Heiße Sehnsucht - kalte Lügen

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Als Kalina den Ballsaal betritt, stockt Micah der Atem: Diese erotische Frau war seine Geliebte - bis sie ihn wegen der infamen Lügen ihres Vaters über Micah verließ. Jetzt will Micah Kalina und vor allem ihr Vertrauen wiedergewinnen …


  • Erscheinungstag 21.12.2015
  • Bandnummer 21
  • ISBN / Artikelnummer 9783733743888
  • Seitenanzahl 160
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Micah Westmoreland warf einen schnellen Blick auf das andere Ende des Ballsaales, wo gerade eine Frau hereinkam, deren Anblick sein Herz höherschlagen ließ. Kalina Daniels war aber auch eine ausgesprochene Schönheit und hatte selbst aus der Entfernung eine spürbar sinnliche Ausstrahlung. Ein kurzes Lächeln, dann trank er einen Schluck Champagner.

Er musste sie haben! Aber da er Kalina nur zu gut kannte, wusste er, wie sehr sie ihn verachtete. Sie hatte ihm immer noch nicht verziehen, was vor zwei Jahren geschehen war. Was sie damals auseinandergebracht hatte. Es würde an ein Wunder grenzen, wenn sie ihn wieder in ihre Nähe ließe. Doch Micah glaubte nicht an Wunder.

Er atmete tief durch und hätte schwören können, ihren unverwechselbaren Duft wahrzunehmen, den er nie vergessen würde. Genauso wenig wie die Zeit, die sie gemeinsam in Australien verbracht hatten. Noch jetzt spürte er ihren warmen Atem, wenn sie sich umwandte, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern. Und dann ihr Mund …

„Hast du deine Lektion denn immer noch nicht gelernt, Micah?“

Micah zog die Brauen zusammen und warf seinem besten Freund Beau Smallwood, der neben ihm stand, einen düsteren Blick zu. Offenbar hatte auch er Kalina entdeckt und Micahs Reaktion bemerkt. Er kannte die Geschichte der beiden nur zu gut.

Wieder trank Micah einen Schluck Champagner. „Warum? Hätte ich sollen?“

„Allerdings. Darf ich dich daran erinnern, dass ich dabei war, als Kalina mit dir Schluss gemacht hat? Als sie sagte, du sollest zum Teufel gehen und sie ab sofort in Ruhe lassen?“

Ja, Micah erinnerte sich nur zu gut an diesen Abend. Kalina hatte etwas mitbekommen, das sie für die Wahrheit hielt. Daraufhin hatte sie ihn abserviert – und das gleich in mehreren Sprachen. Auch wenn er das meiste nicht verstanden hatte, wusste er genau, was sie damit sagen wollte.

Sie wollte ihn nie mehr wiedersehen. Das wäre selbst einem Tauben klar gewesen.

„Ich habe nichts vergessen, glaub mir.“ Was sie wohl sagen würde, wenn sie ihn hier so plötzlich sah? Hatte sie wirklich geglaubt, dass er nicht käme? Schließlich wurden heute alle Mediziner geehrt, die für die Regierung arbeiteten. Und weil sie beide in staatlichen Instituten für Seuchenkontrolle arbeiteten, waren sie natürlich beide eingeladen worden.

Da er Kalina ziemlich genau kannte, vermutete er, dass sie nicht damit gerechnet hatte, ihn hier anzutreffen. Sie dachte vermutlich, dass er die Begegnung scheute. Schließlich hatte sie Wort für Wort geglaubt, was ihr Vater über ihn erzählt hatte, und hatte deshalb eine sehr schlechte Meinung von ihm.

Anfangs war er wütend gewesen, dass sie ihm so etwas zutraute, aber dann hatte er resigniert. Denn wenn er die Umstände bedachte und das Geschick ihres Vaters, sie und ihn gegeneinander auszuspielen, hatte Kalina dem Vater einfach glauben müssen.

