Brennend heißes Verlangen

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Eines Nachts wird alles anders zwischen Casey und ihrem Boss ... Sie ist überglücklich, dass McKinnon ihre Gefühle offenbar erwidert. Doch am nächsten Morgen tut er, als wäre nichts gewesen - was steckt dahinter?


  • Erscheinungstag 05.10.2015
  • Bandnummer 10
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743284
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Casey Westmoreland machte einen Schritt in den Stall hinein und blieb augenblicklich stehen, so fasziniert war sie vom warmen Klang der verführerischen maskulinen Stimme, die leise auf einen riesigen schwarzen Hengst einsprach. Aber noch mehr faszinierte Casey der Mann, der das Tier striegelte.

McKinnon Quinn.

Ihrer Meinung nach war er umwerfender, als einem Mann überhaupt zustand. In seinen Adern floss nicht nur das Blut der Blackfoot-Indianer, sondern auch das der amerikanischen Kreolen, und Casey hätte noch Stunden einfach so dastehen und ihn bewundern können.

McKinnon war groß, kräftig gebaut, und sein schwarzes Haar war dicht gelockt. Unter seinem blauen Hemd verbarg sich ein breiter Brustkorb, und die ausgeblichenen Jeans umschmeichelten einen knackigen Po, der Casey fast den Atem nahm, als McKinnon sich vorbeugte, um die Bürste gegen einen Kamm auszutauschen. Er brauchte sich gar nicht umzudrehen, da sie seine Gesichtszüge bereits kannte, denn sie hatten sich ihr schon beim ersten Mal tief ins Gedächtnis eingegraben. Er besaß ein ebenmäßiges, sehr männliches Gesicht mit dunklen Augen, hohe Wangenknochen, einen Teint, den man geradezu als golden bezeichnen musste, eine gerade Nase, ein energisches Kinn und volle Lippen. Casey holte tief Luft und spürte, dass sie errötete, wenn sie an diese Lippen nur dachte und an ihre geheimen Fantasien, in denen sie davon träumte, was man mit diesen Lippen alles anstellen könnte.

Außerdem wusste sie über McKinnon Quinn, dass er vierunddreißig Jahre alt war und gemeinhin als einer der begehrtesten Junggesellen von Bozeman und Umgebung angesehen wurde. Allerdings hatte sie auch gehört, dass ihm sein Junggesellenstatus durchaus lieb war und er keine Absicht hatte, in naher Zukunft etwas daran zu ändern. Auch wenn sein bester Freund und Caseys Cousin, Durango Westmoreland, gerade geheiratet hatte.

Seit sie sich vor zwei Jahren das erste Mal getroffen hatten, schätzte Casey McKinnon als einen ruhigen und kontrollierten Menschen ein. Obwohl er mit ihren Cousins gut befreundet war, vermittelte er etwas Unnahbares, so als gäbe es nur wenige Menschen, die er wirklich an sich heranließ. In seiner Gegenwart hatte sie stets das Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, aber seine Blicke fühlten sich trotzdem irgendwie an wie ein Streicheln.

„Sind Sie da angewurzelt, oder wollen Sie mir sagen, was Sie wollen?“

Seine tiefe, schneidende Stimme riss Casey aus ihren Gedanken, und sie fragte sich, ob er über Augen im Hinterkopf verfügte. Sie hätte schwören können, nicht das geringste Geräusch gemacht zu haben, und doch hatte er ihre Anwesenheit gespürt.

„Ich weiß, wie wichtig das Striegeln ist, und wollte nicht stören“, antwortete Casey schließlich.

Erst jetzt drehte McKinnon sich um, und sie musste sich zwingen weiterzuatmen – zumal ein rätselhaftes Funkeln in seine Augen trat, als er sie erkannte. „Casey Westmoreland. Richtig, Durango hat ja erwähnt, dass du deinen Dad besuchst.“

Dad. An diesen Ausdruck hatte Casey sich noch immer nicht gewöhnt, obwohl es inzwischen zwei Jahre her war, seit sie herausgefunden hatte, dass sie einen Vater hatte, der noch quicklebendig war. Dabei hatte man sie ein Leben lang glauben gemacht, er wäre noch vor ihrer Geburt gestorben.

„Genau genommen ist es kein Besuch. Ich habe mich entschlossen, hierher nach Bozeman zu ziehen“, erwiderte sie und wünschte, McKinnon würde sie nicht so ausgiebig mustern.

