Mit ungeahnter Leidenschaft

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Etwas romantischer hatte Maura sich die Trauung schon vorgestellt. Aber schließlich hat Dr. Douglas Connelly sie nur geheiratet, weil sie schwanger ist, oder? Nicht von ihm - eine heiße Hochzeitsnacht wird es also kaum geben, glaubt Maura. Doch da irrt sie sich gewaltig …


  • Erscheinungstag 04.07.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783733768942
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Als Maura Chambers das Büro verließ, war sie sicher, dass sie Scott niemals wiedersehen würde. Er wünschte ihr weder „Viel Glück“, noch sagte er „Leb wohl“. Stattdessen kramte er geschäftig in den Unterlagen auf seinem Schreibtisch, als gäbe es sie schon gar nicht mehr.

Maura trat aus dem stillen Zimmer auf den belebten Krankenhausflur. Am liebsten hätte sie die Tür hinter sich zugeknallt, doch sie widerstand dem Drang. Damit würde sie nur Klatsch und Tratsch provozieren. Bot die gescheiterte Romanze nicht schon genug Material dafür?

Egal, in ein paar Tagen wäre Scott für immer verschwunden. Er würde einen neuen Job und ein neues Leben ein paar hundert Meilen von hier entfernt anfangen. Und sie wäre ihn los. Fast.

Maura holte tief Luft und machte sich auf den Weg zurück zu der Station, auf der sie als Krankenschwester arbeitete. Sie hielt den Blick gesenkt und mied den Augenkontakt mit jedem, der sie anhalten und fragen könnte, warum sie so durcheinander war. Sie wollte jetzt nicht über ihre Probleme sprechen. Mit niemandem.

Sosehr ihr davor gegraut hatte, Scott Walker noch einmal gegenüberzutreten, sie hatte sich gezwungen gesehen, ihr Geheimnis zu lüften. Schließlich trug er genauso wie sie die Verantwortung. Doch Maura erkannte sehr schnell, dass Scott die Angelegenheit anders bewertete. Völlig anders. Seine Reaktion war mehr als enttäuschend gewesen. Kalt, gefühllos und demütigend. Bei seiner Haltung und seinem lapidaren Rat war ihr regelrecht schlecht geworden.

Was habe ich denn erwartet, fragte sie sich. Hatte sie nicht schon seit Wochen gewusst, was für eine Sorte Mann er war? Das war ihr doch schon seit dem Abend klar gewesen, als er aus heiterem Himmel verkündete, dass er das Chicago General Hospital verlassen würde. Und nicht nur das Krankenhaus, sondern auch die Stadt, da er einen neuen Job als Krankenhausverwalter in Minneapolis gefunden hatte. Warum also sollte er sich jetzt anders verhalten?

Wenn sie zurückblickte, packte sie immer noch die Wut wegen seiner berechnenden Taktik. Für das entscheidende Gespräch hatte er ein derart elegantes und exklusives Restaurant ausgesucht, dass er nahezu sicher sein konnte, sie würde keine Szene machen. Der Oberkellner führte sie damals zu ihrem lauschigen, romantisch gedeckten Tisch, und Maura hatte tatsächlich geglaubt, Scott wollte ihr einen Heiratsantrag machen.

Er hatte eine kleine Rede vorbereitet, okay, aber die hörte sich überhaupt nicht nach Hochzeit an. Ganz im Gegenteil. Er versicherte ihr, wie toll die letzten sechs Monate mit ihr gewesen seien. Wie lustig. Das Problem aber war, dass er in ein paar Wochen nach Minnesota ziehen wollte. Er hatte dort einen fantastischen Job gefunden. Genau das, worauf er immer gehofft hatte. Sie würde ihm doch keine Steine in den Weg legen, oder? Schließlich hatten sie nur ein lockeres Verhältnis. Keine Verpflichtungen. Keine Erwartungshaltung.