Sosehr Micah auch bedauerte, dass sie ihn nicht besser eingeschätzt hatte, musste er sich in diesem Punkt selbst die Schuld geben. Von Anfang an hatte er ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er an einer ernsthaften Beziehung nicht interessiert war. So hatte er es bisher mit allen seinen Freundinnen gehalten.

Und da Kalina sich wie er ganz auf ihre berufliche Karriere konzentrierte, schien sie damit völlig einverstanden zu sein. Zu der Zeit hätte er nie gedacht, dass sie ihm einmal so wichtig werden würde, und auch jetzt konnte er es kaum fassen.

Als ihm klar wurde, dass Kalina mehr für ihn war als eine Geliebte, mit der man eine Weile lang Spaß hatte, war es bereits zu spät.

Diese Erkenntnis hatte ihn vollkommen unvorbereitet getroffen, und so war er nicht in der Lage gewesen, den Lügen von Kalinas Vater etwas entgegenzusetzen.

„Bisher hat sie dich noch nicht entdeckt“, meinte Beau und nahm sich ein Glas Champagner von dem Tablett eines vorbeigehenden Kellners. „Ehrlich gesagt möchte ich auch nicht dabei sein, wenn das geschieht. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie wütend sie auf dich war. Also entschuldige mich bitte …“ Mit einem verlegenen Lächeln entfernte er sich.

Beau hatte ja recht. Leise seufzte Micah auf, dann hob er den Blick und sah, wie Kalina den Saal durchquerte. Dass er nicht der einzige Mann war, der sie beobachtete, verwunderte ihn nicht. Denn die Art und Weise, wie sie sich bewegte, graziös und doch voller Würde, hoch aufgerichtet und mit freiem Blick, war ungewöhnlich.

Wie oft hatte er sie dafür bewundert, denn ob sie sich in einem Edelrestaurant in London befand oder in einem Lehmhüttendorf in Südafrika, diese Haltung behielt sie bei.

Schon bei ihrer ersten Begegnung vor genau drei Jahren hatte er diese starke Anziehungskraft gespürt und gewusst, dass daraus eine heiße Beziehung werden würde. Ihr Vater, General Neil Daniels, stellte sie einander während einer Militärveranstaltung in Washington vor. Die Wirkung, die Kalina auf ihn ausübte, ohne es darauf anzulegen, hatte Micah schon damals verblüfft.

Denn sie hatte es ihm nicht leicht gemacht. Im Gegenteil, er hatte den Eindruck, dass sie sich ihm mit Absicht entzog. Damals glaubte er, alles erreichen zu können, was er nur wollte. Aber als er ihr in Sydney wieder begegnete, hätte sie ihm beinahe bewiesen, dass er mit seiner Einschätzung komplett danebenlag.

In Sydney hatten sie miteinander gearbeitet. Es ging darum, die Verbreitung eines tödlichen Virus zu verhindern. Die Arbeit interessierte ihn sehr, und er hatte keinerlei Absichten, sich auf eine feste Beziehung einzulassen oder gar eine Familie zu gründen. Auch wenn er in dem Punkt nicht ganz so schlimm war wie einige seiner Brüder und Cousins, hatte er doch immer irgendwelche Freundinnen gehabt.

Allerdings fanden die Beziehungen meist schnell ein Ende, wenn die Frauen feststellten, dass er nicht heiraten wollte. Und das war ihm nur recht, denn er wollte reisen und die Welt kennenlernen. Er hatte einen großen Besitz in Denver, auf den er sich zurückziehen wollte, wenn er nicht mehr arbeitete. Aber so weit war er noch lange nicht. Seine Arbeit als Epidemiologe faszinierte ihn sehr.

Während der zwei Monate mit Kalina hatte er jedoch tatsächlich häufiger mit dem Gedanken gespielt, sich mit ihr nach Denver zurückzuziehen und das gemeinschaftliche Leben zu genießen. Früher hätten ihn solche Gedanken zu Tode erschreckt, aber mit Kalina war alles anders. Eine Frau wie sie würde jeden Mann dazu bringen, sein unstetes Leben von einst aufzugeben, um nur noch mit ihr zusammen zu sein.

