Wie verführt man seine Feindin

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Ihr siebter Sinn verrät der jungen Reporterin Jasmine, dass Wesley Brooks ein brisantes Geheimnis hat. Ein Familienskandal vielleicht? Sie muss sich entscheiden: Für den siebten Himmel der Lust in seinen Armen - oder für die beste Story ihrer Karriere …

Erleben Sie in der zwölfteiligen Danforth Serie die Geschichten des skandalträchtigen und steinreichen Danforth Clans. Folgende Titel gehören zur Serie:

1. Der Duft dieser Frau
2. Dreißig Nächte der Versuchung
3. Heiße Hochzeit in Las Vegas
4. Wie verführt man seine Feindin
5. Wer bist du, meine Schöne?
6. Im Bann des Scheichs
7. Darf eine Nanny sexy sein?
8. Liebe - bei Tag und bei Nacht
9. Riskante Affäre - verräterische Küsse
10. Gefährlich heiße Leidenschaft
11. Heiße Schwüre - wahre Liebe?
12. Küss mich, wenn uns keiner sieht


  • Erscheinungstag 22.10.2015
  • ISBN / Artikelnummer 9783733765927
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Wesley Brooks gähnte herzhaft und schlüpfte in seine Jeans. Er wollte den Geräuschen nachspüren, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatten. Ein kurzer Blick auf seinen Wecker zeigte, dass es kurz nach ein Uhr nachts war. Sein Flug von Dallas nach Savannah war wegen eines Unwetters verspätet gewesen, und als er endlich zu Hause angekommen war, hatte er nur noch schnell geduscht und war dann ins Bett gefallen.

Beim ersten Geräusch hatte es ein paar Minuten gedauert, bis er sich zurechtgefunden hatte und wusste, wo er sich eigentlich befand. Er war erst eine Woche vor seiner wichtigen, mehrtägigen Geschäftsreise in dieses Haus eingezogen.

Zuvor hatte er einige Jahre mit seinem besten Freund Jake Danforth in dessen Stadthaus gewohnt. Jake, der lebenslustige Partylöwe, war jetzt glücklich mit Larissa verheiratet und Vater eines entzückenden kleinen Jungen namens Peter. Damit das frisch verheiratete Paar ungestört seine Privatsphäre genießen konnte, war Wesley ausgezogen und hatte sich sein Traumhaus gekauft. Ein wunderschönes, altes repräsentatives Haus am Savannah River.

Wesley hörte wieder etwas, es war ein Rascheln.

Barfuß schlich er die Treppe hinunter. Er war jetzt ziemlich sicher, dass er sich die Geräusche nicht einbildete. Am Fuß der Treppe angekommen, hörte er es erneut. Es kam von draußen.

Er öffnete leise die Terrassentür und trat hinaus. Es war April, und Frühling lag in der Luft. Der Vollmond warf sein Licht auf den prachtvoll gestalteten Garten bis in die Ecke des Hofs, wo die Mülleimer standen.

Er erinnerte sich, dass er das Tor bei seiner Rückkehr nicht verschlossen hatte. Vielleicht war es nur ein streunender Hund oder eine Katze, die nach Futter suchte. Wesley wollte sich gerade umdrehen und ins Haus zurückkehren, als er die Bewegung einer Gestalt wahrnahm, die zu groß war, um ein Tier zu sein.

Er kniff die Augen zusammen und beobachtete, wie sich jemand über die Mülltonne beugte und darin wühlte. Sofort empfand er tiefes Mitleid für diesen armen Menschen. Sein erfolgreiches Internetunternehmen hatte ihn zum Millionär gemacht, doch er hatte nicht vergessen, woher er stammte – auch wenn die Erinnerung nach dreißig Jahren etwas verschwommen war.

