Ich will dich wieder spüren

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Lange Beine, sinnliche Lippen und dieser Blick … Als Shelly sein Büro betritt, erwacht in Dare Westmoreland sofort wieder das Verlangen. Wie damals will er sie spüren, sie zur Ekstase bringen! Da erfährt er, was sie ihm verschwiegen hat…


  • Erscheinungstag 10.08.2015
  • Bandnummer 2
  • ISBN / Artikelnummer 9783733742089
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Shelly Brockman stand im Wohnzimmer des Hauses, in dem sie ihre Kindheit verbracht hatte, und starrte vor sich hin. Ich muss es ihm sagen, dachte sie. Schon viel zu lange habe ich es aufgeschoben. Dare Westmoreland wusste nicht, dass er einen Sohn hatte, doch dieser Sohn brauchte ihn jetzt.

Die letzten Umzugskartons waren hereingebracht worden, und nun musste sie auspacken. Trotz allem, was ihr nun bevorstand, war sie froh, wieder an dem Ort zu sein, mit dem sie so viele schöne Erinnerungen verband.

Ihre Gedanken wurden vom Knallen einer Tür unterbrochen. Shelly drehte sich um und sah ihren Sohn vor sich stehen, das Gesicht wütend verzogen.

„Ich hasse dieses Kaff, das weiß ich jetzt schon!“, schrie er aus vollem Hals. „Ich will zurück nach Los Angeles! Egal was du sagst, das hier wird nie mein Zuhause sein!“

Seine Worte versetzten ihr einen Stich. Sie beobachtete, wie er die Tasche mit seinen Habseligkeiten auf den Boden schleuderte und die Treppe hinaufrannte. Anstatt ihn zurückzuhalten, schloss sie die Augen und rief sich ins Gedächtnis, wieso sie aus Kalifornien nach Georgia gezogen war. Auch wenn es AJ im Moment todunglücklich machte, war dieser Umzug das Beste für ihn.

Im vergangenen Jahr hatten seine schulischen Leistungen stark nachgelassen, und er war immer häufiger mit den falschen Leuten zusammen gewesen. Aufgrund seiner Größe wirkte er deutlich reifer als ein Zehnjähriger und hatte sich an der Schule einer Gruppe älterer Jungen angeschlossen, die allseits berüchtigt waren, weil sie ständig Ärger machten.

Shellys Eltern, die mittlerweile seit einigen Jahren in Florida lebten, hatten ihrer Tochter angeboten, mietfrei in ihrem Haus zu wohnen. Dieses Angebot hatte Shelly zu drei der schwersten Entscheidungen ihres Lebens geführt.

Erstens war sie zurück nach College Park in Georgia gezogen, zweitens arbeitete sie nicht mehr als Krankenschwester in einem Krankenhaus, sondern bei einem mobilen Pflegedienst, und drittens hatte sie sich entschlossen, Dare Westmoreland wissen zu lassen, dass er einen Sohn hatte.

Sie konnte nur hoffen, er würde verstehen, dass sie ihn damals zu sehr geliebt hatte, um sich ihm und seinem Traum von einer Karriere beim FBI in den Weg zu stellen. Ihr selbstloser Entschluss von damals hatte dazu geführt, dass AJ seinen Vater nie kennengelernt hatte. Genauso wenig hatte Dare von seinem Sohn erfahren.

Sie hob AJs Tasche auf. Natürlich war er wütend, weil er seine Freunde zurücklassen musste, um mit ihr ins Nirgendwo zu ziehen, aber der Zorn des Jungen war im Moment Shellys kleinste Sorge.

Seufzend rieb sie sich die Stirn. Sie konnte das Gespräch mit Dare nicht ewig aufschieben. Vermutlich würde er bald erfahren, dass sie wieder in der Stadt war, und sobald er sich AJ genau ansah, würde er die Wahrheit erkennen. Das Geheimnis, das sie jetzt zehn Jahre lang gehütet hatte, wäre dann offenbart.