Als er dann ihre Verwandten kennenlernte, war ihm sofort klar, dass der Vater über das Leben der Familie bestimmte. Und es war offensichtlich, dass Kalina sich dagegen wehrte. Sie sehnte sich nach Unabhängigkeit und war entschlossen, dafür zu kämpfen, mochte es ihrem Vater gefallen oder nicht.

Das konnte Micah irgendwie verstehen. Schließlich kam er selbst aus einer großen Familie. Zwar hatte er keine Schwestern, aber dafür drei jüngere Cousinen.

Bei Megan und Gemma war noch alles normal gelaufen. Sie machten keine Schwierigkeiten. Aber Bailey, die Jüngste im Westmoreland-Clan, hatte sich immer sehr nach ihren beiden Brüdern, den Zwillingen Aidan und Adrian, gerichtet. Und sich leider auch noch Micahs jüngsten Bruder Bane zum Vorbild genommen.

Als Teenager hatten die vier jede Menge Unsinn gemacht, was viele Leute in der Nachbarschaft ziemlich aufgebracht hatte.

Doch das war Jahre her. Inzwischen waren die Zwillinge und Bailey auf dem College. Bane hatte eine Militärakademie besucht und wollte zu den Navy Seals.

Und Kalina … Sie hatte es immer gehasst, dass ihr Vater alle Schwierigkeiten für sie aus dem Weg räumen wollte. Allerdings konnte Micah auch den Vater verstehen, der seiner Tochter das Leben so einfach wie möglich machen und sie damit nur beschützen wollte.

Aber was er getan hatte, ging einfach zu weit. So hatte er versucht, Micah zu überreden, Kalina von ihrer Reise nach China abzubringen. Micah ließ sich zwar nicht darauf ein, aber Kalina glaubte dennoch, ihr Vater habe Micah auf sie angesetzt.

Die Realität hingegen sah ganz anders aus. Sie hatten sich von Anfang an zueinander hingezogen gefühlt, und Micah konnte einfach nicht verstehen, warum Kalina glaubte, er habe unlautere Motive, als er etwas mit ihr anfing.

Kalina war intelligent, humorvoll und schön. Ihre Augen waren bernsteinfarben, ihre Haut leuchtete wie Honig. Im Licht der großen Kronleuchter schimmerte ihr schulterlanges braunes Haar wie Seide. Jeder Mann, der sie so sah, musste sie begehren.

Micah nahm noch einen Schluck Champagner und sah sich dabei im Saal um. Kalina erregte großes Aufsehen, das war mehr als deutlich. Sie war aber auch mindestens so schön wie bei ihrem letzten Date, das stattfand, nachdem sie in die USA zurückgekehrt waren.

Es war hier in Washington gewesen, hier hatte sie mit ihm Schluss gemacht. Bis heute hatte Micah ihrem Vater nicht vergeben, dass der die Tatsachen verdreht und ihn damit hereingelegt hatte.

Entschlossen leerte er sein Glas. Es wurde Zeit, sich der Situation zu stellen. Und er konnte nur hoffen, dass er der Begegnung gewachsen war.

Micah ist hier.

Kalinas freundliches Lächeln gefror, und es überlief sie siedend heiß. Sofort spürte sie wieder dieses Verlangen, das sie immer überfiel, wenn er in der Nähe war. Sie konnte nichts dagegen tun. Dass er nach all der Zeit immer noch eine solche Wirkung auf sie hatte, ärgerte sie gewaltig.

Kaum zu glauben, dass die Trennung erst zwei Jahre her war. Erst vor zwei Jahren hatte sie herausgefunden, dass alles eine Lüge war. Ihr Vater hatte die Hand im Spiel gehabt und Micah auf sie angesetzt, damit sie nicht nach Peking ging. Das tat weh, ganz fürchterlich weh und hatte sie nur in ihrer Überzeugung bestärkt, dass Männern nicht zu trauen war, ihrem Vater nicht, Micah nicht und überhaupt keinem Mann.