Er hakte die Daumen in die Taschen seiner Jeans – eine Haltung, die seinen muskulösen Körperbau noch mehr betonte – und neigte verwundert den Kopf zur Seite. „Du ziehst nach Bozeman?“

„Ja.“

„Warum denn?“

Die Frage kam wie ein Peitschenhieb, und Casey überlegte, warum es ihn überhaupt interessierte. „Corey … ich meine mein Dad, hofft, dass wir uns dann besser kennenlernen können.“ Selbst nach zwei Jahren fiel es ihr noch schwer, Corey Westmoreland Dad zu nennen, wie es ihre beiden Brüder bereits seit einiger Zeit taten.

McKinnon nickte und sah sie noch intensiver an als vorher. Er hatte eine enge Beziehung zu ihrem Dad, da Corey der beste Freund von McKinnons Vater war. Die Beziehung war vermutlich enger als ihre eigene zu ihrem Vater, und zwar einfach deshalb, weil McKinnon ihn schon sehr viel länger kannte.

„Das findet Corey, aber denkst du das auch?“, wollte er wissen.

Im Moment denke ich nichts anderes, als dass alles sehr viel einfacher wäre, wenn du aufhören würdest, mich so anzustarren, hätte sie am liebsten gesagt. Sie kam sich vor wie ein hilfloses Insekt unter einem Mikroskop. Andererseits, ob beabsichtigt oder nicht, war McKinnons Blick provozierend sinnlich und ließ ihre Haut angenehm kribbeln. „Ich glaube, es kann nicht schaden. Ich habe mein Leben lang in Texas gelebt, und als der Pachtvertrag für meine Boutique auslief, ohne dass ich ihn verlängern konnte, habe ich mir überlegt, einmal woanders hinzuziehen. Mir hat Montana schon immer gut gefallen, und ich glaube auch, dass es meiner Beziehung zu Corey guttun wird, wenn ich hierherziehe.“

„Ich verstehe.“

Casey bezweifelte es. Nicht einmal ihre Brüder hatten ihre widersprüchlichen Gefühle verstanden, als sie die Wahrheit über ihren Vater herausgefunden hatten. Seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, hatte ihre Mutter märchenhafte Geschichten von dem Mann erzählt, der sie und ihre Brüder gezeugt hatte – von dem Mann, der angeblich bei einem Rodeounfall ums Leben gekommen war und sie mit Drillingen schwanger zurückgelassen hatte.

Carolyn Roberts Westmoreland hatte so getan, als hätten sie und Corey Westmoreland eine perfekte Ehe geführt und als hätte sie nach dem Tod ihres Mannes nur weiterleben können, weil sie Drillinge erwartete.

Es tat weh zu wissen, dass ihre Mutter ihnen nichts als Lügen erzählt hatte.

Corey hatte Carolyn niemals geheiratet. Er hatte weder gewusst, dass sie schwanger war, noch hatte er sie je wirklich geliebt. Die Frau seiner Träume war schon immer Abby gewesen. Er hatte sie schon gekannt, bevor er Caseys Mom kennengelernt hatte, und als er sie vor einigen Jahren wieder getroffen hatte, konnte er sie endlich auch heiraten.

„Außerdem gibt es noch einen anderen Grund, warum ich hierhergezogen bin“, fügte sie hinzu und kam damit zu dem Anlass ihres Besuches. „Ich hielt es für eine gute Idee, mich beruflich neu zu orientieren, und wenn ich hier wohne, kann ich etwas tun, was ich schon immer geliebt habe.“

„Und das wäre?“

„Die Arbeit mit Pferden. Deshalb bin ich ja auch hier. Ich habe gehört, du suchst einen Pferdetrainer, und ich würde mich gern um den Job bewerben.“

Casey versuchte die Gefühle zu ignorieren, die sie durchfluteten, als McKinnon seinen Blick abschätzend über ihre zierliche Statur wandern ließ. Seine Augen blitzten auf, als er ihr wieder ins Gesicht sah, so als wäre er leicht amüsiert. „Das soll wohl ein Witz sein, oder?“

„Nein, natürlich nicht“, erwiderte sie empört und ging auf ihn zu. „Ich meine das völlig ernst.“

Sie sah, wie er sein Kinn anspannte und die Augen zusammenkniff, und ärgerte sich im selben Moment darüber, weil sie ihn so unglaublich sexy fand.