Tief im Herzen wusste sie, dass es Zeit war.

1. KAPITEL

Zwei Wochen später – Anfang September

Sheriff Dare Westmoreland beugte sich auf dem Stuhl hinter seinem Schreibtisch nach vorn. Der Junge vor ihm war verschlossen und mürrisch. „Hör mal, Kleiner, ich frage dich jetzt das letzte Mal: Wie heißt du?“

Sein Gegenüber verschränkte die Arme vor der Brust und wagte es tatsächlich, seinen durchdringenden Blick zu erwidern.

„Ich hab’s schon gesagt, ich mag keine Cops. Von mir erfahren Sie weder meinen Namen noch sonst was. Wenn Ihnen das nicht passt, dann sperren Sie mich doch ein.“

Dare richtete sich auf. Er war jetzt sechsunddreißig und mit seinen eins fünfundneunzig eine imposante Erscheinung. Langsam trat er hinter dem Schreibtisch hervor und musterte den Jungen.

Er hatte ihn dabei erwischt, wie er am Highway Kieselsteine auf vorbeifahrende Autos warf, und schätzte ihn auf zwölf oder dreizehn Jahre. Es war lange her, dass er sich von einem Bengel solche Frechheiten hatte bieten lassen müssen.

Kein Kind aus dem Ort würde so etwas wagen, also war dieser Junge erst seit Kurzem in der Stadt.

„Den Wunsch kann ich dir erfüllen. Da du mir verschweigst, wer du bist, nehme ich dich jetzt offiziell in Polizeigewahrsam, bis jemand kommt und dich abholt. Während du darauf wartest, darfst du dich nützlich machen. Zuerst wirst du das Bad im ersten Stock wischen. Komm mit.“

Dare ging voraus und schüttelte den Kopf. Die Eltern dieses Jungen waren nicht zu beneiden.

Kaum hatte sie vor dem Büro des Sheriffs abgebremst, stieg Shelly schon aus dem Wagen. Nachdem sie erfahren hatte, dass AJ an diesem Tag nicht in der Schule gewesen war, fuhr sie sofort nach Hause, nur um festzustellen, dass er auch nicht dort war.

Als es immer später geworden war, hatte sie sich große Sorgen gemacht und schließlich bei der Polizei angerufen. Sobald sie dort eine Beschreibung ihres Sohnes abgegeben hatte, war ihr mitgeteilt worden, der Junge befinde sich in Polizeigewahrsam. Man hatte sie allerdings nicht kontaktieren können, weil er sich weigerte, seine Personalien anzugeben. Ohne weitere Details zu erfragen, hatte sie sich ins Auto gesetzt und war losgefahren.

Seufzend stieß sie die Luft aus. Wenn AJ seinen Namen nicht genannt hatte, wusste Dare auch noch nicht, dass sie seine Mutter war. Im Moment war das ein beruhigender Gedanke.

Sie schob die Tür zur Polizeiwache auf und war sich bewusst, dass sie Dare Westmoreland gleich gegenübertreten musste. Anscheinend sorgte das Schicksal dafür, dass sie dieses Treffen nicht länger aufschob.

„Sheriff, die Mutter von unserem John Doe ist da.“

Dare sah von seinen Unterlagen hoch und erwiderte den Blick der Sekretärin. „Nur ein Elternteil, Holly?“

„Ja, nur die Mutter. Sie trägt keinen Ehering, also vermute ich, dass es keinen Vater gibt. Zumindest nicht in der näheren Umgebung.“

Dare nickte. „Und was treibt der Junge gerade?“

„Er sieht Deputy McKade zu. Der putzt draußen sein Dienstmotorrad.“

„Okay. Schicken Sie die Frau rein. Ich muss unbedingt mit ihr reden. Ihr Sohn braucht deutlich mehr Disziplin.“

Nachdenklich trat Dare ans Fenster und sah auf den Hof hinunter, wo der Junge seinen Deputy beim Polieren des Motorrads beobachtete. Er atmete tief durch. Irgendetwas an dem Bengel kam ihm seltsam bekannt vor. Vielleicht erinnerte er ihn an sich selbst und an seine vier Brüder, als sie alle noch jünger gewesen waren.