Er wusste, dass er im Alter von drei Monaten auf die Treppe eines Waisenhauses gelegt und von dort von einer Pflegefamilie in die nächste abgeschoben worden war. Mit vierzehn Jahren war er schließlich abgehauen und hatte drei Tage auf der Straße gelebt, bevor die Polizei ihn fand. In diesen drei Tagen hatte er sich mit einem obdachlosen alten Mann namens Al Lombard angefreundet. Wesley hatte herausgefunden, dass Al Lehrer gewesen war, bevor er seine Frau bei einem tragischen Hausbrand verloren hatte und plötzlich ohne Familie, enge Freunde oder Versicherung dastand.

Al hatte sein Essen mit ihm geteilt, Al hatte ihm nachts eine Decke gegeben, damit er nicht fror, Al hatte ihn beschützt. Bis heute war er ihm dafür dankbar. Kaum hatte Wesley es zu Wohlstand gebracht, hatte er einen Privatdetektiv mit der Suche nach dem Mann beauftragt, nur um zu erfahren, dass er ein Jahr zuvor an einer Lungenentzündung gestorben war.

Wesley lenkte seine Gedanken wieder in die Gegenwart und entschied, dieser heimatlosen Person genug Geld zu geben, damit sie irgendwo anständig essen und sich einen warmen Platz für die Nacht leisten konnte. Das war das Mindeste, was er tun konnte. Leise ging er zurück ins Haus, rannte die Treppe hinauf, um Geld aus seinem Portemonnaie zu holen, und hoffte, dass der Unbekannte noch da war, wenn er zurückkam.

Manche Journalisten tun einfach alles für eine gute Story, und ich gehöre dazu.

Der Gedanke ging Jasmine Carmody durch den Kopf, während sie Wesley Brooks Müll durchwühlte. Weggeworfenes sagte viel über einen Menschen aus, aber das Einzige, was sie bisher über Wesley Brooks, dot.com-Millionär und Savannahs Topunternehmer, erfahren hatte, war, dass er gern Nudeln aß. Spaghetti-Fertiggerichte für die Mikrowelle. Hatte noch keine seiner zahlreichen Freundinnen festgestellt, dass der Weg zum Herzen eines Mannes durch den Magen führte – und nicht lediglich mit dem Teil der männlichen Anatomie verknüpft war, der unterhalb der Gürtellinie lag?

Wenn man allerdings den Gerüchten Glauben schenken durfte, dann war Wesley Brooks nicht wie die meisten Männer. Sie hatte seine Biografie oft genug gelesen, um sein Leben zu kennen … zumindest das, was darüber geschrieben stand. Er war ein Waisenkind gewesen und in Pflegefamilien aufgewachsen. Auf der Highschool hatte er sich mit Jake Danforth, ein Sprössling der prominenten Danforth-Familie, angefreundet.

Jake und Wesley wurden die besten Freunde, und als Wesley in die nächste Pflegefamilie kommen sollte, griffen Jakes Eltern ein. Harold und Miranda Danforth boten Wesley ein Zuhause und die Chance auf Stabilität in seinem Leben. Die Danforths wurden seine Familie. Die erste in seinem Leben. Als die Studienzeit heranrückte, bekam Wesley wegen seiner herausragenden sportlichen und mathematischen Leistungen ein Stipendium für ein Studium an der Georgia Tech University. Jake Danforth hatte ebenfalls die Georgia Tech besucht, und die beiden waren während der vier Jahre an der Universität Zimmergenossen gewesen.

Jasmine seufzte, während sie weiter den Müll durchwühlte. Es gab nicht viel über Wesley Brooks, das sie nicht wusste. Vor ein paar Jahren hatte er einen Onlineshop für Restaurantbedarf gegründet, der ihn zum Millionär gemacht hatte. Im Alter von dreißig Jahren war er einer der reichsten Männer Savannahs – und einer der begehrtesten Junggesellen. Seine enge Beziehung zu der Danforth-Familie war allerdings der Hauptgrund dafür, dass sie sich zu dieser unchristlichen Zeit durch seinen Müll wühlte.

