Der Kuss meines besten Freundes

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Kann ein spontaner Kuss ein Fehler sein? Kennas Ehe mit ihrem besten Freund Daniel ist ein reines Spiel, damit er an sein Erbe kommt. Bis er sie zum ersten Mal küsst und ungeahnte Leidenschaft zwischen ihnen erwacht. Plötzlich ist alles anders - zumindest für Kenna …


  • Erscheinungstag 16.12.2019
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728830
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Kenna Scott kam sich schäbig und abgerissen vor, als sie durch die Flure der Hillfield Academy ging – der renommierten privaten Highschool, auf die sie vor drei Wochen gewechselt war. Wegen ihrer guten Noten hatte sie dort ein Stipendium bekommen, doch ihre Secondhand-Uniform, ihre ausgelatschten Schuhe und ihr alter Rucksack outeten sie für ihre Mitschüler auf den ersten Blick als „Sozialfall“.

Sie stammte nämlich aus dem falschen Teil der Stadt, in dem man alles andere als schick wohnte – in ihrem Fall aus den völlig unpassend benannten „Royal Towers“, einem dreistöckigen Wohnblock mit rostigen Balkonen, kaputten Gehwegen und einem Vermieter, der auf dem Parkplatz hinterm Haus Haschisch verkaufte.

Doch noch nicht mal mit zwei Jobs konnte Kennas Mutter ihr und ihrer Schwester Becca etwas anderes bieten. Es war eben nicht leicht, für zwei und bis vor Kurzem sogar für drei Kinder Essen auf den Tisch zu bringen, und das ohne auch nur einen einzigen Penny Unterstützung von den nichtsnutzigen Vätern.

Kenna war daher darauf vorbereitet gewesen, es auf der neuen Schule ebenfalls nicht leicht zu haben, aber sie hatte mehr Schwierigkeiten als gedacht, das hämische Flüstern und die abfälligen Blicke der Mitschüler in Hillfield zu ignorieren. Gott sei Dank machten alle einen großen Bogen um sie. Anscheinend hielten sie Armut irgendwie für ansteckend.

Alle bis auf Daniel Garrett.

Auf ihrer alten Schule waren die Labore den Schülern nach Alphabet zugeteilt worden, doch aus irgendeinem Grund gefiel es Mr. Taylor, sich nicht daran zu halten, sondern zu experimentieren und auszuprobieren, wie zwei zufällig zusammengewürfelte Substanzen chemisch miteinander reagierten, wie er nicht müde wurde zu erklären. Im Grunde loste er die Zweierteams nach dem Zufallsprinzip aus und erklärte sie für das ganze Schuljahr zu Laborpartnern.

So kam es, dass Kenna in ihrem ersten Jahr in Hillfield an Daniel Garrett geriet.

Ihr war das nur recht, weil er längst nicht so unsympathisch wirkte wie viele der anderen Schüler. Während der Experimente stellte er ihr oft interessiert Fragen, zum Beispiel, was für Bücher sie gern las oder welche Filme sie bevorzugte.

„Was soll das Verhör?“, fragte sie ihn irgendwann am Freitag der dritten Woche.

„Ich versuche, dich besser kennenzulernen.“

„Dass wir Laborpartner sind, heißt noch lange nicht, dass wir Freunde sein müssen.“

„Aber auch nicht das Gegenteil.“

„Okay. Aber glaub nicht, dass ich dich ranlasse, selbst wenn wir Freunde werden.“

„Wie bitte?“

„Glaubst du, ich sehe nicht, dass du und deine Freunde mich in der Cafeteria beobachten und vermutlich Wetten darauf abschließen, wie leicht ich zu haben bin, nur weil ich aus South Ridge komme und ein Stipendium habe?“

Daniel hob entschuldigend die Hände. „Okay, wir haben miteinander geredet“, gab er zu. „Aber nicht, weil du eine Stipendiatin aus South Ridge bist, sondern weil du scharf aussiehst. Und ja, ein paar der Jungs haben mit mir gewettet, dass ich es nicht schaffe, dich dazu zu bringen, mit mir auszugehen. Daher dachte ich, es sei zumindest einen Versuch wert.“

Kenna war überrascht über seine Ehrlichkeit. Genauso überrascht wie über ihren beschleunigten Herzschlag wegen seiner beiläufigen Bemerkung über ihr Aussehen.