Leicht hatten sie fünf es ihren Eltern auch nicht gemacht. Sie waren oft stur und bockig gewesen, hatten gewisse Grenzen aber nie überschritten und waren klug genug gewesen, im entscheidenden Moment den Mund zu halten.

Der Junge musste noch eine Menge lernen.

„Sheriff Westmoreland, das ist Mrs Rochelle Brockman.“

Dare fuhr herum. Dort stand die Frau, die er früher mehr als alles andere geliebt hatte. Ihm stockte der Atem. Schlagartig war er angespannt. Sein Mund war staubtrocken und Erinnerungen überfluteten ihn.

Noch sehr deutlich hatte er das erste Mal vor Augen, als sie sich begegnet waren. Der erste Kuss, der erste Sex, all das kehrte ihm ins Gedächtnis zurück.

Er musste an ihr letztes Treffen denken.

Unwillkürlich ließ er den Blick über ihren Körper gleiten. Heißes Verlangen durchschoss ihn. Zum Glück stand er hinter seinem Schreibtisch, sodass er von der Hüfte abwärts verdeckt war. Sonst hätten die beiden Frauen deutlich sehen können, wie erregt er war.

Shellys dunkelbraunes Haar war kürzer als früher. Sie trug einen modischen Haarschnitt, der ihren Teint und ihre braunen Augen zur Geltung brachte.

Sie war sehr geschmackvoll gekleidet, stilvoll und gleichzeitig lässig und sehr feminin. Ihre Beine hielt er immer noch für die fantastischsten auf der ganzen Welt. Wie oft hatte sie diese Schenkel um ihn gelegt, während ihre Körper praktisch miteinander verschmolzen waren?

Fast hätte er aufgeseufzt. Mit dreiunddreißig war Shelly noch schöner, als er sie in Erinnerung hatte. Sie war weibliche Eleganz in Perfektion.

Das erste Mal hatten sie sich getroffen, da ging sie auf die Highschool, sie war sechzehn und er neunzehn und ein Collegestudent. Bei einem Besuch zu Hause – er wollte seinem Bruder Stone bei einem Schulprojekt helfen – betrat er exakt zu dem Zeitpunkt das Zimmer, als Shelly sich zu Stone beugte, um ihm irgendeine Formel zu erklären.

Ihre langen Beine in Shorts waren das Erotischste, was Dare jemals gesehen hatte. Bei so einem Anblick wurde jeder Mann scharf.

Dann hatte sie aufgesehen, bemerkt, dass er sie anstarrte, und gelächelt. In dem Augenblick war es um ihn geschehen.

Von der ersten Sekunde an waren sie beide heiß aufeinander, und er hatte sich kaum noch auf etwas anderes konzentrieren können, so überwältigend war das Verlangen. Er vergewisserte sich, dass Stone keinerlei Absichten bei ihr hatte, und begann, mit ihr zu flirten. Das hatte er keinen Moment lang bereut.

Einige Monate später gingen sie miteinander und waren sechs Jahre ein Paar. Dann hatte er den Fehler begangen, die Beziehung zu beenden. Anscheinend war nun der Tag der Abrechnung gekommen.

„Shelly.“

„Dare.“

Die vergangenen Jahre waren wie verflogen. Dare spürte dieselbe Hitze, dasselbe Prickeln wie damals. Plötzlich herrschte Hochspannung im Raum.

Er räusperte sich. „Holly, Sie können Mrs Brockman und mich jetzt allein lassen.“ Mehr brachte er nicht heraus.

Seine Sekretärin blickte erst zu ihm, dann zu Shelly. „Selbstverständlich, Sheriff.“ Sie verließ das Büro.