„Ich kann dich unmöglich als Pferdetrainerin einstellen“, sagte er mit rauer Stimme.

„Warum nicht?“, fragte sie so gelassen wie möglich. „Ich denke, wenn du dir meine Referenzen anschaust, wirst du nicht ganz unbeeindruckt von meiner Qualifikation sein.“ Sie hielt ihm die Mappe hin, die sie in der Hand hielt.

Er warf einen kurzen Blick auf die Mappe, machte aber keine Anstalten, sie zu nehmen. „Das mag sein, aber es ist unerheblich“, meinte er und bedachte sie mit einem einschüchternden Blick. „Ich werde dich nicht einstellen.“

Seine abweisenden Worte machten Casey wütend, doch sie war entschlossen, ruhig zu bleiben. „Gibt es einen Grund dafür?“

Nach einem Moment angespannten Schweigens antwortete er abweisend: „Es gibt eine Reihe von Gründen, aber ich habe keine Zeit, sie aufzuführen.“

Casey stählte sich gegen den Zorn, der sich weiter in ihr aufbaute – leider vergeblich. McKinnons Worte hatten einen Nerv getroffen. „So viel Zeit wirst du ja wohl haben!“, fuhr sie ihn an.

Er verschränkte die Arme vor der Brust und kam Casey auf einmal noch größer vor. „Tut mir leid“, meinte er nur knapp. „Hier auf der Ranch wird gearbeitet, und ich habe zu viel zu tun. Wenn du nach einem Job suchst, dann schlage ich vor, du suchst anderswo.“

Casey, die bekannt dafür war, von Natur aus stur zu sein, weigerte sich nachzugeben. McKinnon hatte den Bogen überspannt. Und als sie sah, dass er sich wieder seinem Pferd zugewandt hatte und es striegelte, als hätte er ihre Anwesenheit schon wieder vergessen, platzte ihr der Kragen.

„Aber warum?“, fragte sie mit zornerstickter Stimme. „Du schuldest mir ja wohl zumindest eine Erklärung, warum du mich nicht einstellen willst.“ Eine ganze Weile blieb McKinnon still, und Casey wartete wütend darauf, dass er antwortete. Sie würde nicht eher gehen, bis er es getan hatte.

Schließlich seufzte McKinnon und drehte sich zu ihr herum, obwohl er nicht der Ansicht war, ihr eine Erklärung schuldig zu sein. Er sah die vor Wut zusammengepressten Lippen und dachte daran, dass er, seit er Casey das erste Mal gesehen hatte, diesen Mund so verlockend gefunden hatte wie den glänzend roten Apfel, den Eva Adam angeboten hatte. Und er mochte wetten, dass Caseys Lippen genauso köstlich und vermutlich sogar noch sündiger waren.

Verflixt, konnte sie denn die sexuelle Spannung nicht spüren, die trotz der schlechten Luft zwischen ihnen bestand? Seit dem Moment, als er sich umgedreht und Casey im Stall hatte stehen sehen, raste das Blut in seinen Adern und sein Testosteronspiegel war erheblich gestiegen. Diese Frau war so strahlend schön, dass sie sogar die Sonne in den Schatten stellte.

Außerdem war sie unglaublich sexy. Jetzt gerade schaute sie zwar böse, aber er wusste, wie verlockend sich ihr Mund beim Lächeln verzog, sodass man am liebsten das Lächeln direkt von ihren Lippen küssen wollte. Und selbst ihr verärgertes Schmollen war absolut verführerisch.

Ganz zu schweigen von ihren körperlichen Attributen. Das dunkelbraune Haar war zu einer frechen Kurzhaarfrisur geschnitten und unterstrich ihre gebräunte Haut und die Augen, die dunkelbraun waren. Vermutlich schmolz man dahin, wenn man sie lange genug ansah. Und ihre zierliche Figur steckte in einer Jeans, die aussah, als wäre sie eigens für diesen Körper geschaffen worden.