Ganz besonders nicht dem, der ihr jetzt gegenüberstand und ihr episch von seinen Abenteuern im Nahen Osten erzählte. Wenn Major Brian Rose meinte, sie damit beeindrucken zu können, war er total auf dem Holzweg. Als Tochter eines Generals war sie überall in der Welt herumgekommen, denn die Familie reiste stets mit dem Vater.

Aber immerhin sah Major Rose gut aus, besonders in seiner Ausgehuniform, und so nahm sie sich zusammen und heuchelte Interesse.

Ihr war jedoch stets bewusst, dass Micah sehr viel besser aussah als dieser Rose. Wahrscheinlich hatten alle anwesenden Damen den Atem angehalten, als er den Saal betrat. Kein Mann, egal ob mit oder ohne Kleidung, konnte ihm das Wasser reichen, davon war sie fest überzeugt. Unwillkürlich musste sie an ihre erste Begegnung vor drei Jahren denken. Das war auch in Washington gewesen.

Ihr Vater war damals als Ehrengast eingeladen, und auch Kalina hatte allen Grund gesehen zu feiern. Sie hatte das Medizinstudium beendet und einen Job als Assistentin in einem staatlichen Forschungszentrum angenommen, in dem Infektionskrankheiten und ihre Verbreitung analysiert wurden.

Schon sehr bald hatte sie von dem fantastisch aussehenden Dr Micah Westmoreland gehört, der in Harvard studiert hatte und das Team leiten sollte. Aber auf das, was ihr dann geschah, war sie nicht vorbereitet gewesen.

Als ihr Vater sie vorstellte, hatte sie diesen Dr Westmoreland anfangs nur sprachlos angestarrt. Doch dann nahm sie sich mit letzter Kraft zusammen und setzte ein höfliches Lächeln auf. Er begrüßte sie mit seiner weichen dunklen Stimme, die so unendlich sexy und erotisch war. In diesem Moment wusste sie, dass es um sie geschehen war.

Und als er ihr dann die Hand reichte, war das für sie die sinnlichste Geste, die sie jemals erfahren hatte. Allein die Berührung löste etwas in ihr aus, was sie beinahe erschreckte. Erregung, sexuelles Verlangen.

Sie hatte schnell den Kopf gesenkt, damit er nicht sah, wie rot sie wurde. Es war ihr wahnsinnig peinlich gewesen, das wusste sie noch heute, so extrem auf einen harmlosen Händedruck zu reagieren.

„Und wo wird Ihr nächster Auftrag Sie hinführen, Dr Daniels?“

Hastig fuhr sie aus ihren Gedanken auf und sah den Major verwirrt an. Doch dann zog sie kurz die Brauen zusammen. Sein Tonfall! Machte er sich etwa über sie lustig?

Die Gerüchte, eigentlich bestimme ihr Vater ihre nächsten Einsatzorte und suche immer ungefährliche aus, kannte sie nur zu gut. Würde sie also, wenn diese Gerüchte stimmten, nie in Gegenden kommen, die für sie beruflich von großem Interesse waren?

Sie hatte sich zweimal darum beworben, in ein seuchengefährdetes Kriegsgebiet zu gehen, war aber beide Male mit fadenscheinigen Begründungen abgelehnt worden. Sie würde woanders gebraucht. Und obgleich ihr Vater heilige Eide schwor, er habe nichts damit zu tun, war sie überzeugt, dass er log.

Nach dem Tod seiner Frau, unter dem er sehr gelitten hatte, war er fest entschlossen, nicht auch noch sein einziges Kind zu verlieren. Wie weit er dabei gehen würde, hatte sie selbst erfahren müssen. Hatte er sie nicht deshalb mit Micah zusammengebracht, weil sie ihren Plan aufgeben sollte, nach Peking zu gehen, wo gerade die Vogelgrippe herrschte?

