin Russard zog eine pechschwarze Augenbraue hoch. „Und warum nicht?“

„Weil … Das ist …“ Joffrey, ganz der Diplomat, räusperte sich und begann noch einmal. „Du weißt doch sicher, dass Prinzessin Catherine einen gewissen … Ruf genießt. Und das Testament von Scheich Tarik ist eindeutig …“

„Meine zukünftige Frau muss adelig und Jungfrau sein.“ Kaj zog eine Grimasse. „Hab Vertrauen, mein lieber Cousin. Ich habe die unselige Direktive meines Vaters nicht vergessen. Ich möchte dich nur daran erinnern, dass es einen Grund geben muss, weshalb Catherine trotz ihres angeblich wilden Lebensstils die Eisprinzessin genannt wird.“

„Damit hast du sicher recht. Trotzdem …“

Kaj warf einen letzten Blick auf die Frau, die er zu heiraten beabsichtigte, bewunderte ihre kupferrote Haarpracht, ihren hellen Teint und die schmalen Schultern, bevor er seine volle Aufmerksamkeit auf seinen Cousin richtete.

Obwohl ihre Mütter Schwestern waren, ähnelten er und Joffrey sich äußerlich überhaupt nicht. Sein Cousin war klein, eher schmächtig, hatte blaue Augen, kurze blonde Haare und eine helle Haut. Insgesamt wirkte er sehr englisch. Kaj dagegen war über einen Meter achtzig groß, hatte einen dunklen Teint und schwarze Haare, die so lang waren, dass er sie bei offiziellen Anlässen wie diesem zusammenbinden musste.

Trotz aller äußerlichen Unterschiede schätzte er Joffreys Meinung über alles.

Die Freundschaft zu seinem Cousin hatte Kaj geholfen, sein schreckliches Heimweh nach Walburaq zu lindern, als er mit acht Jahren auf ein Internat nach England geschickt worden war. Auch war es Joffreys tröstlicher Anwesenheit und seinen klugen Ratschlägen zu verdanken, dass er Ludgrove und Eton erfolgreich hinter sich gebracht hatte. Joffrey war ihm in jeder Hinsicht der Bruder gewesen, den er leider nie gehabt hatte.

„Falls es dich beruhigt, Joff, ich habe einige Nachforschungen anstellen lassen. Die Prinzessin flirtet vielleicht gern, aber sie ist nicht leicht zu haben. Im Gegenteil. Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass sie noch Jungfrau ist. Sie macht sich einen Spaß daraus, ihre Verehrer auf Distanz zu halten.“

Plötzlich begriff Joffrey. „Du siehst sie als Herausforderung an!“

Kaj zuckte mit den Schultern. „Wenn ich schon heiraten muss, dann will ich wenigstens das Werben genießen, findest du nicht?“

„Nein, das finde ich nicht“, erwiderte sein Cousin. „Zumindest nicht, wenn du die Basis für eine gute Ehe außer Acht lässt.“

Kaj verschränkte die Arme. „Und die wäre?“

„Dass ihr zusammenpasst. Euch gegenseitig respektiert und Verständnis füreinander habt. Ähnliche Wertevorstellungen. Und … und Liebe.“ Eine leichte Röte zog über die bleichen Wangen des Earls, als er die Liebe erwähnte, doch als er weitersprach, war sein Blick fest. „Es geht hier nicht um einen Preis, den man gewinnen kann, Kaj. Es geht um dein Leben, deine Zukunft, dein Glück.“

„Meinst du, das wüsste ich nicht?“, fragte der Scheich leise. „Vertrau mir. Ich habe nicht die Absicht, denselben Fehler zu begehen wie meine Eltern.“

Joffrey wirkte betroffen. Immerhin war er einer der wenigen, die verstanden, welchen Preis Kaj für die katastrophale Ehe von Lady Helena Spenser und Scheich Tarik al bin Russard gezahlt hatte. Den Anfeindungen und beiderseitigen Affären war ein erbitterter Scheidungskrieg gefolgt. „Natürlich nicht. Das wollte ich damit auch nicht sagen. Ich denke nur, dass dies nicht die Antwort sein kann.“