Man hatte ihr schon öfter gesagt, dass sie schön war, doch normalerweise kamen solche Komplimente immer von den männlichen „Freunden“ ihrer Mutter, was ihr bisher immer eher unangenehm gewesen war, sodass Kenna es sich angewöhnt hatte, ihre weiblichen Kurven unter weiten Kleidungsstücken zu verstecken. Leider erlaubte ihr der Dresscode in Hillfield nicht, weite Jeans oder Pullover in Übergröße zu tragen.

Daniels Kompliment hingegen war ihr seltsamerweise nicht unangenehm, und sein neutraler Blick weckte kein Misstrauen in ihr. Also nahm sie allen Mut zusammen und fragte: „Wie viel?“

„Was?“

„Um welchen Betrag habt ihr gewettet?“

Daniel trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. „Um hundert Dollar.“

Kenna ließ sich nicht anmerken, wie sehr diese Summe sie schockierte. Sogar die Hälfte wäre für sie ein Vermögen, und diese Typen warfen wegen einer banalen Wette einfach so damit um sich?

Nach ein paar Minuten kam ihr eine Idee. „Wir könnten es uns teilen“, schlug sie vor.

„Was?“

Sie unterdrückte ein Lächeln. „Wenn du mir die Hälfte abgibst und mir von deinen Fünfzig eine Pizza spendierst, lass ich dich die Wette gewinnen.“

Daniel schien einen Moment nachzudenken, bevor er nickte und ihr eine Hand reichte. „Abgemacht.“

Zu Kennas Überraschung knisterte es, als sie ihm die Hand schüttelte, doch sie weigerte sich, dieser Reaktion irgendeine Bedeutung zuzumessen. Außerhalb des Klassenzimmers hatte sie absolut kein Interesse an Chemie.

1. KAPITEL

Zehn Jahre später …

Kenna Scott war Daniel Garrett so viel schuldig, dass sie nicht wusste, wie sie sich jemals bei ihm revanchieren konnte.

Nicht, dass er das so sah. Als er sie das erste Mal aus einer schwierigen Situation gerettet hatte, war sein einziger Kommentar gewesen: „Freunde rechnen nicht alles gegeneinander auf.“

Kenna tat das genauso wenig, aber sie konnte nicht leugnen, dass er sie öfter gerettet hatte, als ihr lieb war.

Und trotzdem wollte sie ihm jetzt, wo sie sich zum ersten Mal in der Situation befand, ihm helfen zu können, den Gefallen abschlagen – etwas, das sie sich noch vor vierundzwanzig Stunden niemals hätte vorstellen können.

Auf der anderen Seite hätte sie sich vor vierundzwanzig Stunden auch nicht träumen lassen, dass Daniel sie bitten würde, ihn zu heiraten.

Blicklos starrte sie aus dem durch die Straßen von Las Vegas gleitenden Taxi. Die bunten Lichter der Stadt verschwammen vor ihren Augen, und das Gefühlschaos in ihr passte perfekt dazu. Wollte sie das mit der Hochzeit wirklich durchziehen? Wollte sie Daniel heiraten, damit er vor seinem dreißigsten Lebensjahr Zugriff auf seinen Treuhandfonds bekam, etwas, das ihm dann nur zustand, wenn er „rechtmäßig verheiratet“ war?

Und war eine Ehe unter solchen Umständen überhaupt rechtmäßig?

Er schien ihr anzusehen, was in ihr vorging. „Du hast es dir anders überlegt“, stellte er fest.

Als Kenna den Blick auf ihn richtete – auf den Mann, der seit zehn Jahren ihr bester Freund war –, spürte sie ein Gefühl in sich aufsteigen, das sie weder definieren konnte noch wollte.

Daniel gehörte zu den Männern, die sämtliche Blicke auf sich zogen, sobald sie einen Raum betraten. Nicht nur, weil er eins fünfundneunzig groß und breitschultrig war, sondern weil er eine ganz bestimmte Aura hatte. Er strahlte Energie und Selbstsicherheit aus, und er war zweifellos sehr attraktiv. Er hatte volles, dunkles, immer etwas zu langes Haar, tiefblaue, oft humorvoll aufblitzende Augen, einen sexy Mund, den er oft zu einem Lächeln verzog, und ein markantes Kinn, das sogar unrasiert eher männlich als ungepflegt wirkte.