Jasmine verharrte einen Moment lang regungslos. Panik stand ihr ins Gesicht geschrieben, als sie glaubte, etwas zu hören. Doch die Sekunden vergingen, und alles blieb still. Sie wandte sich wieder den Mülltonnen zu.

Wenn sie ihrer Kollegin und besten Freundin Veronica „Ronnie“ Strongman Glauben schenkte, war es undenkbar, dass Wesley Brooks – seines Zeichens umschwärmter Playboy – den Samstagabend zu Hause verbrachte.

Wieder hörte sie etwas, hielt inne und drehte sich um. Ein leiser Schreckensschrei entwich ihrer Kehle, als sie den millionenschweren Playboy höchstpersönlich vor sich stehen sah. Er trat barfuß und nur mit Jeans bekleidet aus dem Schatten. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als sie den Blick über seine nackte Brust und sein markantes Gesicht schweifen ließ. Er war größer, als sie vermutet hatte, und sehr gut gebaut. Muskulös, ohne ein Gramm Fett am Leib. Dazu dunkle Haut in einem warmen Kastanienton. Insgesamt ein Traum von einem Mann.

Obwohl sie auf frischer Tat ertappt worden war und eigentlich türmen sollte, rührte sie sich nicht von der Stelle. Wie angewurzelt blieb sie stehen.

Wesley war überrascht. Die Gestalt, die er für einen Mann gehalten hatte, entpuppte sich als junge Frau. Er sah die Panik in ihren Augen und fragte sich, was bloß in ihrem Leben geschehen sein mochte, dass sie so mittellos war.

„Warten Sie! Laufen Sie nicht weg. Ich will Ihnen helfen.“

Er sah, dass sie die Augen aufriss. Ein Tuch bedeckte ihren Kopf, und im Mondlicht konnte er erkennen, dass ihre Gesichtszüge ebenmäßig waren. Sie war schön. Ihre Haut hatte die Farbe von Kakao, und die Unbekannte schien nicht älter als fünfundzwanzig zu sein; genau das Alter, in dem er seine erste Million gemacht hatte.

Sie trug einen alten abgetragenen Jogginganzug, roch aber überraschend gut. Seine geübte Nase erkannte den betörenden Duft eines teuren Parfums. Wahrscheinlich war sie in einer Mülltonne auf einen nicht ganz leeren Flakon gestoßen, dachte er.

„Wie alt sind Sie?“, fragte er ruhig, um sie nicht zu verängstigen. Sie sollte wissen, dass sie nichts zu befürchten hatte, obwohl sie unerlaubt sein Grundstück betreten hatte.

Sie wich einen Schritt zurück, und ihm stockte der Atem, als er sie jetzt besser erkennen konnte. Sie hatte etwas an sich, das ihm fast das Herz zerriss. Eine Frau wie sie sollte kein solches Leben führen müssen.

„Ich bin sechsundzwanzig“, sagte sie schließlich. „Warum?“

„Ich wollte es einfach wissen. Hier ist etwas Geld.“ Er bot ihr das Geld an, das er in der Hand hielt. „Es müssten etwa fünfhundert Dollar sein. Nehmen Sie es, und kaufen Sie sich etwas zu essen und zum Anziehen“, sagte er, obwohl sie ordentlicher aussah als andere obdachlose Frauen.

„Da es zu dieser späten Stunde aber nicht allzu viele Fastfood-Restaurants gibt, die geöffnet haben, kann ich Ihnen auch etwas zu essen machen, sollten Sie hungrig sein.“

Er sah, dass sie lächelte. „Spaghetti aus der Mikrowelle?“

Wesley blinzelte, dann warf er den Kopf zurück und lachte herzhaft. Unter seinen Freunden war allgemein bekannt, dass er Spaghetti liebte. Und wenn er nicht in einem eleganten, teuren Restaurant aß, dann taten es auch Fertiggerichte. Sie schmeckten und machten satt.