„Das weiß ich noch nicht. Ich werde ab morgen erst einmal einen Monat aussetzen, dann werden wir weitersehen.“

Major Rose strahlte sie an. „Das trifft sich ja ganz ausgezeichnet. Auch ich habe ab morgen Zeit, kann aber nur zwei Wochen Urlaub nehmen. Haben Sie schon feste Pläne? Vielleicht können wir gemeinsam etwas unternehmen.“

Der Mann verliert wirklich keine Zeit. Also musste sie deutlich werden. Kalina wollte ihm gerade unmissverständlich klarmachen, dass sie nie etwas mit ihm unternehmen würde – selbst wenn ihr Leben davon abhinge –, als Micah ihm über die Schulter schaute und die Stirn runzelte.

Sofort wusste Kalina, warum, und ihr Herz fing wie verrückt an zu schlagen. Als Micah in ihr Gesichtsfeld trat, sah sie nichts und niemanden mehr außer ihm. Und es war wie beim ersten Mal, nur intensiver, weil sie nun wusste, wie es war, in seinen Armen zu liegen …

„Guten Abend, Major Rose“, sagte er mit einem kühlen Lächeln. Die Männer musterten sich abschätzig, dann wandte Micah sich an Kalina, und seine Gesichtszüge wurden weich. „Und wie ist es dir ergangen, Kalina?“

Als ob ihn das wirklich interessierte! Dass er heute Abend hier aufgekreuzt war, wunderte sie nicht. Wohl aber, dass er den Nerv hatte, auf sie zuzugehen und sie direkt anzusprechen. Jeder Mann, der ihr angetan hätte, was er ihr antat, würde sie meiden wie die Pest.

Aber nicht so Dr Micah Westmoreland. Sein Mut grenzte schon an Unverschämtheit, nur dass er sich in diesem Fall etwas zu weit hervorgewagt hatte. Er wusste, dass sie zu gut erzogen war, um ihm jetzt eine Szene zu machen. Außerdem war sie zu stolz und zu diszipliniert.

Bei ihrem letzten Treffen hatte sie ihn einfach stehen gelassen, und sie war auch jetzt entschlossen, ihm eindeutig klarzumachen, dass er der Allerletzte war, mit dem sie Zeit verbringen wollte.

„Danke, gut. Und wenn die Herren mich jetzt bitte entschuldigen würden … Ich bin gerade erst gekommen und möchte zunächst meine Freunde begrüßen.“

Bloß weg! Kalina wusste, dass sie möglichst bald aus Micahs Nähe kommen musste. In dem Smoking sah er einfach atemberaubend aus, was auch die anderen anwesenden Frauen bemerkt hatten, die sich die Köpfe nach ihm verrenkten. Sie selbst hatte weiche Knie und spürte wieder diese verräterische Wärme in sich aufsteigen.

„Das passt gut“, meinte Micah vergnügt und nahm ihren Arm. „Ich möchte selbst ein bisschen durch den Saal schlendern und sehen, wer alles da ist. Außerdem möchte ich etwas mit dir besprechen.“

Am liebsten hätte sie ihm den Arm mit einem Ruck entzogen und ihm zugezischt, dass sie mit ihm nichts zu tun haben wolle. Aber inzwischen hatten sie bereits die Aufmerksamkeit der Umstehenden erregt, von denen sicher einige wussten, was damals zwischen ihnen vorgefallen war.

Der Klatsch blühte, vor allem wenn es um Micah Westmoreland ging. Auch sie hatte schon längst von ihm gehört, bevor er ihr damals vorgestellt worden war. Dabei war er gar nicht der Typ Mann, der ständig Frauen anmachte. Aber auf der „Wunschliste“ vieler Frauen stand er ganz oben …

„Okay, wenn du unbedingt willst.“ Sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, obwohl sie ihm am liebsten in das selbstsicher lächelnde Gesicht geschlagen hätte. Dann wandte sie sich zu Major Rose um und strahlte ihn an. „Entschuldigen Sie mich bitte, aber Dr Westmoreland und ich müssen ein paar Sachen besprechen. Und was meine freie Zeit betrifft, so weiß ich noch nicht, was ich machen werde. Aber ich lasse es Sie wissen. Es wäre sehr nett, wenn wir gemeinsam etwas unternehmen könnten.“ Sie spürte, wie Micahs Griff fester wurde.