Ihren verdutzten Gesichtsausdruck ignorierend, tätschelte er ihre Hand. Beziehungen über eine solche Entfernung hinweg funktionieren erfahrungsgemäß nie, fügte er hinzu, deshalb sei es für beide das Beste, sie jetzt zu beenden und einen klaren Schlussstrich zu ziehen. In ein paar Wochen, dessen war er sicher, würde sie ihm dankbar für die einfache, schnelle Trennung sein. Sie würde sich darüber freuen, frei für eine neue Partnerschaft zu sein.

Er wartete ihre Antwort gar nicht ab. Aber sie wusste sowieso nicht, was sie sagen sollte, so geschockt war sie.

In diesem Moment sah sie Scott plötzlich in einem anderen Licht, erkannte sein wahres Gesicht. Wie hatte sie nur so blind sein können? War er so geschickt darin, Menschen irrezuführen? Während sie an eine feste Beziehung geglaubt hatte – eine, die in einer Ehe enden könnte –, hatte er sie nur benutzt.

Maura hatte einen bitteren Geschmack im Mund bei der Erinnerung daran. Sie schüttelte den Kopf, um ihre Gedanken zu sortieren, und wischte sich über die Augen. Sie weinte doch tatsächlich. Obwohl es fast unmöglich schien, dass sie nach jener Nacht, in der sie sich die Augen aus dem Kopf geheult hatte, noch Tränen hatte. Sie blieb stehen und zog ein Taschentuch aus der Tasche.

„Maura?“ Sie spürte eine Hand an ihrer Schulter und drehte den Kopf zur Seite. Neben ihr stand der große, stattliche Doug Connelly. „Alles in Ordnung?“, fragte er.

„Ja … sicher. Ich habe nur etwas ins Auge bekommen. Staub oder so etwas“, murmelte Maura. Sie presste das Taschentuch gegen die Augen. „Es ist gleich weg.“

„Lass mich mal sehen.“

„Nein, wirklich … es ist schon okay.“ Bevor sie sich jedoch dagegen wehren konnte, legte er schon den Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht ins Licht.

Wie erwartet war seine Berührung fest und doch sanft. Er war Kinderkardiologe und daran gewöhnt, seine kleinen Patienten zu beruhigen. Fragend blickte er sie an, und sie war sicher, dass er ihrem Gesichtsausdruck ansah, dass sie ihn belogen hatte. Sie war schlicht und einfach durcheinander und weinte.

„Es scheint nichts mehr im Auge zu sein“, bemerkte er ruhig. Er ließ die Hand sinken, betrachtete Maura aber immer noch. In seinen freundlichen bernsteinfarbenen Augen las sie Sorge.

Sie standen in einem Teil des Gangs, dessen Wände hauptsächlich aus Glas waren und einen herrlichen Blick in den Garten mit altem Baumbestand, Blumen und Bänken freigaben. Der Garten wurde hauptsächlich von Patienten und Besuchern benutzt, aber auch einige Angestellte waren draußen zu sehen, die eine kurze Pause von ihrem anspruchsvollen Job einlegten.

„Was für ein Tag“, sagte Doug. „Manchmal hat man in dieser Stadt das Gefühl, der Winter geht nie zu Ende. Und dann plötzlich … peng, und du blickst auf, und es ist Frühling.“

„Ja, in diesem Jahr war der Frühling wirklich ganz plötzlich da.“ Maura blickte auf die Bäume und Blumen in voller Blüte. Sie war während der letzten Wochen so deprimiert und abgelenkt gewesen, dass sie den Wandel kaum bemerkt hatte.

„Lass uns etwas frische Luft schnappen. Du siehst aus, als könntest du es gebrauchen.“ Doug nahm ihren Arm, ohne ihre Antwort abzuwarten.

„Danke, aber ich muss wirklich zurück auf meine Station.“ Maura blickte auf ihre Uhr.

Doch Doug ließ sie nicht so leicht entkommen. „Du kannst ein paar Minuten Pause einlegen, Maura. Wir gehen durch den Garten zur anderen Seite des Gebäudes, und du nimmst dort den Fahrstuhl. Der ist sowieso näher an deiner Station.“

Ehe Maura sich versah, waren sie schon draußen und liefen den von Bäumen gesäumten Weg entlang. Sie fühlte die Sonne auf ihrer Haut und atmete die milde Frühsommerluft ein. Doug hatte recht: Sie fühlte sich auf Anhieb besser.