Bis er sich wieder beruhigt hatte, war sie schon getürmt, und er sah nur noch ihre Kehrseite, als sie seine Einfahrt entlangsprintete und durch das schmiedeeiserne Tor verschwand. „Hey, warten Sie! Nehmen Sie das Geld mit!“

Zu spät, dachte er und blickte ihr nach. Vorsichtig ging er auf nackten Füßen die Einfahrt entlang, um zu schauen, in welche Richtung sie gelaufen war, doch er konnte sie nirgendwo mehr entdecken. Es war, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Verärgert über sich selbst, weil er sie verjagt hatte, bevor er ihr das Geld in die Hand drücken konnte, wollte er sich gerade umdrehen und ins Haus zurückkehren, als sein Blick zufällig auf den Boden fiel. Irgendetwas lag auf dem Beton und glitzerte im Mondlicht. Er bückte sich und sah, dass es eine Art Medaillon war, das die Frau offensichtlich verloren hatte. Wesley hob das Schmuckstück auf und ging ins Haus zurück.

Jasmine war endlich in ihrer Wohnung angekommen. Sie lehnte sich von innen gegen die Tür und atmete erleichtert durch. Langsam beruhigte sich ihr Herzschlag. Das war knapp gewesen! Allein der Gedanke, dass Wesley Brooks sie für eine Obdachlose hielt!

Was machte er eigentlich Samstagnacht zu Hause?

Ihre Freundin Ronnie hatte ihr den Tipp gegeben, dass Wesley Brooks gerade kürzlich Abraham Danforths Computer repariert hatte, und Jasmine hatte beschlossen, seinen Müll zu durchsuchen, für den Fall, dass Interessantes über Abraham darin zu finden war. Abraham Danforth hatte vor ein paar Monaten seine Kandidatur als Senator verkündet, und seit dem Zeitpunkt versuchte sie, eine Enthüllungsgeschichte über ihn zu schreiben.

Niemand konnte so sauber sein, wie Abraham Danforth sich präsentierte. Und wenn er eine Leiche im Keller hatte, dann wollte sie diejenige sein, die sie fand. Sie musste eine wirklich sensationelle Story bringen, wenn sie in ihrer Karriere als Journalistin vorankommen wollte.

Zum Glück hatte Wesley Brooks keine Ahnung, warum sie sich an seinem Müll zu schaffen gemacht hatte. Wenn er wüsste, dass sie Journalistin war, würde er sie sicherlich wegen Hausfriedensbruchs anzeigen, zumal ein Schild darauf hinwies, dass der Zutritt zu seinem Grundstück verboten war. Jasmine war froh, dass sie ihren Wagen um die Ecke geparkt hatte, ein gutes Stück vom Haus entfernt. Sie war zwar völlig außer Atem gewesen, als sie ihr Auto endlich erreicht hatte, aber zumindest war Wesley Brooks ihr nicht gefolgt.

Wenn sie nur daran dachte, dass er ihr fünfhundert Dollar angeboten hatte! Sie schüttelte fassungslos den Kopf. Der millionenschwere Playboy hatte wirklich ein Herz. Ein großes Herz für Menschen, die nichts besaßen. Jasmine ahnte in diesem Moment, dass sie eine Seite an Wesley Brooks kennengelernt hatte, die nur wenige Menschen kannten. Irgendwie war sie gerührt.

Sie seufzte. Wie süchtig nach Erfolg musste sie sein, dass sie sich mit dem Müll eines anderen Menschen beschäftigte? Da sie es bisher nicht geschafft hatte, einen Fleck auf Abraham Danforths weißer Weste zu finden, hatte sie beschlossen, auch in das Privatleben der nächsten Generation von Danforths einzutauchen. Vielleicht stieß sie dort auf die sprichwörtliche Leiche.