Major Rose nickte erfreut. „Sehr gut. Ich warte auf Ihre Nachricht, Kalina.“

Und bevor sie noch antworten konnte, zog Micah sie mit sich fort.

„Glaub bloß nicht, dass du dich mit diesem Major Rose irgendwo treffen wirst“, zischte Micah Kalina ins Ohr, während er sie quer durch den Ballsaal in Richtung eines Ausgangs schob. Die Doppelflügeltür führte in den Garten, und er hoffte, dass sie hier draußen keiner hören konnte. Denn er war ziemlich sicher, dass Kalina ihm eine Standpauke halten würde.

Sie warf ihm einen wütenden Blick zu. „Wenn du dich da nur nicht irrst! Ich kann tun und lassen, was ich will. Du hast keinerlei Besitzansprüche an mich!“

„Diesmal irrst du dich gewaltig. Du gehörst mir, du bist mein. Daran hat sich nichts geändert.“

Inzwischen hatten sie den Rosengarten erreicht, und Micah sah sich kurz um. Sie waren allein. Bei ihrer letzten Begegnung hatte Kalina ihn überhaupt nicht zu Wort kommen lassen, sodass er auf ihre Anklagen und Beleidigungen nicht hatte reagieren können. Das würde diesmal anders ablaufen. Er hatte ihr viel zu sagen und würde darauf bestehen, dass sie ihn bis zum Ende anhörte.

„Es hat sich nichts geändert?“ Sie lachte kurz und trocken auf. „Das kann doch nicht dein Ernst sein. Dass du dich überhaupt in meine Nähe wagst nach all dem, was du mir angetan hast!“

Er grinste leicht. Die zornige und sarkastische Kalina gefiel ihm so viel besser als die höfliche und geschliffene Dame der Gesellschaft, die nie aus der Rolle fiel. Vor allem im Schlafzimmer …

„Was genau habe ich denn getan, Kalina? Ich erinnere mich nur an zwei Monate mit dir, die die schönsten meines Lebens waren.“

Sie funkelte ihn wütend an. „Und das soll ich dir glauben? Hast du wirklich die Frechheit, zu leugnen, dass das Ganze ein abgekartetes Spiel zwischen meinem Vater und dir war? Ihr wolltet mich davon abhalten, nach Peking zu gehen, koste es, was es wolle. In Sydney gab es für mich doch gar nichts zu tun.“

„Ich gebe zu, dass ich ebenso wie dein Vater der Meinung war, dass du auf keinen Fall nach Peking gehen solltest. Aber das bezog sich nicht auf China ganz allgemein.“

Sie machte eine abwehrende Bewegung, und ihm war klar, dass sie an der Wahrheit nicht interessiert war. Auch früher hatte er schon versucht, ihr alles zu erklären, aber sie wollte ihn einfach nicht anhören. „Und es war nicht so, dass man dich in Sydney nicht gebraucht hätte.“

Er sah sie eindringlich an. „Erinnerst du dich nicht mehr, wie hart wir gearbeitet haben, um die Ausbreitung der Vogelgrippe in Australien zu verhindern? Wir waren nicht nur im Bett und hatten Sex, fantastischen Sex übrigens, sondern waren voll im Einsatz. Hast du das alles vergessen?“

Nein, das hatte sie nicht vergessen, er sah es ihr an. Auch wenn sie in den zwei Monaten die Nächte gemeinsam verbracht hatten, die Tage waren wirklich kein Zuckerschlecken gewesen. Auch wenn das außer einigen australischen Regierungsmitgliedern kaum einer bemerkt haben dürfte.

Und egal, wie sie das sah, sie wurde dort sehr gebraucht. Von ihm. Sie hatten gut zusammenarbeiten können und gemeinsam eine sehr ansteckende Krankheit bekämpft. Er hatte davor ein Jahr in Peking verbracht und musste die Stadt verlassen, als seine Zeit abgelaufen war.