Zu allem Überfluss war Daniel ein Garrett – ein Name, der in Charisma ein gewisses Renommee hatte. Doch anstatt für die Einrichtungsfirma seiner Familie zu arbeiten, hatte er beschlossen, Karriere als Informatiker zu machen, und inzwischen war er Spezialist für Netzwerksicherheit geworden.

Schon auf der Highschool hatten sämtliche Mädchen für ihn geschwärmt, und jetzt, als Mann, war er sogar noch begehrter. Doch es war Kenna, der er vor ein paar Stunden einen Verlobungsring an den Finger gesteckt hatte.

Verstohlen betrachtete sie den schönen Diamantring an ihrer linken Hand. Sie würde sich erst an das ungewohnte Gefühl gewöhnen müssen. Ob ihr das mit der Last ihres schlechten Gewissens genauso gelingen würde, war jedoch fraglich. „Nein, aber ich wünschte, es gäbe eine andere Möglichkeit“, gab sie zu.

„Für mich oder für dich?“

„Für uns beide.“

„Für dich gäbe es eine Alternative. Wie schon gesagt, ich habe Aktien und Anleihen, die mindestens zweihunderttausend wert sind. Ich könnte ein paar davon verkaufen, um die OP deiner Schwester zu bezahlen.“

Kenna zweifelte nicht daran, dass Daniel das sofort tun würde – ohne Bedingungen daran zu knüpfen. So war er nun mal. Und für Becca würde Kenna über ihren Schatten springen und sein Angebot annehmen, so unangenehm ihr das auch wäre.

Ihre vierzehnjährige Schwester war als Beifahrerin in den Autounfall ihres Freundes Todd verwickelt gewesen. Todd blieb unverletzt, aber Becca kam nicht so glimpflich davon. Die Feuerwehrleute hatten sie mit der Rettungsschere aus dem Wagen schneiden müssen. Sie war mit drei gebrochenen Rippen, einem durchbohrten Lungenflügel und einem gebrochenen Schienbein ins Krankenhaus eingeliefert worden.

Drei Monate später hatte man festgestellt, dass der Chirurg den Bruch nicht richtig geschient hatte, sodass Becca jetzt hinkte. Inzwischen waren die Ärzte sich einig, dass nur eine weitere Operation das Problem beheben könnte. Da diese OP jedoch nicht lebensnotwendig war, wollte die Krankenversicherung weder den Eingriff noch die nachfolgende Physiotherapie bezahlen – vorsichtig geschätzt mindestens achtzigtausend Dollar.

Schon bei dem Gedanken an diese riesige Summe bekam Kenna Bauchschmerzen. Sie hatte gerade erst ihren Gebrauchtwagen abbezahlt und musste zudem auch noch ihren Studienkredit tilgen. Der Arzt hatte jedoch eine Anzahlung von fünfzig Prozent verlangt, bevor er auch nur den Operationssaal buchte.

Kenna hatte keine Ahnung gehabt, wie sie diese Summe beschaffen sollte, hatte ihrer Schwester aber trotzdem versprochen, eine Lösung zu finden. Von ihrer Mutter war nichts zu erwarten – Sue Ellen bot nur Tränen und Beteuerungen des Bedauerns, etwas, womit Sue Ellen Duncan im Gegensatz zu Geld schon immer sehr freigiebig gewesen war.

Als Daniel dann am selben Abend bei Kenna vorbeigekommen war und erfahren hatte, wie verzweifelt sie sich den Kopf nach einer Lösung des Problems zerbrach, hatte er ihr vorgeschlagen, ihn zu heiraten.

Zunächst hatte Kenna ihn nur verständnislos angestarrt und auf die Pointe gewartet. Sie war überzeugt gewesen, dass er nur einen Witz machte, doch er hatte ihr versichert, dass er es ernst meinte. Sie brauche Geld für die OP ihrer Schwester und er Zugriff auf seinen Treuhandfonds. Eine rasche Trauung in Vegas würde ihre beiden Probleme mit einem Schlag lösen.