„Was dann?“ Kajs Tonfall war bewusst höflich. „Welche Möglichkeiten habe ich, angesichts der Tatsache, dass meine Braut Jungfrau sein muss? Soll ich eine von diesen ängstlichen Debütantinnen heiraten, die mir deine Mutter ständig vorstellt? Oder soll ich die Tochter eines Stammesfürsten von Walburaq heiraten, ein behütetes Mädchen, das sein ganzes Leben nach meinem ausrichten wird?“

Kaj seufzte. „So eine Frau will ich nicht, Joff. Ich brauche eine ebenbürtige Partnerin. Keine hoffnungslose Romantikerin mit leuchtenden Augen, die sich total in mich verliebt und von mir nichts anderes erwartet, als dass ich ihr jeden Wunsch von den Augen ablese.“

„Ja, ja, es kann anstrengend sein, bewundert zu werden“, murmelte Joffrey.

Kaj verspürte leichte Verärgerung, die aber sofort wieder verflog, als er seinem Cousin in die Augen blickte und in ihnen Zuneigung und Sorge sah. Sofort gewann sein Sinn für Humor wieder die Oberhand. „Anstrengender als du dir jemals vorstellen kannst“, erwiderte er trocken.

Einen Moment lang schien Joffrey überrascht, dann schmunzelte er. „Wenn es dich tröstet, ich bezweifle, dass eine Liaison mit Prinzessin Catherine daran scheitern wird, dass sie dich zu sehr bewundert.“

„Was du nicht sagst.“

Der Earl zuckte mit den Schultern. „Aber du hast recht, je mehr ich darüber nachdenke, desto besser verstehe ich deine Wahl. Im Gegensatz zu allen anderen weiblichen Wesen auf der Erde hat die Prinzessin noch nie auch nur das kleinste Anzeichen einer Ohnmacht gezeigt, wenn du den Raum betrittst. Und auch wenn sie tatsächlich noch Jungfrau sein sollte – ich verneige mich vor deiner zuverlässigen Quelle – scheint sie mir keine Frau zu sein, die dir jemals in mädchenhafter Verehrung die Füße küssen wird. Es wird sogar so sein …“, er blickte hinunter in den Ballsaal, „… dass du dich glücklich schätzen kannst, wenn du überhaupt ein Date bekommst.“

Kaj folgte seinem Blick und sah, dass Daniel Connelly, der neue Fürst von Altaria, im Begriff war, mit seiner Frau Erin den Tanz zu eröffnen. Weit mehr interessierte ihn jedoch, dass die Gruppe junger Männer, die sich um Prinzessin Catherine drängte, noch größer geworden war. Und als einer der Möchtegern-Verehrer etwas sagte, das Catherine zum Lachen brachte, verspürte er sogar eine leichte Verärgerung. Doch auch wenn er sich schwor, dieser plumpen Aufdringlichkeit ein Ende zu bereiten – und zwar bald – wollte er sich trotzdem von seinem Cousin nicht provozieren lassen.

Catherine würde ihm gehören. Er hatte sich nach reiflicher Überlegung für sie entschieden, und er war es gewohnt zu bekommen, was er wollte. „Ich weiß deine Sorge zu schätzen, Joffrey, doch ich versichere dir, dass ich es schaffen werde.“

„Ja, natürlich.“ Die Worte seines Cousins drückten zwar Zustimmung aus, doch in seiner Stimme schwang eine gewisse Skepsis mit, was Kaj ärgerte. „Ich hoffe nur, dass du nicht mit schnellem Erfolg rechnest. Denn so wie es aussieht, wird es bei den vielen Verehrern schon eine Zeit dauern, bis du überhaupt in ihre Nähe kommst, geschweige denn ihr Herz gewinnst.“