Im vergangenen Monat hatte sie geglaubt, eine Sensationsgeschichte über Abraham Danforths Neffen, Jake Danforth, ausgegraben zu haben. Eine Frau, Larissa Nielsen, hatte ein Kind von ihm bekommen, von dem er aber nichts gewusst hatte. Die Frau jedoch beschloss, Jake die Wahrheit zu sagen, bevor er sie aus den Zeitungen erfuhr. Larissa erzählte Jake von seinem Sohn, und der handelte sofort und heiratete sie. Das hatte Jasmines Chance zunichte gemacht, die Geschichte zu veröffentlichen.

Jasmine durchquerte den Raum und blieb am Telefon stehen. Sie spielte mit dem Gedanken, Ronnie anzurufen und sie zusammenzustauchen, weil sie ihr falsche Informationen gegeben hatte. Ganz offensichtlich war Mr Brooks an diesem Samstagabend nicht wie üblich ausgegangen, sondern zu Hause geblieben. Allerdings hätte Jasmine auch damit rechnen können, dass er den Abend mit einer Frau in seinem Bett verbrachte. Schließlich war er ein toller Mann. Heute Abend hatte sie sich selbst davon überzeugen können, wenn auch nur im schummrigen Mondlicht.

Dass Wesley Brooks ein äußerst attraktiver Mann war, wusste sie schon länger. Schließlich hatte sie schon viele Fotos von ihm gesehen, doch heute Abend hatte sie ihn das erste Mal in natura gesehen, und wow, die Natur hatte es wirklich gut mit ihm gemeint!

Er war unglaublich sexy, kräftig gebaut und hatte einen Traum von einem Männerkörper: muskulöse Schultern, eine breite Brust mit spärlicher Behaarung, einen flachen Bauch und schmale Hüften.

Statt bei seinem Auftauchen sofort zu türmen, war sie wie angewurzelt stehen geblieben, starr vor Schreck und mit wild hämmerndem Herzen. Sie war kaum in der Lage gewesen zu atmen. Ihr wurde immer noch ganz heiß, wenn sie daran dachte. So etwas war ihr noch nie passiert. In den letzten Jahren war sie so damit beschäftigt gewesen, sich einen Namen als Journalistin zu machen, dass sie ganz vergessen hatte, dass sie eine Frau war, die einen gut aussehenden Mann sehr wohl zu schätzen wusste.

Zu schade, dass dieser Mann ausgerechnet Wesley Brooks war. Sie fragte sich, ob er sie erkennen würde, wenn er sie als Jasmine Carmody traf, Journalistin bei den Savannah Morning News. Wenn ja, konnte er leicht eins und eins zusammenzählte und würde schrecklich wütend sein. Aber darüber sollte sie jetzt nicht nachdenken. Jetzt wollte sie nur noch duschen und dann ins Bett.

Im Badezimmer drehte sie das Wasser voll auf, zog sich aus und entfernte das Tuch um den Kopf. Unzählige kleine Zöpfchen fielen ihr über die Schultern. Sie trat unter die Dusche, legte den Kopf in den Nacken und ließ sich das warme Wasser übers Gesicht und den Hals laufen. Warm prasselte es auf ihre Schultern, lockerte ihre Muskeln und schwemmte die Anspannung weg. Langsam entspannte sie sich und fühlte sich wieder sauber.

Nachdem sie ausgiebig geduscht hatte, nahm sie ein großes, flauschiges Handtuch und begann, sich abzutrocknen. Sie freute sich, dass ein Sonntag vor ihr lag, der einzige freie Tag, den sie hatte. Sie würde in die Frühmesse gehen und abends, wie man von ihr erwartete, ihren Vater besuchen und irgendwie die unfreundlichen Bemerkungen ihrer Stiefmutter Evelyn und ihrer Stiefschwestern Alyssa und Mallory ertragen.

Worauf würden sie morgen herumhacken? Wieder darauf, dass sie zu dünn war und zunehmen musste? Oder würden sie sich über ihre vermeintliche Unfähigkeit auslassen, einen Mann zu finden, nur weil sie nie jemanden zum Dinner mitbrachte?