McKinnon hatte Casey gerade erst letzten Monat auf der Geburtstagsfeier ihrer Cousine Delaney gesehen. Sie schien von Mal zu Mal hübscher zu werden, während seine Faszination in gleichem Maße zunahm. Ihr gelang es sogar, gut zu duften, obwohl sie in einem Stall voller Tiere stand. Und dieser Duft war äußerst betörend. Hinzu kam, dass er, obwohl er ihre Beine nicht sehen konnte, noch sehr genau wusste, wie sie aussahen. Sie waren lang, wohlgeformt und …

„Nun, McKinnon?“

Er schaute ihr in die Augen, warf die Bürste zur Seite und stopfte die Hände in die Taschen seiner Jeans. „Okay, ich werde dir einen Grund nennen. Dies ist eine Pferderanch, und ich suche jemanden, der Pferde trainieren kann, keine Ponys. Corey würde mir niemals verzeihen, wenn dir etwas zustößt.“

Er erschauerte innerlich bei diesem Gedanken und fügte hinzu: „Du meine Güte, du bist ja kaum größer als ein Zwerg. Das Pferd, das trainiert werden soll, ist ziemlich hinterhältig, und ich muss es bis zu den Rennen in sechs Wochen gebändigt haben. Du bist einfach nicht die Richtige für den Job. Prince Charming ist ein zu großes Tier für dich.“

Caseys Augen blitzten wütend auf, während sie sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter sechzig aufrichtete. „Und du fällst diese Entscheidung, ohne mir die Chance zu geben, mein Können zu beweisen?“

„Ja, das tue ich.“

„Dann bist du nichts weiter als ein typisch männlicher Chauvinist …“

„Denk, was du willst, aber ich werde dich nicht einstellen. Es gibt bestimmt eine Reihe anderer Jobs in Bozeman, die dich interessieren könnten. Und da du ja eine Boutique gehabt hast, wird sich in der Stadt vielleicht auch etwas in dieser Richtung finden lassen.“

Casey starrte ihn ungläubig an und versuchte, nicht die Beherrschung zu verlieren. McKinnon hatte recht, sie verschwendete hier nur ihre Zeit. „In dem Fall habe ich nichts mehr zu sagen“, erklärte sie verärgert.

„Nein, das sehe ich auch so.“ Um seinen Standpunkt zu unterstreichen, griff er erneut nach der Bürste und wandte sich wieder dem Pferd zu.

Wutentbrannt verließ Casey ohne ein weiteres Wort den Stall.

McKinnon sah Casey hinausmarschieren und seufzte frustriert auf.

Er wusste, dass sie ziemlich wütend auf ihn war, aber niemals würde er sie auf seiner Ranch arbeiten lassen. Die meisten Araberpferde waren von Natur aus zahm und friedliebend, aber das Pferd, das man ihm zum Trainieren geschickt hatte, war das genaue Gegenteil und würde einen erfahrenen Trainer brauchen. McKinnon wusste zwar, dass Casey in Texas aufgewachsen war und vermutlich schon mit Pferden zu tun gehabt hatte. Doch wenn alles so lief, wie er es sich vorstellte, würde er bald mehr Pferde zum Trainieren aufnehmen, und sie müsste mit Hengsten umgehen, die nicht immer zu den zahmsten gehörten. Und er wollte nicht verantwortlich dafür sein, wenn ihr etwas passierte.

Außerdem gab es noch einen Grund, warum er Casey nicht einstellen wollte. Vor sechs Jahren, als Lynette ihn verlassen hatte, hatte er sich geschworen, nie wieder eine Frau für mehr als eine Stippvisite auf diese Ranch zu lassen.

Allein der Gedanke an Lynette machte ihn wütend. Allerdings konnte er ihr nicht verdenken, dass sie etwas gewollt hatte, was er ihr nicht hatte geben können. Und als sie gegangen war, wurde ihm klar, dass er niemals wieder eine ernsthafte Beziehung eingehen würde.

Seine Gedanken wanderten zurück zu Casey. Was er für sie empfand, war allerdings sehr viel mehr, als er für Lynette empfunden hatte. Casey war eine Frau, die ohne Mühe heftiges Verlangen in jedem Mann hervorrufen konnte. Aber zu allem Überfluss war sie auch noch Coreys Tochter und Durangos Cousine, was bedeutete, dass sie für ihn absolut tabu war.

„Egal, was sie denkt, ich habe das Richtige getan“, murmelte er und versuchte sich wieder auf das Pferd zu konzentrieren und nicht darauf, wie verführerisch Caseys Po ausgesehen hatte, als sie davonstolziert war. Er war lediglich an einer kurzen, heißen Affäre mit einer Frau interessiert. Casey dagegen standen die Worte „Heim, Herd und Mutterschaft“ quasi auf der Stirn geschrieben. Und das war der Typ von Frau, den er auf jeden Fall mied.