Sobald die Tür geschlossen war, suchte sein Blick Shellys Mund. Diese süßen, weichen und glutvollen Lippen hatte er nie vergessen. Eines Nachts hatte er es geschafft, dass sie einen Orgasmus hatte, indem er nichts anderes tat, als daran zu knabbern und sie mit der Zungenspitze zu reizen.

Er schluckte, weil es ihn so sehr erregte, im selben Raum wie Shelly zu sein. Im Grunde war es ihm all die Jahre klar gewesen. Sein Verlangen galt Shelly Brockman, damals und auch während ihrer Trennung. Er konnte es kaum glauben, dass sie wieder zurück in College Park war.

Shelly spürte, wie er sie ansah, und kämpfte gegen ihre Empfindungen an. Dare war so umwerfend, dass es ihr schwerfiel. Er hatte immer noch den Blick, der jede Frau verrückt machte, und bei dem es ihr heiß und kalt den Rücken hinabrieselte.

Aus dem jungen Mann, in den sie sich vor all den Jahren verliebt hatte, war ein breitschultriger, muskulöser Kerl geworden. Die feinen Linien in seinen Augenwinkeln und der ausgeprägte Kiefer ließen sein Gesicht kantiger wirken, maskulin und markant. Sie musste ihn einfach anstarren.

Einiges an ihm hatte sich nicht geändert. Die Kontur seiner Lippen faszinierte sie wie eh und je, und wenn er lächelte, zeigten sich sexy Grübchen. Sein Blick aus dunklen Augen war so durchdringend, dass sie schon damals vermutete, er sei in der Lage, ihre Gedanken zu lesen. Wie sonst hätte er immer genau wissen können, wann sie Lust auf Sex hatte, ohne dass sie auch nur ein einziges Wort darüber verlor?

Auf einmal wurde sie nervös und geriet fast in Panik, weil ihr wieder einfiel, wieso sie zurückgekommen war. Im Moment schaffte sie es unmöglich, ihm zu sagen, dass er AJs Vater war. Sie brauchte Zeit, um sich zu sammeln, damit sie klar denken konnte.

„Ich bin wegen meines Sohns hier.“ Selbst in ihren Ohren klang ihre Stimme piepsig.

Dare stieß die Luft aus. Anscheinend passte es ihm nicht, dass sie nicht über die Vergangenheit reden wollte.

„Es ist lange her, Shelly. Wie ist es dir ergangen?“

Er schaffte es nicht, es beiläufig klingen zu lassen.

„Ganz gut. Und dir?“

„Auch gut.“

Sie nickte. „Kann ich jetzt zu meinem Sohn?“

Es machte ihn wütend, dass sie ihr Wiedersehen auf diesen sachlichen Anlass reduzieren wollte, das sah sie deutlich. Sein Blick fiel auf ihre Lippen, genau in dem Moment, als sie mit der Zunge über die Unterlippe strich, und Dare rang nach Luft.

„Willst du denn gar nicht wissen, wieso er hier ist?“, fragte er.

Sie zuckte mit den Schultern. „Wahrscheinlich hat er die Schule geschwänzt, und einer deiner Officers hat ihn aufgegriffen.“

„Nein, so war es nicht. Ich habe ihn selbst erwischt, aber nicht beim Schwänzen, sondern bei etwas viel Ernsterem.“

Erschrocken sah sie ihn an. „Was hat er getan?“

„Er hat am Old National Highway Kieselsteine auf vorbeifahrende Autos geworfen. Weißt du, was passieren kann, wenn ein Fahrer erschrickt und so einem Stein auszuweichen versucht?“

Sie schluckte. „Ja.“ Dafür musste AJ bestraft werden, aber in der Vergangenheit hatte sie bei ihm mit Strafen nie etwas erreicht.