Sie betrachtete seine markanten Gesichtszüge und seinen schlanken Körper. Er hatte die Hände in die Taschen seines weißen Arztkittels gesteckt, das Stethoskop hing wie üblich um seinen Hals. Offensichtlich genoss er die kurze Unterbrechung seines hektischen Tages. Maura hatte mit vielen ausgezeichneten und vielen sehr engagierten Ärzten zusammengearbeitet, doch es gab nur wenige, die diese beiden Eigenschaften gleichermaßen besaßen.

Doug war mehr als engagiert. Er galt als Workaholic, doch er war ein fantastischer Arzt. Maura kannte keinen besseren. Seine Konzentrationsfähigkeit war sprichwörtlich – und seinen nachdenklichen Gesichtszügen jetzt sogar anzusehen.

Schweigend schlenderten sie Seite an Seite durch den Garten. Es war ein angenehmes Schweigen. Maura hatte Doug als Kollegen kennengelernt, als sie sich um einen seiner kleinen Patienten kümmerte. Schnell waren sie Freunde geworden. Scott und Doug kannten sich vom College, wie sie erfuhr, und waren einst gute Freunde gewesen. Jahrelang hatten sie keinen Kontakt zueinander gehabt und sich erst wiedergetroffen, als Scott ans Chicago General kam.

Maura hatte sich oft gefragt, wie viel Doug über ihre Beziehung mit Scott wusste und wie eng befreundet die beiden Männer wirklich waren. Scott behauptete immer, Doug zu mögen, doch er äußerte sich häufig sarkastisch über ihn. Maura vermutete, dass Scott schlichtweg eifersüchtig war. Sein Berufsziel war ebenfalls Arzt gewesen, doch er hatte das Medizinstudium schon im ersten Jahr abgebrochen, während Doug es mit Auszeichnung beendete.

Maura selbst bezeichnete Doug zwar nicht als engen Freund, doch sie hatte immer eine unbewusste starke Bindung zu ihm verspürt. Von Anfang an hatten sie offen und ehrlich miteinander reden können. Was für Maura ziemlich ungewöhnlich war. Sie war bei Männern eher schüchtern und zurückhaltend, vor allem bei gut aussehenden. Doch in Dougs Gegenwart fühlte sie sich wohl. Er hatte etwas an sich, was ihr jegliche Scheu nahm.

„Setzen wir uns doch einen Moment“, schlug Doug vor, als sie zu einer unbesetzten Bank kamen.

„Gern.“ Die Bank stand im Schatten mit Blick auf einen kleinen Brunnen, der von Blumen umgeben war. Das Plätschern des Wassers, Dougs Anwesenheit und die Besonnenheit, die er ausstrahlte, beruhigten ihre gereizten Nerven.

„Maura, was ist los. Was beschäftigt dich?“, fragte er schließlich.

Sie drehte sich zu ihm. „Was meinst du?“

„Ich weiß, dass du geweint hast. Und du bist kreidebleich.“

Verlegen strich Maura eine Strähne ihrer lockigen Haare aus dem Gesicht.

„Es ist alles in Ordnung. Es ist nur … ich bin heute irgendwie wetterfühlig. Ich bin einfach müde.“

„Ja, du siehst wirklich müde aus. Du arbeitest zu viel.“

„Wahrscheinlich.“ Sie selbst wusste natürlich, dass sie nicht zu viel arbeitete, sondern zu viel weinte – und zu wenig schlief.

Doug schwieg einen Moment. Dann fragte er: „Ist es wegen Scott? Bist du so durcheinander, weil er am Freitag Chicago verlässt?“

„Nein. Überhaupt nicht.“ Sie schüttelte den Kopf.