Mitzuerleben, wie Menschen, insbesondere Kinder, direkt vor seinen Augen starben, hatte ihn total fertiggemacht. Und dies umso mehr, als er die Nächte durchgearbeitet hatte, um ein Gegenmittel zu finden. Ohne Erfolg.

Auch Kalina wollte damals nach Peking gehen, und er konnte sich genau vorstellen, wie sie vorgegangen wäre. Sie war nicht nur eine ausgezeichnete Wissenschaftlerin, sie stürzte sich auch leidenschaftlich in die Arbeit. Wahrscheinlich hätte sie sich so intensiv um die Kranken gekümmert, dass sie darüber ihre eigene Gesundheit vernachlässigt hätte.

Allein aus diesem Grund hatte er ihrem Vater recht gegeben, der sie von dem Auslandsaufenthalt abhalten wollte. Aber nie hätte er sich deshalb auf eine Affäre mit ihr eingelassen!

Kalina jedoch war fest dieser Meinung und hasste ihn dafür. Und in den letzten zwei Jahren war sie dabei geblieben, auch weil sie sich weigerte, ihm zuzuhören. Offensichtlich hatte sich auch daran nichts geändert.

„Bist du fertig, Micah?“, fragte sie ungeduldig.

„Nein, noch lange nicht. Deshalb sollten wir das lieber auf morgen verschieben. Ich weiß, dass du die nächsten Tage in der Stadt bist. Ich auch. Lass uns gemeinsam zum Lunch gehen. Oder, besser noch, lass uns die Tage nutzen, um einige Missverständnisse zwischen uns zu klären.“

„Um Missverständnisse zwischen uns zu klären? Du bist wohl verrückt geworden!“ Kalina ballte die Fäuste vor Wut. War er ernsthaft der Meinung, dass sie auch nur eine einzige Minute mit ihm verbringen wollte?

Schon jetzt war sie kurz davor, die Fassung zu verlieren. Warum hatte sie nur kein Champagnerglas zur Hand? Sie würde ihm den Inhalt mit Wonne ins Gesicht schleudern!

„Ich glaube, ich muss ein paar Dinge zwischen uns klarstellen, Micah. Du scheinst zu glauben, dass man mit mir alles machen kann. Doch das ist ein fataler Irrtum. Ich brauche dich genauso wenig, wie du mich brauchst. Ich hasse die Art und Weise, in der du und Dad mich manipuliert habt, nur um mir eure Macht zu zeigen. Und ich …“

„Macht? Glaubst du wirklich, dass es mir darum ging? Für was hältst du mich eigentlich?“

Das klang beinahe enttäuscht, doch sie schob den Gedanken schnell beiseite. Micah war ein guter Schauspieler, das war ihr am Ende der zwei Monate besonders deutlich geworden. Sie richtete sich auf und sah ihn kühl an. „Ich halte dich für einen Mann, der genauso ist wie all die anderen Männer, die mein Vater mir aufzwingen will. Er sagt ‚spring!‘, und alle fragen nur: ‚wie hoch?‘“

Sie atmete tief durch. „Ich dachte, du seist anders, aber ich habe mich geirrt. Für dich ist Dad so etwas wie ein Held, eine Legende, und was er sagt, ist das Evangelium. Aber ich bin jetzt siebenundzwanzig und alt genug, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Und weder du noch mein Vater können etwas dagegen tun. Außerdem …“

Weiter kam sie nicht, denn Micah zog sie in die Arme und presste ihr die Lippen auf den Mund. Sie wehrte sich, aber nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann war alles wieder da, die Erinnerung daran, wie gut er roch, wie wohl sie sich in seinen Armen fühlte, wie gut er küsste … Sie konnte ihm einfach nicht widerstehen, und so gab sie nach, schmiegte sich an ihn, schloss die Augen und überließ sich ihrem Verlangen.

Erst jetzt wurde Micah klar, wie sehr er sich in den letzten zwei Jahren nach Kalina gesehnt hatte. Er zog sie an sich und küsste sie voller Leidenschaft. Während sie sich in wilden Anklagen verlor, hatte er plötzlich das dringende Bedürfnis gehabt, ihr den Mund mit einem Kuss zu verschließen.