„Das tut mir sehr leid, Dare.“ Was sollte sie sonst sagen? „Wir sind erst vor ein paar Wochen hierhergezogen, und er braucht Zeit, um sich anzupassen.“

Verächtlich stieß Dare die Luft aus. „So wie er sich auf der Fahrt zur Wache aufgeführt hat, braucht er mehr als nur Zeit zum Anpassen. Er muss Respekt und gute Manieren lernen. Wer sind eigentlich seine richtigen Eltern?“

Unwillkürlich richtete sie sich auf. Zugegeben, sie hatte AJ ein bisschen verwöhnt, trotzdem hatte sie alles getan, was sie konnte. Und ausgerechnet Dare kritisierte sie? „Er ist mein Kind.“

„Glaubst du wirklich, dass ich dir das abkaufe? Ich weiß genau, dass du vor zwölf oder dreizehn Jahren kein Kind hattest, Shelly. Bei seiner Geburt musst du aufs College gegangen sein. Zu der Zeit waren wir noch zusammen.“

Ihr Blick war eiskalt. „Er ist mein Sohn. Ich habe ihn vor zehn Jahren zur Welt gebracht. Nur wegen seiner Größe halten ihn alle für älter. Kann ich jetzt zu ihm?“ Sie machte einen Schritt in Richtung Tür, aber Dare hielt sie zurück.

„Heißt das, er wurde geboren, nachdem du von hier weggezogen bist?“

„Genau.“

Er ließ sie los, und sein Gesicht wirkte schlagartig wie versteinert. Sein Blick war schmerzerfüllt.

„Dann hast du ja nicht lange gebraucht, um in Kalifornien einen Ersatz für mich zu finden.“

Seine Worte waren wie eine Ohrfeige für Shelly. „Was spielt es für eine Rolle, was ich getan habe, nachdem ich weg war? Du hattest entschieden, dass dir eine Karriere beim FBI wichtiger war als ich.“

Dare schloss kurz die Augen. Nur zu gut konnte er sich an das erinnern, was er zu ihr gesagt hatte. Diese Worte hatte er oft genug bereut.

Shelly wirkte noch genauso betroffen wie damals. Niemals würde er ihren schmerzerfüllten Blick vergessen, als er ihr sagte, er wolle sich von ihr trennen, um sich ganz auf seine Karriere beim FBI zu konzentrieren.

„Shelly, ich …“

„Lass mich einfach zu meinem Sohn, damit wir nach Hause können.“

Er atmete tief durch. Es war zu spät. Langsam kehrte er hinter seinen Schreibtisch zurück. „Vorher müssen wir noch etwas Papierkram erledigen. Da er sich geweigert hat, uns irgendwelche Auskünfte zu geben, waren uns bisher die Hände gebunden.“

Er konnte sich denken, welche Frage ihr auf der Zunge brannte. „Und nein, dieser Vorfall führt zu keinem Eintrag in seiner Akte. Allerdings halte ich es für eine gute Idee, wenn er diese Woche täglich nach der Schule herkommt und eine Stunde lang Arbeiten erledigt, zumal er gesagt hat, er habe am Nachmittag nie etwas vor. Ich werde ihm ein paar leichte Aufgaben zuteilen, da kann er seine überschüssige Energie loswerden.“

Eindringlich sah er ihr in die Augen. „Sollte so was noch mal passieren, wird er wahrscheinlich zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt, und es könnte zu einer Jugendvorstrafe kommen. Ist das klar, Shelly?“

„Ja, ich verstehe. Danke.“ Erleichtert nickte sie. Sie wusste, dass Dare viel strenger hätte reagieren können. Was AJ getan hatte, war ein ernstes Vergehen.

Anscheinend gewährte das Schicksal ihr doch noch einen Aufschub, bevor sie ihm die Wahrheit sagen musste, denn Dare nahm ein Formular und einen Stift und setzte sich zurück an den Schreibtisch.

„Also: Wie heißt er?“

Sie schluckte. „AJ Brockman.“

„Ich brauche den vollen Namen.“

Das Schicksal war ihr wohl doch nicht so gnädig, wie sie gehofft hatte. Als das Schweigen sich hinzog, blickte Dare auf. Er kannte sie lange genug, um zu erkennen, wenn etwas sie nervös machte, das war das Dumme.