Wahrscheinlich glaubt das jeder, dachte sie. Dass sie immer noch dem Mann nachtrauerte, der sie so mies behandelt hatte. „Ich bin eher erleichtert“, fügte sie hinzu. „Ich wünschte, er wäre schon fort.“

„Er hatte dich nicht verdient.“ Dougs Stimme klang fest und tief.

„Nett von dir, das zu sagen.“

„Ich habe es nicht gesagt, um nett zu sein. Es ist die Wahrheit.“ Er machte eine kurze Pause, unsicher, ob er weitersprechen sollte. „Ich weiß, dass es im Moment schlimm für dich sein muss. Aber die Zeit heilt alle Wunden. Ehe du dich versiehst, hast du ihn vergessen.“ Er beugte sich zu ihr. „Vielleicht solltest du frei nehmen und verreisen“, schlug er vor.

„Ja, vielleicht.“ Gestern Abend hatte sie darüber nachgedacht, ihre Schwester an der Westküste zu besuchen. Aber sie wusste nur zu gut, dass sie ihrem Problem nicht entkommen konnte, egal, wie schnell oder weit sie lief.

Maura drehte sich zu Doug und merkte, dass er sich ernsthaft Sorgen um sie machte. Seit vierundzwanzig Stunden befand sie sich in einem Wechselbad der Gefühle, und dass ausgerechnet er sich jetzt ihrer annahm, ließ sie in Tränen ausbrechen.

Doug legte den Arm um ihre Schulter und zog sie an sich.

„Ist ja gut“, murmelte er gegen ihr Haar, als sie weinte und unkontrolliert schluchzte.

Nein, wollte sie sagen, nichts ist gut. Ganz im Gegenteil. Doch kein Wort kam über ihre Lippen.

„Wein einfach, wenn es dir hilft“, flüsterte Doug.

„Oh, Doug … entschuldige. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll …“

Der nächste Weinkrampf schüttelte sie, und sie presste das Gesicht gegen seine starke Brust.

Sie merkte, dass Doug ihr über die Haare strich. Sie spürte die Wärme seines Körpers und atmete den Duft seiner Haut ein. In diesem Moment fühlte Maura sich beschützt und sicher. Und für den Bruchteil einer Sekunde gab sie sich der Fantasie hin, dass es so für immer bleiben würde. Wie viel einfacher wäre dann alles.

Aber es würde nicht so bleiben. Niemand konnte ihr aus ihrer schwierigen Situation helfen. Auch Doug nicht. Er bot ihr lediglich eine starke Schulter zum Ausweinen und versuchte, ein guter Freund zu sein.

Sie holte tief Luft und löste sich aus seiner Umarmung.

„Entschuldige, ich wusste nicht, dass es dich so aus der Fassung bringt, wenn ich über Scott spreche. Das wollte ich nicht“, entschuldigte Doug sich.

„Das war es nicht.“ Sie wischte sich über die Augen und holte tief Luft. Sie spürte, dass er sie beobachtete und darauf wartete, dass sie zu reden begann.

„Ich habe ein Problem …“ Sie verstummte wieder und starrte in die Ferne. „Ich bin schwanger“, gestand sie schließlich.

Maura wusste nicht, warum sie sich Doug anvertraute. Die Worte, laut ausgesprochen, klangen so endgültig. So überwältigend. Einen Moment wirkte Doug geschockt. Doch er hatte sich schnell wieder im Griff. Lange Zeit schwieg er, und sie beobachtete, wie sich seine nachdenkliche Miene veränderte. Er wurde wütend.

„Mit Scotts Kind“, sagte er.

Obwohl es keine Frage war, nickte sie und sah weg.

Er beugte sich vor und fuhr sich durch die Haare. „Weiß er es?“

„Ich habe es ihm vor ein paar Minuten gesagt. In seinem Büro.“

„Ich vermute, er hat die Neuigkeit nicht gerade begeistert aufgenommen.“

„Nein. Hat er nicht.“

Die hässliche Szene lief vor ihrem geistigen Auge ab, und plötzlich konnte sie es nicht ertragen, darüber zu sprechen.