Dass auch Alyssa und Mallory nie einen Mann zum Dinner einluden, war offenbar unerheblich. Es war Jasmines Leben, das durchgehechelt und kritisiert wurde. Ihre beiden Stiefschwestern waren total verwöhnt, doch das schien ihre Stiefmutter nicht zu bemerken. Mit ihren vierundzwanzig Jahren lebte Alyssa immer noch zu Hause, und Mallory, zweiundzwanzig, war in ein Apartment gezogen, das, wie Jasmine annehmen musste, von ihrem Vater bezahlt wurde, da Mallory selbst arbeitslos war. Jasmine war die Einzige, die sich selbst ihren Lebensunterhalt verdiente. Trotzdem ließen die drei Frauen kein gutes Haar an ihr.

Jasmine erinnerte sich an die Zeit, bevor Evelyn und ihre Töchter in ihr Leben und das ihres Vaters getreten waren. Ihre Mutter war gestorben, als Jasmine gerade neun Jahre alt gewesen war, und fünf Jahre lang hatte es nur sie und ihren Vater gegeben. Dann hatte Dr. James Carmody eines Tages verkündet, dass er wieder heiraten würde und dass seine zweite Frau alleinerziehende Mutter von zwei Mädchen sei. Er war überzeugt gewesen, dass sie eine glückliche Familie werden würden.

Er hatte sich getäuscht. Kaum hatte er Evelyn geheiratet und in sein Haus geholt, da veränderte sich alles zum Schlechten. Evelyn ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass Alyssa und Mallory bei allem zuerst kamen, außer bei häuslichen Pflichten. Sie wurden verhätschelt, und Jasmine war diejenige, die alles erledigen musste, wofür sich ihre Stiefschwestern zu gut waren. Und wenn sie sich beschwerte, wurde alles nur noch schlimmer.

Leider verbrachte ihr Vater die meiste Zeit im Krankenhaus bei seinen Patienten, und als er endlich begriff, was sich in seinem Haus abspielte, war es zu spät. Der Schaden war längst angerichtet. Das einzig Gute war, dass Jasmine sich der Liebe ihres Vaters sicher sein konnte. Er hatte sofort versucht, die Sache geradezubiegen. Einmal war er sogar so weit gegangen, Evelyn mit Scheidung zu drohen, sollte sie Jasmine noch mal schlecht behandeln.

Jasmine wusste, ein Wort von ihr würde genügen, und Evelyn wäre Geschichte. Doch so wenig sie die drei mochte – sie wollte auch nicht, dass sie auf der Straße standen. Denn ohne den Namen und das Geld ihres Vaters, wären die drei Frauen wie Fische ohne Wasser. Also erzählte Jasmine ihrem Vater nicht, dass sich nichts geändert hatte. Stattdessen versuchte sie das Beste aus der Situation zu machen und besuchte sie nur einmal in der Woche sonntags zum Abendessen.

Ein Lächeln breitete sich auf Jasmines Gesicht aus, als sie an ihre Mutter dachte. Sie war eine warmherzige, liebenswerte Frau gewesen. Nach dem Tod ihrer Mutter war Aunt Rena, die Schwester ihrer Mutter, immer für Jasmine da gewesen, bis sie in dem Sommer starb, als Jasmine einundzwanzig wurde. In dem Sommer hatte Aunt Rena ihr einen Karton mit persönlichen Dingen ihrer Mutter gegeben. Es waren Dinge, die Jasmines Vater Aunt Rena zur sicheren Verwahrung anvertraut hatte. Offensichtlich hatte James Carmody geahnt, dass seine neue Frau die Sachen an ihre Töchter weiterreichen würde, sollte sie sie jemals in die Hände bekommen.

Jasmine war froh über die Besonnenheit ihres Vaters, denn ihre Mutter hätte sicher gewollt, dass sie, Jasmine, die wertvollen Erbstücke erhielt. Es handelte sich größtenteils um Schmuck, der seit mindestens vier Generationen weitergegeben wurde – seltene, wertvolle Stücke.