„Ich glaube nicht. Ein Monat sollte genügen.“

Joffrey drehte sich zu seinem Cousin um und zog die Augenbrauen hoch. „Du willst mich wohl veräppeln.“

„Ein Monat, und ich habe Catherine von Altaria in meinem Bett, und mein Ring steckt an ihrem Finger. Darauf wette ich.“

„Tatsächlich. Widerspricht der erste Teil nicht der Direktive deines Vaters?“

Kaj verdrehte die Augen. „Ich denke nicht. Meine Auserwählte soll Jungfrau sein – aber nicht bleiben.“

„Da ist was dran.“

„Genau.“

„In dem Fall … Riskierst du einen kleinen Wetteinsatz auf deinen Erfolg … oder Misserfolg?“

„Natürlich. Woran denkst du?“

„Nun, ich schwärme seit Langem für Tezhari …“

Kaj nickte. Sein Cousin war ganz versessen auf die prachtvolle Araberzuchtstute. „Einverstanden. Was mich betrifft, denke ich, der Renoir, der deinen Salon in Alston schmückt, wäre ein hübsches Hochzeitsgeschenk für Catherine.“

Joffrey stöhnte, zog aber nicht zurück. „Abgemacht. Die Wette gilt. Ich wünsche dir viel Glück. Ich denke, du wirst es brauchen.“

Zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Kaj. Er betrachtete seinen Cousin mit kühlem Selbstvertrauen. „Sehr nett von dir, Joff, aber das ist nicht nötig. Dies hier hat nichts mit Glück zu tun, sondern mit Können. Glaube mir.“

Sein Cousin musste lachen. „Warum habe ich plötzlich das Gefühl, ich sollte der Prinzessin mein Mitgefühl ausdrücken?“

Der Scheich schnippte einen nicht vorhandenen Fussel von seinem eleganten Armani-Smoking. „Das kann ich dir nicht sagen. Und jetzt entschuldige mich bitte.“ Sein Blick fiel auf Catherine, und er verspürte eine gewisse Vorfreude. „Ich bin plötzlich in Tanzlaune.“

„Viel Spaß.“ Joffrey trat mit einer überschwänglichen Geste zur Seite.

Lächelnd entfernte Kaj sich.

„Bitte, Hoheit.“ Der attraktive junge Franzose an Catherines Seite nahm ihre Hand und führte sie an seine Lippen. „Sie sind so wunderschön. Diese kastanienbraunen Haare und Ihre yeux emerauds. Seien Sie gnädig, und gewähren Sie mir einen Tanz.“

Catherine hätte am liebsten ihre „smaragdgrünen Augen“ verdreht, zwang sich jedoch zur Geduld. Schließlich lief der Ball, den sie mit viel Eifer geplant hatte, ausgezeichnet. In den riesigen Kronleuchtern über ihr funkelten Tausend winzige Lichter wie schillernde Schmetterlinge. Das Orchester spielte weder zu laut noch zu leise, und der Duft der Blumen in dieser milden Märznacht wehte wohltuend durch die geöffneten Türen.

Dazu die Herren in ihren eleganten Smokings und die Damen in ihren rauschenden Abendkleidern mit erlesenem Schmuck. Alles war perfekt. Wie eine Szene aus einem Märchenbuch. Das Wichtigste für Catherine aber war, dass sich ihre Ehrengäste – ihr Cousin Daniel und seine Frau Erin, das neue Herrscherpaar von Altaria – offensichtlich amüsierten.

Sie beobachteten einen Moment lang, wie die beiden miteinander tanzten und sich dabei immer wieder anlächelten. Es lag so viel Glück in diesen Blicken, so viel Harmonie und Verständnis. Wie aus heiterem Himmel verspürte sie einen unerwarteten Anflug von Neid.