Nie wieder würde er irgendeinem weiblichen Wesen erlauben, eine emotionale Bedrohung für ihn darzustellen.

Als Casey aus dem Stall hinaus in die Sonne trat, versuchte sie, ihre Wut auf McKinnon zu bändigen. Der Mann war einfach unmöglich!

Sie sah sich um und musste widerstrebend zugeben, dass seine Ranch dagegen einfach herrlich war. Das Haus war nicht so groß wie das ihres Vaters, aber sie fand, es strahlte genauso viel Klasse aus wie der Mann, dem es gehörte.

Es war ein sonniger Tag, und das Wetter erinnerte sie heute an das Klima in Texas. McKinnons Männer waren bei der Arbeit, und als sie zu ihrem Wagen ging, sah sie, dass einige wunderschöne Pferde in einen Korral geführt wurden. Dann plötzlich ließ sie der panische Aufschrei eines Mannes zusammenzucken. Eins der riesigen Pferde hatte sich losgerissen und ging auf den Mann los.

Als das Pferd sich auf die Hinterbeine stellte, mit der offensichtlichen Absicht, den Mann zu Tode zu trampeln, hielt Casey den Atem an und sah erleichtert, dass der Mann geschickt auswich, sich zu Boden fallen ließ und sich in Sicherheit bringen konnte. Das Tier war außer sich, und als einige andere Männer versuchten, nach den Zügeln zu greifen, griff es auch sie an, sodass sie schnell Schutz suchend davonliefen. Einer von ihnen war jedoch nicht schnell genug, und das Pferd stürmte auf ihn zu.

Ohne darüber nachzudenken, dass sie vielleicht ihr Leben aufs Spiel setzte, rannte Casey auf das ausschlagende Pferd zu und versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie wedelte heftig mit den Armen und pfiff. Abrupt richtete das Tier seine riesigen dunklen Augen auf sie und kam mit geneigtem Kopf und aufgeblähten Nüstern auf sie zugerast. Casey sträubten sich die Nackenhaare, doch statt in Deckung zu gehen, blieb sie still stehen.

McKinnon kam im selben Moment aus dem Stall gerannt. Er hatte den Lärm gehört, und als er sah, dass Prince Charming auf Casey zustürmte, während sie stocksteif stehen blieb, klopfte ihm das Herz bis zum Hals.

„Casey, verdammt, lauf!“

Als er entsetzt registrierte, dass sie sich nicht regte, wollte er zu ihr laufen, auch wenn er bei Prince Charmings Geschwindigkeit ganz offensichtlich keine Chance hatte, rechtzeitig bei ihr zu sein. Er wollte gerade lossprinten, als ihm jemand ein Gewehr in die Hand drückte. Er fürchtete, das Tier wirklich erschießen zu müssen, bevor es Casey tötete. In diesem Augenblick war es jedoch völlig unerheblich, dass dieses Pferd Scheich Jamal Ari Yasir über eine Million Dollar gekostet hatte. McKinnons einzige Sorge war Caseys Sicherheit.

Er hob das Gewehr, zielte und wollte gerade abdrücken, als einer seiner Männer rief: „Warte! Schau dir das an!“

McKinnon blinzelte erstaunt und traute seinen Augen nicht. Nicht Angst hatte Casey erstarren lassen – sie hatte auf das aufgeregte Tier eingeredet, und irgendwie war es ihr gelungen, zu ihm durchzudringen. Prince Charming blieb drei Meter vor Casey stehen und trottete jetzt schwanzwedelnd auf sie zu, als wären sie die besten Freunde. Sie streckte dem Pferd die Hand hin, und das Tier kam vorsichtig näher und drückte die Schnauze in ihre Handfläche.

McKinnon ließ das Gewehr fassungslos sinken. Genau wie er hielten auch alle anderen Männer auf dem Hof den Atem an und beobachteten die Szene ungläubig. Dann, als Casey sicher war, das Vertrauen des Pferdes gewonnen zu haben, nahm sie die Zügel und führte den Hengst zurück, um ihn festzubinden.

„Unfassbar. Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben“, hörte McKinnon einen seiner Männer hinter sich flüstern.