Jasmine liebte besonders das kunstvolle goldene Medaillon, das ihre Mutter stets getragen hatte und das seit dem Tag, an dem Aunt Rena ihr die Sachen ausgehändigt hatte, ihren Hals schmückte. Sie nahm es niemals ab. Es diente als Erinnerung an eine glückliche Zeit, als sie von beiden Elternteilen geliebt wurde.

Unwillkürlich griff sie an die Stelle zwischen ihren Brüsten, wo das Medaillon normalerweise hing, und stockte. Es war weg. Panisch zog sie den Jogginganzug, den sie an diesem Abend getragen hatte, aus dem Wäschekorb. Vielleicht hatte sich das Medaillon von ihrem Hals gelöst und in dem Jogginganzug verhakt. Dabei hatte sie den Verschluss der Kette gerade letztes Jahr reparieren lassen.

Als Jasmine das Schmuckstück im Haus nicht finden konnte, warf sie sich ihren Bademantel über und ging nach draußen, um den Weg zu ihrem Wagen abzusuchen. Schließlich schaute sie auch im Auto nach. Nichts. Der einzige Ort, wo die Kette noch sein konnte, war Wesley Brooks Grundstück. Bei dem Gedanken, dass das Medaillon in den Mülleimer gefallen sein könnte, war sie der Verzweiflung nahe.

Sie kehrte ins Haus zurück und lehnte sich gegen die Tür. Tränen standen ihr in den Augen. Das Medaillon bedeutete ihr unendlich viel, und jetzt war es verschwunden. Wenn es auf Wesley Brooks Grundstück lag, wie könnte sie es dann zurückbekommen? Nach dem, was Wesley Brooks heute Abend erlebt hatte, würde er sicher Vorkehrungen gegen Eindringlinge treffen und das Tor schließen, wenn er das nächste Mal sein Haus verließ.

Und was, wenn er das Medaillon fand? Würde er womöglich annehmen, dass es einer seiner Freundinnen gehörte? Vermutlich käme er nie auf den Gedanken, dass eine vermeintlich Obdachlose ein so wertvolles Teil besitzen könnte.

Jasmine ging durch den Raum und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Was sollte sie tun? Das Letzte, was sie wollte, war, Wesley Brooks noch einmal zu begegnen. Doch wie es schien, hatte sie keine andere Wahl.

Am nächsten Morgen stand Wesley auf seiner Terrasse und atmete die frische Luft ein. In der einen Hand hielt er eine Tasse Kaffee, in der anderen das Medaillon, das er in der Nacht zuvor gefunden hatte. Er runzelte die Stirn, als er das Schmuckstück eingehend betrachtete. Er war kein Experte, aber er hätte wetten können, dass die Kette ein Vermögen wert war. Er trank einen Schluck Kaffee. Es gab nur einen, der ihm hier weiterhelfen konnte. Bruce Crawford.

Bruce und er hatten sich vor ein paar Jahren kennengelernt. Der Mann war ein Experte für außergewöhnlichen Schmuck, und Wesley hatte das Gefühl, dass die Kette, die er in der Hand hielt, ein sehr seltenes Stück war. Er hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht, warum ein obdachloser Mensch ein derart wertvolles Schmuckstück besaß und es nicht zu Geld machte, um sich etwas zu essen zu kaufen.

Als er das Medaillon öffnete, fand er die Antwort. Darin kam das Foto einer Frau zum Vorschein, die große Ähnlichkeit mit der Frau besaß, die seinen Müll durchwühlt hatte. Vermutlich war sie die Mutter der jungen Obdachlosen, und diese hatte das Medaillon aus Sentimentalität behalten. Er konnte nicht anders, als die Frau für ihre Willensstärke zu bewundern, und er war entschlossen, dafür zu sorgen, dass sie das Schmuckstück zurückbekam.