Er und Kenna waren schon so lange befreundet, dass sie manchmal ganz vergaß, dass sie aus völlig unterschiedlichen Kreisen kamen. Daniels Familie war nicht nur Mitinhaber von Garrett Furniture, sondern besaß auch ein Riesenvermögen, das Daniels Großvater mütterlicherseits in den Sechzigern mit Immobilien gemacht hatte. Was er zu Lebzeiten nicht ausgegeben hatte, hatte er seinem einzigen Kind und seinen drei Enkeln vererbt – in Form von drei Treuhandfonds.

Daniels Vorschlag, ein Jahr mit ihm verheiratet zu sein und im Gegenzug hunderttausend Dollar zu bekommen, hatte Kenna jedoch mit gemischten Gefühlen erfüllt. Sie brauchte das Geld zwar dringend, aber Daniels Vorschlag gab ihr irgendwie das Gefühl, sich zu verkaufen, so wie Julia Roberts in Pretty Woman.

Doch schließlich hatte sie Ja gesagt.

Als das Taxi vor dem Courtland Resort & Casino hielt, musste Kenna sich beherrschen, nicht mit offenem Mund um sich zu starren. Sie war bisher noch nie in Las Vegas gewesen. Ehrlich gesagt war sie noch nie weiter als bis Daytona Beach, Florida, aus Charisma in North Carolina herausgekommen, weshalb es vermutlich kein Wunder war, dass sie gerade einen kleinen Kulturschock hatte.

Der Anblick des Hotelfoyers mit seinen glänzenden Marmorfußböden, den lebensgroßen Statuen, den spektakulären Wasserfällen und den exotischen Pflanzen haute sie um.

Daniels Platinum Card beschleunigte das Einchecken offensichtlich, und obwohl sie jeder nur einen kleinen Koffer dabeihatten, holte der Rezeptionist einen Pagen namens Alex, der ihnen mit dem Gepäck half. Der junge Mann führte sie einen breiten Korridor entlang zu einer Reihe mit Fahrstühlen.

Die mit einem ornamentalen C verzierten Türen glitten lautlos auseinander. Als Kenna den Fahrstuhl betrat, fiel ihr Blick auf die Knöpfe für das Spa und das Casino, doch Alex drückte auf die 7, und der Fahrstuhl bewegte sich rasch nach oben. Kurz darauf trat Kenna in einen gold- und cremefarben dekorierten Flur hinaus. Der Page schob eine Karte in den Schlitz von Zimmer 722, und das Schloss öffnete sich mit einem leisen Klicken.

Das Erste, was Kenna zu ihrer großen Erleichterung ins Auge sprang, waren die beiden Einzelbetten, die laut Alex mit Luxusmatratzen und hochwertigem Leinen ausgestattet waren. Er erklärte, dass man mit dem Tablet auf dem Nachttisch die Beleuchtung, den riesigen Flachbildfernseher, das iHome Sound System, die Kaffeemaschine und die Vorhänge bedienen konnte.

„Vorhänge?“, echote Kenna, die kaum ihren Ohren traute.

Alex griff nach dem Tablet, tippte etwas auf den Bildschirm, und der breite Brokatvorgang vor den deckenhohen Fenstern glitt beiseite.

„Wow.“

Er lächelte milde. „Ist das Ihr erster Trip nach Las Vegas, Ma’am?“

„Ja“, gestand sie.

„Dann ist es hoffentlich der erste von vielen. Wenn es etwas gibt, womit wir Ihnen den Aufenthalt noch angenehmer machen können, sagen Sie uns jederzeit Bescheid.“

„Danke.“

Als Alex die Vorhänge wieder öffnete, trat Kenna vors Fenster und betrachtete den Las Vegas Strip. Sogar so früh am Tag war hier schon eine Menge los. Sie konnte es gar nicht erwarten, die Straße bei Nacht zu sehen, so wie sie sie aus Filmen kannte.

Sie öffnete eine Tür und entdeckte ein Badezimmer aus italienischem Marmor mit einer riesigen, in den Boden eingelassenen Wanne, separater Dusche, zwei Waschbecken, edlen Designer-Toilettenartikeln und dicken, vorgewärmten Handtüchern aus ägyptischer Baumwolle.