„Danke, dass du dir Zeit für mich genommen hast“, sagte sie und stand auf. „Aber ich muss jetzt zurück an die Arbeit. Ich bin schon viel zu lange weg.“

„Verstehe.“ Er erhob sich ebenfalls. „Vielleicht sehen wir uns später, bei der Visite.“

„Sicher. Und entschuldige, dass ich mich bei dir ausgeheult habe.“ Er muss mich ja für ein komplett hilfloses Wesen halten, dachte sie, obwohl sie eigentlich genau das Gegenteil war.

„Mach dir darüber keine Gedanken“, beruhigte er sie sanft. Maura sah ihn kurz an, dann machte sie sich auf den Weg.

Sie eilte durch den Garten und betrat das Krankenhaus. Um nicht auf den Fahrstuhl warten zu müssen, lief sie zu Fuß die drei Etagen zur Kinderstation hinauf. Oberschwester Gloria Jones empfing sie mit einem fragenden Blick, wollte aber nicht wissen, warum sie so spät von der Pause zurückkehrte. Es wartete viel Arbeit auf sie, und Maura war froh, sich auf ihre kleinen Patienten statt auf ihr Problem konzentrieren zu können.

Im Laufe des Nachmittags kehrten ihre Gedanken dennoch zu der schrecklichen Begegnung mit Scott zurück – und zu ihrer Unterhaltung mit Dr. Connelly. Nie zuvor hatte sie eine so persönliche Unterhaltung mit Doug geführt. Doch jetzt war sie froh, dass er in diesem fürchterlichen Moment zufällig für sie da gewesen war. Sich an seiner Schulter auszuweinen hatte ihr Problem zwar nicht gelöst, aber sie fühlte sich seitdem wesentlich besser und blickte wieder optimistischer in die Zukunft.

Der Rest des Tages verlief zum Glück ruhig, denn Maura wurde von schrecklichen Kopfschmerzen geplagt. Und so war sie froh, nach Hause gehen zu können, als eine der Nachtschwestern etwas früher ihren Dienst antrat.

Maura lebte in einem schönen Wohnviertel nicht weit entfernt vom Krankenhaus. In einem modernisierten Sandsteinhaus hatte sie eine bezahlbare Dreizimmerwohnung gefunden. Ihr Wohnzimmer war sogar mit einem Kamin ausgestattet, was sie in den langen Chicagoer Wintern sehr zu schätzen wusste.

Es war die erste Wohnung, die sie allein bewohnte, und Maura hatte es genossen, sie nach ihrem Geschmack einzurichten. Sie liebte Antiquitäten, doch da ihr Budget begrenzt war, hatte sie ihr Talent genutzt, interessante Dinge aufzuspüren, die zwar nicht wirklich antik, aber dennoch originell und einzigartig waren.

Auf dem hellen Holzboden lagen hübsche Teppiche, und die Wände waren in warmen Apricot- und Cremetönen gestrichen. Ihr Zuhause war ihr Himmelreich, ihr Zufluchtsort von dem hektischen, anspruchsvollen Job. Es war ihr privates Reich, wo sie sich erholen und Kraft tanken konnte. Wo sie sich verstecken und ihre Gedanken ordnen konnte, wenn eine Krise ihr Leben erschütterte. So wie heute.

Maura schloss die Wohnungstür auf und trat ein. Sie ließ die Post auf einen Tisch in der Diele fallen, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen, ging geradewegs ins Bad und duschte lange und ausgiebig. Obwohl es noch früh war, zog sie ihr Nachthemd und einen Bademantel an. Dann legte sie sich aufs Bett, in der Hoffnung, etwas schlafen zu können. Doch sofort meldeten sich ihre Sorgen.

Aber statt über Scott nachzudenken, dachte sie an Doug und erinnerte sich daran, wie sie sich vor Monaten kennengelernt hatten. Sie hatte kurz zuvor im Krankenhaus angefangen und Nachtschicht gehabt. Ihr war die Aufsicht über eine seiner Patientinnen zugewiesen worden, ein vierjähriges Mädchen, das mit Lungenentzündung im fortgeschrittenen Stadium und ernsthaften Herzkomplikationen eingeliefert worden war. Durch puren Zufall hatte sie in den frühen Morgenstunden gemerkt, dass es dem Kind schlechter ging und das Herz zu versagen drohte.