Wie musste es sein, wenn man einem anderen Menschen so nahestand? Catherine konnte es sich nicht vorstellen. Auch wenn sie erst vierundzwanzig Jahre alt war, hatte sie bereits vor langer Zeit entschieden, dass es diese Vertrautheit für sie nicht geben würde.

Diese feste Überzeugung wurzelte in ihrer Vergangenheit, als ihre neureiche Mutter die uneheliche Tochter Catherine nur zu gern der Fürstenfamilie überlassen hatte. In den Jahren darauf hatte sie immer wieder durchblicken lassen, dass sie in ihr nichts anderes sah als eine Eintrittskarte in die High Society.

Ihr Vater Prinz Marc hatte ein Übriges getan. Er hatte sie wie ein kostbares Schmuckstück behandelt, das man zeigt, um andere zu beeindrucken, und anschließend zur Seite legt und vergisst.

Nur ihre Großmutter Fürstin Lucinda hatte sich wirklich etwas aus ihr gemacht. Aber diese wundervolle Lady war vor fünf Jahren gestorben. Catherine litt sehr unter dem Verlust und merkte immer wieder, wie allein sie tatsächlich war.

Oh, sie hatte eine Vielzahl an Verehrern gehabt, aber keiner hatte sich die Mühe gemacht, sie wirklich kennenzulernen. Die Person zu finden, die sich hinter der öffentlichen Fassade versteckte. Sie hatten zu viel Angst, einen Fehler zu machen und ihre Gunst zu verlieren – und damit auch die Aussicht auf ihr Geld, ihre Beziehungen und, das vermutete sie, ihren Körper.

Eigentlich war ihr das egal. Aber ab und zu bekam sie einen kurzen Eindruck davon, wie ihr Leben aussehen könnte, wenn sie einfach als Catherine Rosemere geboren worden wäre und nicht als Ihre Hoheit Catherine Elizabeth Augusta. Und dann ödeten sie die devoten Verehrer und die langweiligen Abendgesellschaften unsagbar an, und sie fühlte sich einsam und allein, egal, wie groß die Menge um sie herum war.

Oh du arme, bemitleidenswerte Prinzessin, sagte eine spöttische Stimme in ihrem Kopf. Was ist es doch für eine Strafe, die Zeit in solch wundervoller Umgebung zu verbringen, umgeben von der Crème de la Crème der Gesellschaft. Wie unfair, dass du tolle Kleidung tragen und stundenlang schöner Musik und belanglosen Gesprächen lauschen musst. Was für eine Tragödie, dass du noch ohne deinen Märchenprinzen bist.

Man mag gar nicht daran denken, wie du wirklichen Problemen standhalten würdest, zum Beispiel Hunger oder Obdachlosigkeit. Oder warte, wie wäre es damit – du könntest tot sein wie dein Vater und Großvater, deren Leben einfach in einem Unfall ausgelöscht wurden. Einem Unfall, der bei Lichte besehen wahrscheinlich gar kein Unfall war, sondern ein Attentat.

Entsetzt darüber, in welche Richtung ihre Gedanken gingen, drängte Catherine sie beiseite. Doch der Kummer, der mit den Gedanken einherging, ließ sich nicht so leicht verbannen. Oder die Schuldgefühle, die sie verspürte, wenn sie an den Bericht des Detektivs dachte, den die Familie Connelly engagiert hatte. Das Unglücksboot war sabotiert worden. Das Boot, auf dem eigentlich sie hätte sein sollen, und nicht ihr Vater.

S’il vous plaît, belle princesse.“ Catherine blickte zu dem Franzosen auf, der schmachtend näher kam. „Schenken Sie mir einen einzigen Tanz. Dann kann ich als glücklicher Mann sterben.“ Vor Aufregung zitternd, presste er seine feuchten Lippen auf ihren Handrücken.