„Wie lautet sein richtiger Name, Shelly?“

Einen Moment wandte sie den Blick ab, dann sah sie ihm in die Augen. Ohne zu blinzeln, sagte sie: „Alisdare Julian Brockman.“

2. KAPITEL

Dare kam es vor, als habe ihm jemand die Luft abgeschnitten. Er umklammerte die Kante des Schreibtisches, trotzdem zitterten seine Hände stärker als ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch.

Alisdare! Bei ihm hatte man es zu Dare abgekürzt.

Wieso sollte Shelly ihren Sohn nach ihm benennen? Es sei denn …

Er sah sie an, erkannte den schuldbewussten Blick und begriff, doch er brauchte die Bestätigung.

Unsicher stand er auf, ging zu ihr hinüber, nahm sie beim Ellbogen und zog sie so dicht an sich, dass er die Iris in ihren dunklen Augen erkennen konnte. „Wie lautet sein Geburtsdatum?“ Allmählich bekam er sich wieder unter Kontrolle.

Sie schluckte, doch nach einem Moment hob sie selbstsicher das Kinn. „25. November.“

Fassungslos zuckte er zusammen. „Im zweiten Monat?“ Es kam tonlos heraus und dennoch eindringlich. „Du warst im zweiten Monat, als wir uns getrennt haben?“

„Ja.“ Sie riss sich von ihm los.

Wie hatte sie ihm das verheimlichen können? Wie konnte sie es wagen! „Ich habe einen Sohn?“

Obwohl Dare offenbar vor Zorn außer sich war, sprach er die Worte so ruhig aus, dass Shelly ihn nur fassungslos ansehen konnte. Lange schwieg sie. Trotz allem, was vorgefallen war, war sie immer stolz darauf gewesen, dass er der Vater ihres Jungen war. Aus diesem Grund war sie auch nach College Park zurückgekehrt. Es war Zeit, dass er am Leben seines Kindes teilhatte. „Ja. Du hast einen Sohn.“

„Aber … aber ich wusste nichts von ihm!“

Er war so wütend, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie es ihm erklären sollte. Zumindest versuchen musste sie es. „Dass ich schwanger war, habe ich am Tag vor meiner Abschlussparty herausgefunden. Eigentlich hatte ich es dir an jenem Abend sagen wollen, aber bevor ich auch nur die Chance dazu hatte, hast du mir vom Anruf des FBI erzählt und davon, wie gern du das Angebot annehmen wolltest. Ich habe dich zu sehr geliebt, um mich dir in den Weg zu stellen, Dare. Wenn ich dir gesagt hätte, dass ich ein Kind erwarte, hätte das alles geändert. Das wollte ich dir nicht antun.“

Seine Miene war wie versteinert. „Und das hast du einfach ganz allein entschieden?“

Sie nickte. „Richtig.“

„Verdammt, woher hast du dir dieses Recht genommen, Shelly?“

Allmählich wurde sie ärgerlich. „Dieses Recht hat mir meine Liebe zu dir gegeben.“

Ohne ein weiteres Wort verließ sie sein Büro.

So wütend war Dare noch nie im Leben gewesen. Wie festgewurzelt stand er da und versuchte zu begreifen, was er gerade erfahren hatte.

Er hatte einen Sohn.

Heftig fuhr er herum und schlug mit der Faust auf die Tischplatte. Zehn Jahre! Seit zehn Jahren verheimlicht sie es mir schon. Zehn ganze Jahre!

Nur langsam begriff er, dass er der Vater des Jungen dort draußen war. Sie hatte ihn Alisdare Julian genannt. Wenigstens das hatte sie getan, aus welchem Grund auch immer. Wenn er es bereits damals erfahren hätte, würde sein Sohn jetzt Westmoreland heißen.