„Schaut euch das an“, sagte ein anderer Mann entgeistert. „Prince Charming frisst der Frau praktisch aus der Hand, statt sie ihr abzubeißen. Wer zum Teufel ist das?“

McKinnon gab das Gewehr seinem Vorarbeiter Norris Lane zurück und schüttelte den Kopf. Er hatte die erstaunten Kommentare der Männer gehört. Er hätte es auch nicht geglaubt, wenn er es nicht selbst gesehen hätte. „Das ist Corey Westmorelands Tochter“, erklärte er grimmig.

„Coreys Tochter?“

„Ja“, bestätigte McKinnon, während er Casey zusah, wie sie das Tier festband und ihm dann etwas ins Ohr flüsterte, bevor sie sich umdrehte und wegging.

Was seine Männer miteinander tuschelten, bekam McKinnon nicht mehr mit, als er auf Casey zuging. Sein Herz klopfte noch immer heftig, da er sich von dem Schock, den Hengst auf Casey zurasen zu sehen, noch nicht erholt hatte.

Verdammt! Dieser Moment hatte ihn bestimmt zehn Jahre seines Lebens gekostet.

Als er bei ihr war, blieb Casey nicht stehen, sondern warf ihm lediglich einen wütenden Blick zu und marschierte trotzig an ihm vorbei.

McKinnon erstarrte und drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um Casey zuzusehen, wie sie die Wagentür öffnete, einstieg und wegfuhr. Leise fluchend sah er ihr hinterher.

2. KAPITEL

Früh am nächsten Morgen saß McKinnon am Küchentisch und trank seinen Kaffee, als Norris hereinkam. Ein Blick auf die Miene seines Vorarbeiters verriet McKinnon, dass dieser keine guten Neuigkeiten für ihn hatte.

„Hallo, Norris.“

„Morgen, McKinnon. Beckman ist weg. Er ist anscheinend irgendwann heute Nacht verschwunden und hat nur einen Zettel auf seinem Bett hinterlassen, dass der Vorfall gestern das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Nach dieser kleinen Episode mit Prince Charming hatte er wohl keine Lust mehr zu warten, bis du einen Ersatz für ihn findest.“

McKinnon fluchte leise. Das waren Neuigkeiten, auf die er gern verzichtet hätte. Gale Beckman war mit guten Referenzen aus Wyoming gekommen, und McKinnon hatte ihn eingestellt, damit er Prince Charming trainierte. Anscheinend hatte Beckman beschlossen, dass er in dem Hengst seinen Meister gefunden hatte. Gestern war das Pferd ja auch in einer überaus schlechten Form gewesen, aber als Pferdetrainer musste man die Tiere nun mal nehmen, wie sie waren.

„Wo willst du denn jetzt noch einen anderen Trainer finden?“

Norris’ Frage riss McKinnon aus seinen Gedanken. Seit er und sein Freund Durango Westmoreland vor einigen Jahren damit begonnen hatten, Pferde zu züchten, kümmerte McKinnon sich um die Pferde, während Durango, der noch als Ranger im Yellowstone Park beschäftigt war, die Buchhaltung erledigte.

Als Scheich Jamal Ari Yasir, der mit Durangos Cousine Delaney verheiratet war, vor einigen Monaten gefragt hatte, ob sie Prince Charming auf die Rennen im Herbst vorbereiten könnten, hatten sie begeistert zugestimmt. Sie hatten darauf gehofft, auf diese Art ihr Geschäft ausweiten und von den Kontakten des Scheichs profitieren zu können.

Im Moment sah es allerdings nicht so gut aus, da sie bisher noch keinen sichtbaren Fortschritt beim Bändigen des Hengstes gemacht hatten, und allmählich lief ihnen die Zeit davon.

McKinnon seufzte. „Ich denke, als Erstes muss ich noch mal herumtelefonieren“, meinte er dann.