Catherine verlor die Geduld. Sie entriss dem Mann die Hand und konnte sich gerade noch bremsen, sie nicht an ihrem empfindlichen nachtblauen Chiffonkleid abzuwischen. „Ich habe Ihnen bereits gesagt, Michel, dass ich keine Lust habe. Mehr noch, ich wäre Ihnen ungemein dankbar, wenn Sie mit dem Sterben noch mindestens achtundvierzig Stunden warten könnten. Ihre Abwesenheit würde die Sitzordnung beim Bankett am Montagabend völlig durcheinanderbringen.“

Der junge Mann blinzelte. Dann, als die Worte in sein Bewusstsein gedrungen waren, verschwand sein Lächeln. „Natürlich“, schmollte er. „Ich bitte vielmals um Verzeihung, Hoheit.“ In seiner Ehre gekränkt, drehte er sich um und marschierte davon.

Catherine verspürte flüchtig ein schlechtes Gewissen, doch das verging schnell wieder. Schließlich hatte sie dreimal seine Aufforderung zum Tanz ausgesprochen höflich abgelehnt. Es war nicht ihre Schuld, dass er ihr Nein nicht akzeptieren wollte.

Seufzend blickte sie auf ihre wertvolle, mit Brillanten eingefasste Armbanduhr. Es war gerade halb elf, was bedeutete, dass sie mindestens noch zwei Stunden warten musste, bevor sie hoffentlich unkommentiert verschwinden konnte. Verzweifelt überlegte sie, was sie anstellen konnte, damit die Zeit schneller verging.

Ihre Überlegungen wurden unterbrochen, als ein leises Gemurmel durch die Menge ging. Einen Moment später schien jeder einen Schritt zur Seite zu treten, um den Weg für einen großen, schwarzhaarigen Mann freizumachen, der auf sie zu schlenderte. Der Mann strahlte eine Autorität aus, die fast greifbar war.

Catherine wurde nervös, wie immer, wenn sie Kaj al bin Russard begegnete. Die meisten Frauen fanden den geheimnisvollen Scheich von Walburaq unwiderstehlich, sie selbst machte sich jedoch nichts aus ihm. Sicher, seine markanten Gesichtszüge, die dunklen Augen mit den langen Wimpern und sein wunderbarer Akzent hatten einen gewissen exotischen Charme. Doch er hatte etwas an sich – war es die angeborene Reserviertheit, die Selbstsicherheit, die schon an Arroganz grenzte, oder die unbestreitbare Männlichkeit? –, das sie unangenehm fand.

Sie beobachtete, wie er sich wie ein adeliger Lebemann aus längst vergangenen Tagen einen Weg durch die Menge bahnte, und ihre Nervosität stieg, als sie erkannte, dass sein Blick auf ihr Gesicht gerichtet war.

Er blieb vor ihr stehen und deutete eine Verbeugung an. „Hoheit.“

„Scheich.“

„Ich glaube, ich konnte Ihnen noch nicht persönlich mein Beileid zum Tod Ihres Vaters und Ihres Großvaters bekunden.“

„Danke“, erwiderte sie pflichtgemäß. „Die Blumen, die Sie geschickt haben, waren wunderschön.“

Er winkte ab. „Nicht der Rede wert.“ Er trat näher, und ihr wurde bewusst, wie groß er war. „Darf ich um einen Tanz bitten? Das Orchester spielt gleich einen Walzer. Strauß’ Opus 354, wenn ich mich nicht irre.“

Der gesunde Menschenverstand drängte sie, einfach Nein zu sagen, und damit fertig. Doch ihre verfluchte Neugier gewann die Oberhand. „Woher wollen Sie das wissen?“

„Weil ich ihn bestellt habe. Ich glaube, Sie haben einmal erwähnt, dass es Ihr Lieblingswalzer ist.“

„Verstehe.“ Lächerlich, aber sie empfand eine gewisse Enttäuschung. In den letzten zwei Monaten hatte sich alles verändert: Ihr Vater war gestorben; ihre Position als Gastgeberin am Hof näherte sich dem Ende; ihre gesamte Zukunft war unsicher. Und da stand Kaj al bin Russard, der offensichtlich beschlossen hatte, sich in die Reihe ihrer Verehrer einzuordnen. Zwar hatte sie ihn noch nie besonders gemocht, doch zumindest war er einzigartig.