Er trat ans Fenster. Auf einmal sah er AJ mit völlig anderen Augen. Er betrachtete ihn, wie ein Vater es tun würde, und sehnte sich danach, einen Platz im Leben dieses Jungen einzunehmen. Diesen Platz verdiente er. AJs Verhalten zeigte deutlich, dass er den Einfluss eines männlichen Erziehungsberechtigten dringend brauchte. Alisdare Julian Brockman war ein typischer Westmoreland. Er war eigenwillig und unglaublich stur.

Jetzt erkannte Dare auch die typischen Gesichtszüge und wunderte sich, wieso ihm das nicht schon vorher aufgefallen war.

Als der Summer auf seinem Schreibtisch ertönte, wandte er sich um und drückte auf die Annahmetaste. „Ja, Holly?“

„Mrs Brockman möchte gehen, Sir. Sind die Papiere fertig?“

Stirnrunzelnd betrachtete er das zur Hälfte ausgefüllte Formular. „Nein, das sind sie nicht.“

„Was soll ich ihr ausrichten, Sheriff?“

Dare seufzte. Falls Shelly glaubte, sie könnte einfach mit seinem Sohn verschwinden, dann irrte sie sich gewaltig. Zwischen ihnen war noch eine ganze Menge zu klären. „Sagen Sie Mrs Brockman, dass ich ein paar Dinge erledigen muss. Danach möchte ich sie in meinem Büro sprechen. In der Zwischenzeit darf sie nicht zu dem Jungen.“

Nach einer kurzen Pause antwortete Holly: „Ja, Sir.“

Dare griff nach dem Formular mit den Standardfragen, aber was wusste er schon über seinen Sohn? Würde er Shelly jemals verzeihen, dass sie ihm das angetan hatte?

Ihre Eltern hatten sich zur Ruhe gesetzt und waren vor einigen Jahren weggezogen. Danach hatte er keine Möglichkeit mehr gehabt, mit ihr in Verbindung zu treten, außer über Mrs Kate, der Besitzerin von „Kate’s Diner“, die eng mit Shellys Mutter befreundet war. Aber wann immer er sie nach den Brockmans oder Shelly gefragt hatte, hatte Kate nur kühl und ausweichend reagiert.

Ein paar der älteren Einwohner, die seine und Shellys Romanze genau beobachtet hatten, waren sehr enttäuscht darüber gewesen, wie die Beziehung geendet hatte. Selbst Dares Eltern und Geschwister, die allesamt von Shelly begeistert waren, hatten ihn für verrückt erklärt, weil er Schluss mit ihr gemacht hatte.

Dare seufzte und griff zum Telefon. Sein Cousin Jared Westmoreland war der Anwalt in der Familie, und er fand, dass er juristischen Rat dringend nötig hatte.

„Der Sheriff hat noch ein paar Dinge zu erledigen, anschließend möchte er Sie in seinem Büro sprechen.“

Bedrückt sah Shelly die Sekretärin an. „Kann ich zu meinem Sohn?“

Holly schüttelte den Kopf. „Tut mir leid, aber Sie dürfen erst zu ihm, wenn der Sheriff alle Unterlagen beisammenhat.“

Holly ging wieder, und Shelly grübelte darüber, was da eben in Dares Büro geschehen war. So hatte sie es sich nicht vorgestellt, ihm die Wahrheit über AJ zu sagen. Sie wollte nur noch weg und fragte sich, ob er ihr jemals verzeihen würde. Damals hatte sie es für das Beste gehalten zu schweigen.

„Mrs Brockman?“

Shelly sah hoch. Vor ihr stand ein Mann in Uniform, etwa Mitte zwanzig. „Ja?“

„Ich bin Deputy Rick McKade. Der Sheriff möchte Sie jetzt sprechen.“

Obwohl sie eigentlich nicht bereit für eine weitere Unterhaltung mit ihm war, stand sie auf. „In Ordnung.“

Dare saß hinter seinem Schreibtisch und hielt den Kopf gesenkt, weil er gerade etwas schrieb. Sobald er den Blick hob, erkannte sie, wie wütend und aufgebracht er war.

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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