Als Doug sie ein paar Minuten später bei der Patientin fand, führte sie wiederbelebende Maßnahmen durch, während sie auf den Notfallwagen der Station mit dem Beatmungsgerät wartete. Wortlos übernahm Doug, doch der respektvolle, dankbare Blick in seinen Augen sagte alles.

Seitdem war ein geheimnisvolles, tiefes Band zwischen ihnen geknüpft, da sie Hand in Hand gearbeitet und die Krise gemeistert hatten. Noch nie hatte sie sich einem Menschen so verbunden gefühlt – weder einem Kollegen noch einem Freund. Es hatte Stunden gedauert, bis das Mädchen außer Lebensgefahr war. Maura blieb, obwohl ihre Schicht längst zu Ende war. Sie wusste, dass einige Kollegen dies für übertriebenes Engagement hielten. Sie rieten zu einer distanzierten Haltung Patienten gegenüber, um einen Burnout zu verhindern, der so häufig unter den gestressten Krankenschwestern zu finden war.

Doch Maura war anders. Sie war nicht Kinderkrankenschwester geworden, um kranken, hilfsbedürftigen Kindern gegenüber unnahbar und gleichgültig zu sein. Doug dachte ebenso wie sie. Das hatte sie von Anfang an gespürt.

Später erfuhr sie, dass die Familie des kleinen Mädchens nicht versichert war und Doug nicht einmal eine Rechnung geschickt hatte. Während es für Fachärzte von Dougs Kaliber absolut unüblich war, auf Honorare zu verzichten, machte sie die Erfahrung, dass es für ihn nicht ungewöhnlich war, unentgeltlich zu arbeiten.

Als der Morgen dämmerte und die Krise überstanden war, hatten sie und Doug sich draußen auf eine Bank gesetzt und ihren Erfolg gefeiert. Sie hatten gescherzt und gelacht, heißen Kaffee getrunken und klebrige Donuts gegessen. Es war Ende Januar gewesen und kalt, doch sie konnte sich noch genau an das Gefühl erinnern, das die kühle Luft, das Licht des frühen Morgens und der gemeinsame Erfolg, das Leben des Kindes zu retten, in ihr ausgelöst hatte.

An jenem Morgen hatte sie Doug erzählt, dass sie mit Scott Walker zusammen war, und erfahren, dass Doug ein Studienkollege von Scott gewesen war. Kurz hatte sie das Gefühl gehabt, dass er enttäuscht war, dass sie in festen Händen war. Doch der Moment verging, und später sagte sie sich, dass sie sich das kurze Aufflackern von Interesse nur eingebildet hatte.

Maura ihrerseits leugnete nicht, dass sie Doug ausgesprochen attraktiv fand. Doch sie war damals noch so verliebt in Scott gewesen, dass sie selbst in ihren geheimsten Träumen Doug nie als jemand anderes als ihren Kollegen gesehen hatte.

Außerdem, überlegte Maura, war Doug überhaupt nicht ihr Typ. Sie wünschte sich einen Mann, der Zeit für seine Frau und Familie hatte. Für Doug aber stand der Beruf an erster Stelle.

Zudem konnte er launisch sein. Sein Lächeln und seine gute Stimmung hatten Seltenheitswert. Meistens umgab ihn eine geheimnisvolle Traurigkeit, und viel zu häufig entdeckte sie diesen dunklen, grübelnden Ausdruck in seinen Augen, wenn er sich unbeobachtet fühlte.

Was war der Grund für diese düstere Stimmung? War es der Druck im Beruf? Maura vermutete, dass mehr dahinter steckte. Eine tiefe Kränkung in der Vergangenheit, ein schmerzlicher Verlust. Doug sprach nie von seiner Vergangenheit, doch von Scott wusste sie, dass er eine schwierige Scheidung hinter sich hatte.