„Wie einfallsreich von Ihnen“, sagte sie kalt. „Leider hat sich meine Vorliebe geändert.“

„Dann haben Sie jetzt die Möglichkeit, mir zu sagen, welche Musik ‚Wiener Blut‘ ersetzt hat.“ Ohne Vorwarnung legte er seine langen Finger um ihr rechtes Handgelenk.

Bei der Berührung ging ein Kribbeln durch ihren Körper, und sie verharrte einen Moment regungslos. Dann versuchte sie instinktiv, ihre Hand zurückzuziehen, doch sie stellte fest, dass er zwar darauf bedacht war, ihr nicht wehzutun, sein Griff jedoch stahlhart war.

Das Temperament drohte mit ihr durchzugehen, während sie gleichzeitig Schmetterlinge im Bauch hatte. „Lassen Sie mich los“, sagte sie knapp, angesichts der neugierigen Blicke in ihre Richtung.

„Auf keinen Fall“, erwiderte er ebenso kurz angebunden. Er trat an ihre Seite, legte die Hand auf ihren schmalen Rücken und schob sie in Richtung Tanzfläche. „Es wäre doch ein Jammer, diese herrliche Musik nicht zu genießen. Außerdem …“, er drehte sie herum, sodass sie ihn ansah, wartete, bis das Orchester den Walzer anstimmte, zog sie an sich und begann mit ihr zu tanzen, „… bin ich neugierig, wie es ist, Sie in meinen Armen zu halten.“

Catherine konnte es nicht fassen. Sprachlos starrte sie ihn an. Wie konnte er ihre Wünsche einfach ignorieren? Und dann diese Begründung! Empörend! Noch schlimmer jedoch war, dass es ihr gefiel, seine warme Hand auf ihrem nackten Rücken zu spüren.

„Wie können Sie es wagen!“, fuhr sie ihn an, als sie die Sprache endlich wiedergefunden hatte.

„Prinzessin. Ich könnte mir nie verzeihen, wenn ich die schönste Frau im Saal nicht zu ihrem früheren Lieblingswalzer aufgefordert hätte, und sie allein am Rand der Tanzfläche stehen müsste.“ Sein Blick fiel auf ihren Mund und verweilte dort für einen endlos langen Moment. Als er ihr schließlich wieder in die Augen sah, lächelte er sie vielsagend an, und wieder fühlte sie ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch.

„Jetzt hören Sie auf. Was erhoffen Sie sich denn von diesem Theater?“ Sie schaffte es, wenn auch nur mit Mühe, mit fester Stimme zu sprechen.

„Das ist doch offensichtlich. Das Vergnügen Ihrer Gesellschaft.“

„Und Sie glauben wirklich, dies ist die beste Art, meine Gesellschaft zu genießen?“

Fragend zog er eine Augenbraue hoch. „Ist es das nicht?“

„Nein“, gab sie ihm unmissverständlich zu verstehen. „Ich lasse nicht gern über mich bestimmen.“

„Ah.“ Ein Lächeln zog über sein Gesicht. „Passiert das denn häufig?“

„Natürlich nicht!“

Er zuckte mit den Schultern, und sie spürte das Spiel seiner Muskeln unter ihren Fingerspitzen. „Wie schade“, gab er zurück. „Vielleicht sollten Sie einfach mal diese Erfahrung machen. Möglicherweise gefällt es Ihnen ja.“

Frechheit! Sie öffnete den Mund, um etwas zu entgegen, schloss ihn dann jedoch wieder. Von diesem Mann würde sie sich nicht provozieren lassen. Auf keinen Fall. Außerdem war es an der Zeit, ihm zu zeigen, dass nicht immer alles nach seiner Nase lief. Sie schürzte die Lippen, heftete den Blick auf sein tadellos geschnittenes Jackett und tat, als existierte der Rest von ihm nicht.