Er schüttelte den Kopf. Warum war es ihm so wichtig, die Frau wiederzusehen und sich davon zu überzeugen, dass es ihr gut ging? Unter seinen Augen lagen tiefe Schatten. Es war lange her, dass er wegen einer Frau eine schlaflose Nacht verbracht hatte. Doch die Unbekannte hatte etwas an sich gehabt, das ihn emotional tief berührte, auch wenn er nicht sagen konnte, was es war. Er konnte das Lächeln nicht vergessen, das ihre Lippen umspielt hatte, als er ihr etwas zu essen anbot. Was war passiert, dass sie ein so armseliges Dasein fristete?

Das Telefon klingelte, und Wesley ging zurück ins Haus. Nachdem er seine Tasse abgestellt hatte, nahm er den Anruf entgegen. „Ja?“

„Du hast doch nicht unser Kartenspiel morgen Abend vergessen, oder?“

Wesley lachte, als er Ian Danforths Stimme hörte. Ian war Abraham Danforths ältester Sohn und Jakes Cousin, denn Abraham und Harold Danforth waren Brüder. Als Abraham seine Kandidatur zum Senator erklärt hatte, hatte Ian die Leitung des Familienunternehmens Danforth & Danforth übernommen. Seit er Chef war, hatte er die Umsätze der Firma signifikant gesteigert, indem er einen neuen Geschäftszweig, den Kaffeeimport, in die Firma integriert hatte. Ian war außerdem stiller, aber gleichberechtigter Teilhaber in dem erfolgreichen Joint Venture seines jüngeren Bruders Adam und seines Cousins Jake – Danforth & Danforths exklusiver Kaffeehauskette D&D’s.

„Nein, habe ich nicht. Hast du mit Jake und den anderen schon gesprochen?“

„Ja, und selbst Dad will vorbeikommen.“

Wesley zog eine Augenbraue hoch. In all den Jahren, die er und die männlichen Mitglieder der Danforth Familien jetzt Karten spielten, hatte Abraham sich nicht ein einziges Mal blicken lassen. Harold hingegen stieß gelegentlich dazu, um ein Spielchen zu wagen.

Ian musste seine Gedanken gelesen haben, denn in dem Moment sagte er: „Ich bin auch total überrascht.“ Etwas verbittert fügte er hinzu: „Ich denke, seine Kandidatur zum Senator bedeutet auch, dass er die Rolle des hingebungsvollen Vaters spielen muss.“

Wesley wusste, dass Abrahams Kinder – Ian, Adam, Reid, Marcus und Kimberley – eher traurige Erinnerungen an ihre Kindheit hatten, die sich nach dem Tod ihrer Mutter hauptsächlich in Internaten abgespielt hatte. Den größten Teil ihrer Ferien hatten sie bei ihrem Onkel Harold verbracht, der für sie fast wie ein Vater gewesen war. Der einzige Grund, weshalb sie sich bereit erklärt hatten, ihren Vater in seiner Kandidatur zu unterstützen, war, dass Harold sie darum gebeten hatte. Und Harold vergötterten sie.

Da auch Wesley im Haus von Harold und Miranda gelebt hatte, waren er und Abrahams fünf Kinder sowie Harold und Mirandas vier – Jake, Tobias, Imogene und Victoria – wie Geschwister aufgewachsen.

Wesley dachte an Victoria, Harold und Mirandas jüngste Tochter. Vor fünf Jahren, mit siebzehn, war sie als vermisst gemeldet worden. Obwohl die Danforths nie aufgehört hatten, nach ihr zu suchen, war die Akte von der Polizei geschlossen worden.

„Wir sehen uns morgen Abend. Mach dich darauf gefasst, viel Geld zu verlieren“, sagte Wesley.

„Ganz bestimmt nicht“, widersprach Ian lachend und beendete das Telefonat.

Lächelnd legte Wesley das Telefon in die Ladestation. Sein Lachen verblasste, als sein Blick auf das Medaillon fiel, das er immer noch in der Hand hielt. Er würde erst zufrieden sein, wenn er das Schmuckstück seiner Besitzerin zurückgegeben hatte.

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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