Daniel drückte Alex einen zusammengefalteten Geldschein in eine Hand.

„Vielen Dank, Sir.“ Der Page zog sich zurück.

Kenna drehte sich glücklich seufzend in der Mitte des Zimmers um. „Wie lange bleiben wir hier?“

Daniel lächelte. „Ich habe das Zimmer nur für eine Nacht gebucht, aber wir können unseren Aufenthalt gern verlängern, wenn du willst.“

„Wollen schon.“ Sie ließ sich auf das nächste Bett fallen und sank in den Kissenberg. „Aber leider muss ich am Montag arbeiten“, fügte sie seufzend hinzu. „Genauso wie du.“

Daniel zuckte die Achseln. „Ich könnte ein paar Extratage herausschinden … es sind schließlich unsere Flitterwochen.“

Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Das geht leider nicht.“

Daniel streckte sich neben ihr aus und nahm eine ihrer Hände – eine beiläufige kameradschaftliche Geste, die sie trotzdem innerlich erschauern ließ. „Wie meinst du das? Dass du dir nicht noch ein paar Tage freinehmen kannst … oder mich heiraten?“

„Ich kann mir noch nicht mal einen Extratag freinehmen.“ Sie drückte ihm beruhigend die Hand. „Aber ich wäre nicht hier, wenn ich das mit der Hochzeit nicht durchziehen wollte.“

Daniels Erleichterung war nicht zu übersehen. Kenna war natürlich bewusst, dass er sie nicht aus Liebe heiratete, sondern weil er Josh Slaters Angebot annehmen wollte, Geschäftspartner bei Garrett/Slater Racing zu werden – einem Profiteam im Autorennbusiness.

„Bist du sicher?“, fragte er Kenna trotzdem.

Sie nickte. „Ja. Lass es uns tun.“

Süffisant hob er die Augenbrauen. „Es tun?“

Erst jetzt wurde Kenna bewusst, dass sie nebeneinander auf einem Bett lagen. Sie errötete heftig. „Heiraten“, fügte sie prononciert hinzu, das Pulsieren ihres Blutes in ihren Adern ignorierend.

„Jetzt sofort?“

„Sind wir nicht deswegen hier?“

„Klar, aber wir sind erst vor einer halben Stunde gelandet. Ich dachte, du willst dich erst etwas entspannen und vielleicht den Spa-Service nutzen.“

„Ich glaube nicht, dass ich mich jetzt entspannen kann.“

„Vor der Hochzeit des Jahres?“, witzelte er.

Kenna lächelte verkrampft. „So ungefähr.“ Die Hochzeit an sich war das kleinere Problem. Der wahre Härtetest stand ihr noch bevor: sich ihren Freunden und ihrer Familie gegenüber ein Jahr lang als Daniel Garretts Ehefrau ausgeben zu müssen.

„Willst du nicht wenigstens vorher shoppen?“

„Shoppen?“ Verständnislos sah sie ihn an.

„Im Erdgeschoss gibt es ein paar Boutiquen. Ich dachte, du willst dir vielleicht ein dem Anlass entsprechendes Outfit kaufen.“

Kenna warf einen Blick auf ihre weiße Caprihose und ihr ärmelloses blaues Top und schüttelte den Kopf.

Fragend hob er die Augenbrauen. „Träumst du nicht davon, in einem weißen Kleid den Gang zum Altar entlangzuschreiten?“

Kenna hatte sich insgeheim immer nach einer Traumhochzeit mit allen Schikanen gesehnt, aber das hier war keine echte Hochzeit. „Wozu etwas vortäuschen, das gar nicht existiert?“

„Aber genau das müssen wir tun.“

„Für die anderen“, räumte sie ein. „Nicht für uns.“

Er zuckte die Achseln. „Okay, dann lass uns eine geeignete Kapelle suchen.“

Er ließ Kennas Hand los, nahm das Tablet vom Nachttisch und fand einen Link mit sämtlichen Hochzeitskapellen in Las Vegas – eine schwindelerregende Anzahl. Und es gab jede Menge Optionen: traditionell und romantisch oder mit schrägem Motto, darunter Disco, Rock ’n’ Roll, Country, Piraten, Vampire und sogar Zombies. „Was meinst du, Kenna?“, fragte er.