Die Monate vergingen, und Doug und sie hatten immer viel zu bereden, wenn sie sich trafen. Sie begegneten sich auf dem Flur, bei der Visite, im Treppenhaus, in der Cafeteria. Er fragte nach ihrer Meinung, und sie liebte es, Diagnosen oder den Zustand der kleinen Patienten mit ihm zu besprechen.

Es war ungewöhnlich für einen Arzt in seiner Position, eine Krankenschwester ins Vertrauen zu ziehen. Insgeheim freute Maura sich, ja, war stolz, dass er ihre Meinung schätzte. Aber sie sprachen nicht nur über die Patienten. Sie sprachen über Gott und die Welt, über Filme, Bücher, exotische Reiseziele, die sie gern einmal besuchen würden, wenn die Arbeit es zuließ.

Doch trotz aller interessanten Gespräche wusste Maura wenig über ihn persönlich. Das wenige, was ihr bekannt war, hatte sie von Mitarbeitern im Chicago General gehört.

Er arbeitete seit seiner Facharztausbildung im Krankenhaus und war verheiratet gewesen. Seit fast zwei Jahren war er geschieden, aber niemand schien zu wissen, warum die Ehe gescheitert war. Seine Exfrau war mittlerweile mit einem prominenten Schönheitschirurgen verheiratet. Irgendjemand hatte erzählt, dass sie Doug mit einer Affäre tief verletzt hatte.

Maura fragte sich, warum er keine neue Beziehung eingegangen war oder wieder geheiratet hatte. Ihre klugen Kolleginnen hatten auch auf diese Frage eine Antwort parat. Viele Frauen machten sich Hoffnung auf den attraktiven Arzt, doch jede Beziehung endete unglücklich. So warmherzig und fürsorglich Doug Connelly als Arzt war, so schwierig und unnahbar war er als Liebespartner, sagte man ihm nach. Ein absoluter Eisberg.

Maura vermutete, dass sein Fokus auf die Arbeit das eigentliche Problem war. Für sie zumindest wäre es eins. Manche Menschen brauchten vielleicht keine Familie. Möglicherweise war Doug so ein Typ. Sie selbst aber sehnte sich nach einem Zuhause und einer Familie.

Als sie Scott im vergangenen November kennenlernte, hatte sie geglaubt, mit ihm den Mann gefunden zu haben, der ihre Werte teilte und sich dasselbe Leben wie sie wünschte.

Wie schrecklich war es gewesen, als sie feststellen musste, dass Scott ihr nur etwas vorgespielt hatte. Um sie in sein Bett zu bekommen, hatte er gesagt, was sie hören wollte.

Als sie ihn endlich durchschaut hatte, war es zu spät gewesen.

2. KAPITEL

Maura erwachte durch ein lautes Hämmern an ihrer Tür. In ihrem Schlafzimmer war es dunkel, und der Wecker auf dem Nachttisch zeigte fast acht Uhr. Sie sprang auf und fuhr sich auf dem Weg in die Diele mit den Fingern durch die Haare. Wer konnte das sein? Vielleicht ihre Freundin Liza, die unten im Haus wohnte. Liza kam häufig abends auf ein Schwätzchen vorbei. Meistens ging es um Probleme in ihrem Liebesleben.

Doch Maura war heute nicht in der Stimmung, Liza zu sehen. Sie ging an die Tür, zog den Bademantelgürtel stramm und überlegte sich eine Ausrede.

Gerade als wieder geklopft wurde, drehte Maura den Schlüssel um. „Moment.“

Sie öffnete die Tür einen Spaltbreit und erschrak zutiefst, als sie Dougs imposante Gestalt erblickte.

„Doug! Was machst du denn hier?“

„Ich war auf dem Weg nach Hause und dachte, ich schaue mal vorbei. Auf deiner Station sagte man mir, dass du etwas früher Feierabend gemacht hast“, fügte er hinzu. „Ich hoffe, mit dir ist alles in Ordnung.“

Autor

Kate Little
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