Zu ihrer Überraschung kam kein weiterer unverschämter Kommentar, sondern er hüllte sich tatsächlich in Schweigen. Zuerst war Catherine dankbar … bis ihr bewusst wurde, dass sie, seit das Gespräch verstummt war, ganz andere Dinge wahrnahm.

Seine muskulösen Schenkel, die ihre berührten. Seine große Hand, die fest auf ihrem Rücken lag. Sein männlich erotischer Duft. Ganz zu schweigen von der Wärme, die sein mächtiger Körper ausstrahlte.

Plötzlich fühlte sie sich … sonderbar. Heiß, kalt, atemlos, fiebrig. Beunruhigt versuchte sie, sich seinem Griff zu entziehen, doch es gelang ihr nicht. Statt sie loszulassen, zog der Scheich sie enger an sich.

„Prinzessin?“

Sie spürte seinen Herzschlag an ihrer Brust, und das sonderbare Gefühl verstärkte sich noch. „Was?“

„Entspannen Sie sich. Sie wissen doch, dass manchmal im Leben diejenigen Dinge die besten sind, denen wir uns anfänglich widersetzt haben.“

Jetzt reichte es. Sie hob den Kopf und starrte ihn an. „Ich vermute, Sie zählen sich auch zu den ‚besten Dingen‘?“

Er lächelte. „Da Sie es für angebracht halten, es zu erwähnen: ja.“

„Das darf nicht wahr sein. Und ich habe immer gedacht, Arroganz sei ein Laster und keine Tugend.“

„Ts, ts. Was für eine scharfe Zunge Sie haben. Sicher, die vergangenen Wochen müssen schwer für Sie gewesen sein. Ärgert es Sie sehr, dass Sie nicht Herrscherin von Altaria geworden sind?“

Jetzt reichte es! „Natürlich nicht. Ich habe immer gewusst, dass Frauen von der Thronfolge ausgeschlossen sind. Außerdem wird Daniel ein hervorragender Fürst sein. Er ist sehr verantwortungsbewusst, und seine unkonventionelle Denkweise wird frischen Wind ins Land bringen.“ Überrascht stellte sie fest, dass der Scheich tatsächlich über ihre Worte nachzudenken schien.

„Da stimme ich Ihnen zu.“

„Tatsächlich?“

„Ja. Ich habe in der Vergangenheit Geschäfte mit der Connelly Corporation gemacht und festgestellt, dass Ihr Cousin ein sehr findiger Mann ist. Dennoch, ich mache mir keine Gedanken um Daniel, sondern um Sie. Es ist nicht einfach, einen Elternteil zu verlieren. Selbst wenn man von ihm enttäuscht wurde.“

„Das geht Sie überhaupt nichts an.“ Zumal sie gerade aus dem Bericht des Detektivs erfahren hatte, dass sich ihr Vater mit seiner Spielsucht in beträchtliche Schulden gestürzt hatte. Sie schämte sich dafür, doch sie hatte weder die Absicht, mit dem Scheich über die Verfehlungen ihres Vaters zu sprechen, noch über ihre eigenen als Tochter.

Er schien die Kälte in ihre Stimme nicht zu hören. „Mein eigener Vater ist vor ein paar Monaten gestorben. Ich war nie der Sohn, den er sich gewünscht hat, so wie er nicht der Vater war, den ich gebraucht hätte. Trotzdem schmerztder Verlust.“

„Oh.“ Verwirrt fragte Catherine sich, ob sie ihn doch falsch eingeschätzt hatte – und warum er ihr etwas so Persönliches anvertraute. „Das tut mir leid.“

„Das muss es nicht. Er macht mir sogar nach seinem Tod das Leben schwer.“

„Inwiefern?“

Autor

Caroline Cross
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