„Was ist mit Coreys Tochter?“

McKinnon zuckte zusammen und stand auf. „Was soll mit ihr sein?“

„Na ja, du hast doch gesehen, wie sie gestern mit Prince Charming umgegangen ist. Das verflixte Tier hat ihr im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand gefressen. Meinst du, sie wäre an dem Job interessiert?“

McKinnon entschied, dass dies nicht der geeignete Zeitpunkt war, um Norris zu erzählen, dass Casey tatsächlich an dem Job interessiert war – und genau aus diesem Grund auf der Ranch gewesen war. Stattdessen sagte er: „Es spielt keine Rolle, ob sie interessiert ist. Du kennst meinen Standpunkt, was Frauen auf dieser Ranch betrifft.“

Norris starrte ihn einen Moment lang an, bevor er den Kopf schüttelte. „Es ist jetzt sechs Jahre her, McKinnon. Wie lange wird es noch dauern, bis du vergessen hast, was Lynette dir angetan hat?“

McKinnon holte tief Luft. „Das habe ich bereits.“

Norris war einer der wenigen, der die ganze Geschichte mit Lynette kannte. Er war an jenem Abend dabei gewesen, als sie nach einem harten Arbeitstag auf die Ranch zurückgekehrt waren und feststellten, dass Lynette ihre Koffer gepackt hatte und abgereist war. Sie hatte lediglich eine kurze Notiz hinterlassen, in der sie erklärt hatte, warum sie gegangen war.

McKinnons barsche Antwort hätte den sechzigjährigen Norris warnen sollen, dass dies ein heikles Thema war, doch Norris, der McKinnon seit seiner Geburt kannte, blieb hartnäckig. „Dann handle dementsprechend, mein Junge. Verhalte dich auch so, als hättest du die Sache überwunden.“

McKinnon fluchte. „Erwartest du tatsächlich von mir, dass ich Coreys Tochter hier bei mir arbeiten und auf der Ranch leben lasse? Du hast sie gestern gesehen. Sie ist winzig. Okay, sie konnte mit Prince Charming umgehen, aber was ist mit den anderen, die vielleicht noch kommen? Manche sind doppelt so hinterhältig. Außerdem möchte ich einen Trainer, der langfristig hierbleibt.“

„Ich habe gehört, dass sie in die Stadt zieht, um in der Nähe ihres Vaters zu sein. Das hört sich für mich langfristig an.“

McKinnon kniff die Augen zusammen. Offensichtlich hatte sich Norris nach Caseys beeindruckender Vorstellung prompt bei den richtigen Leuten erkundigt. Abrupt marschierte er zum Fenster und schaute hinaus. Er hatte in der letzten Nacht kaum Schlaf bekommen, da er immer wieder das Bild von Casey vor Augen gehabt hatte, wie sie wie angewurzelt dagestanden hatte, während der Hengst auf sie zugestürmt war. Nie zuvor hatte er sich so hilflos gefühlt. Selbst jetzt noch graute ihm bei dem Gedanken, was das Pferd ihr hätte antun können.

„Es ist natürlich deine Entscheidung, aber ich denke, es wäre unter den gegebenen Umständen das Beste, wenn du sie einstellst“, meinte Norris. „Selbst wenn es nur darum geht, Prince Charming zu trainieren. Der Scheich erwartet, dass das verflixte Tier in weniger als zwei Monaten so weit ist, dass es die Rennen bestreiten kann. Und meiner Ansicht nach ist Coreys Tochter unsere letzte Hoffnung.“

McKinnon drehte sich um und bedachte Norris mit einem bösen Blick. „Es muss einen anderen Weg geben“, erklärte er entschieden.

„Dann hoffe ich, dass du ihn findest“, erwiderte Norris, bevor er die Küche verließ.

McKinnon fand keinen anderen Weg.

Und aus diesem Grund ritt er einige Stunden später zu Coreys Ranch. Als er das großzügig angelegte Haus der Westmorelands inmitten der Pinien stehen sah, dachte er an all die vielen herrlichen Sommer seiner Kindheit, die er hier mit Coreys Neffen verbracht hatte. Damals war er noch ein unbekümmerter Junge gewesen und hatte sich nur vor den Brombeeren hüten müssen, auf die er allergisch war.

Heutzutage war das Leben um einiges komplizierter. Er hatte sowohl eine Ranch als auch einen Zuchtbetrieb, um den er sich kümmern musste, und jetzt sah es so aus, als würde genau die Frau, die er lieber auf Distanz gehalten hätte, ständig in seiner unmittelbaren Nähe sein – vorausgesetzt, sie nahm sein Jobangebot an.

Das war die große Frage. So wie er und Casey gestern gestritten hatten, war es höchst fraglich, ob sie jetzt noch für ihn arbeiten würde. Aber all seine Kontakte hatten ihm nicht weitergeholfen, und jetzt blieb ihm nur noch, zu Kreuze zu kriechen und Casey die Stelle anzubieten.

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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