Und mit diesem Kuss waren auch die Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit wieder da. An die Zeit, bevor Gerüchte und falsche Informationen ihr Glück zerstörten. Waren inzwischen wirklich schon zwei Jahre vergangen? Ihr Mund war ihm so vertraut, als hätten sie sich gestern erst getrennt. Und ihr Körper, den sie an ihn presste … kannte er nicht jede Kurve dieses Körpers genau? Kalinas Reaktion auf seinen Kuss konnte nur bedeuten, dass sie sich genauso danach gesehnt hatte wie er.

Ihre Anschuldigungen ärgerten ihn maßlos, denn sie waren falsch, total falsch. Gerade er würde nie ihrem Vater nach dem Mund reden. Dass sie ihn so einschätzte, zeigte nur, wie wenig sie ihn kannte. Das musste sich dringend ändern. Doch momentan wollte er nur diesen Kuss genießen.

Er zog sie fester an sich, und als sie ihm leise stöhnend entgegenkam, die Lippen für ihn öffnete, konnte er sich nur schwer beherrschen. Sein Körper brannte vor Verlangen. Die drängende Sehnsucht, tief in ihr zu sein, löschte jede vernünftige Überlegung aus. So war es immer gewesen.

Keine Frau außer Kalina konnte allein durch einen Kuss eine solche Reaktion in ihm auslösen.

In den letzten zwei Jahren war er immun gegen sie geworden, zumindest hatte er das geglaubt. Aber nun wusste er es besser. Sowie er sie im Ballsaal erblickt hatte, war die alte Wirkung wieder da. Sie ging ihm unter die Haut, brachte sein Blut in Wallung – es war, als säße sie tief in seiner Seele. Keine andere Frau hatte je solche Gefühle in ihm hervorgerufen.

Sein Herz klopfte wild. Kalina, oh Kalina … Er drückte ihren zierlichen Leib gegen seine Hüften. Sie sollte spüren, wie sehr er sie begehrte, wie verrückt er nach ihr war. Nie hatte er so etwas in den letzten zwei Jahren erlebt.

Zwei lange Jahre … er wollte und musste alles nachholen, was er in dieser Zeit versäumt hatte. Wie konnte sie nur auf die Idee kommen, dass seine Leidenschaft gespielt war? Sie musste doch gemerkt haben, wie sehr er sie wollte, wenn er sie umarmte, küsste und mit ihr schlief?

Er schob ihr die Finger ins Haar. Wie seidig es war! Sie hatte eine andere Frisur, aber es stand ihr gut. Wie es überhaupt sehr wenig gab, was ihm an Kalina Daniels nicht gefiel.

Als er den Kuss wieder vertiefte, war offensichtlich, dass auch sie erregt war, dass sie ihn genauso begehrte wie er sie. Das immerhin konnte sie nicht leugnen. Ihre Wut auf ihn schien dieses Gefühl noch zu verstärken, steigerte ihre Leidenschaft, und Micah wusste nur, dass er sie lieben musste, möglichst sofort.

Doch dann kam ein Paar auf sie zu, und Kalina löste sich schnell aus seinen Armen. Sie sah ihn mit einem Blick an, der ihre ganze Erregung verriet. Also beugte er sich schnell vor und flüsterte ihr zu: „Du irrst dich, was mich betrifft, Kal. Ich habe mich nie nach deinem Vater gerichtet. Ich bin mein eigener Herr. Keiner sagt mir, was ich zu tun habe. Wenn du anderer Meinung bist, kennst du mich wirklich nicht sehr gut.“

Autor

Brenda Jackson
<p>Brenda ist eine eingefleischte Romantikerin, die vor 30 Jahren ihre Sandkastenliebe geheiratet hat und immer noch stolz den Ring trägt, den ihr Freund ihr ansteckte, als sie 15 Jahre alt war. Weil sie sehr früh begann, an die Kraft von Liebe und Romantik zu glauben, verwendet sie ihre ganze Energie...
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