„Ich sage Nein zu Piraten, Vampiren und Zombies.“

„Was hältst du davon, mit Elvis den Gang zum Altar entlangzuschreiten?“

Sie schüttelte den Kopf. „Gibt es nicht auch etwas … Normaleres?“

Er scrollte durch ein paar weitere Seiten. „Wie klingt ‚Traditionelle Eleganz‘ für dich?“

„Schon besser.“

„Leider müssen wir dort mindestens achtundvierzig Stunden im Voraus anrufen, um einen Platz zu bekommen.“

„Ruf auf jeden Fall an“, schlug sie vor. „Vielleicht kommen wir trotzdem rein.“

Daniel grinste wieder auf jene anzügliche Art, mit der er unter Garantie schon jede Menge Frauen ins Bett gekriegt hatte. Gott sei Dank kannte Kenna ihn lange genug, um immun gegen seinen Charme zu sein.

Meistens zumindest.

Sie versetzte ihm einen Schlag gegen einen Oberarm. „Hör auf, immer so anzüglich zu grinsen, wenn ich was sage.“

„Dann hör auf, die Dinge so zweideutig zu formulieren.“

„Du bist ein Mann“, lachte sie. „Für dich klingt alles zweideutig.“

„Kann schon sein.“

Kenna wurde unvermittelt ernst. „Ich weiß, dass du so schnell wie möglich heiraten willst, aber bist du sicher, dass ich die Richtige für dich bin?“

„Ich will keineswegs heiraten“, gab er zurück. „Aber da mir nichts anderes übrig bleibt, bist du die erste Wahl.“

„Ein Jahr ohne Sex ist eine lange Zeit“, wandte sie ein. „Vor allem für einen Mann, der den Ruf hat, kein Kostverächter zu sein.“

„Mein Ruf ist irgendwie übertrieben.“

„Irgendwie?“

„Vielleicht bist du ja diejenige, die sich nicht vorstellen kann, so lange zölibatär zu leben. Wenn du also die Bedingungen ändern willst, gern.“

„Das habe ich nicht gemeint.“ Kenna ignorierte ihren beschleunigten Herzschlag.

Daniel grinste schon wieder anzüglich.

„Aber vielleicht sollten wir den Zeitrahmen ändern“, schlug sie vor. „Sechs Monate müssen doch reichen, um die Leute davon zu überzeugen, dass wir es miteinander versucht haben und dann doch zu dem Schluss gekommen sind, lieber Freunde zu bleiben.“

„Die meisten Leute vielleicht schon.“

Kenna wusste, dass Daniel bei seinen Eltern Zweifel hatte – zu Recht. Nachdem David und Jane Garrett ihm den vorzeitigen Zugriff auf seinen Treuhandfonds abgeschlagen hatten, würde seine plötzliche Hochzeit mit Kenna sie bestimmt misstrauisch machen.

„Ruf bei der Kapelle an“, sagte Kenna. „Wenn alles klappt, wird der heutige Tag der erste meiner dreihundertfünfundsechzig Tage als Mrs. Garrett.“

Daniel folgte ihrem Rat, und eine Viertelstunde später wurden sie von einer Limousine abgeholt.

Als Kenna eine Weile später das Innere der Kapelle betrat, stockte ihr der Atem.

Ihr Bräutigam blieb ebenfalls stehen. „Stimmt etwas nicht?“

„Sie ist … so schön.“

„Warum überrascht dich das?“

„Ich dachte anscheinend … das hier ist eine improvisierte Hochzeit in Vegas. Ich habe mit Elvis in einem Polyesteranzug gerechnet …“

„Du hast das ausdrücklich abgelehnt, weil du etwas Traditionelleres wolltest.“

Kenna nickte. Daniel hatte natürlich recht. Trotzdem hatte sie nicht damit gerechnet, dass die Kapelle so echt aussehen würde – mit gewölbten Decken, bunten Bleiglasfenstern, Blumenarrangements und flackernden Kerzen.

Daniel ging weiter zum Altar, und jemand reichte Kenna einen Blumenstrauß und winkte einen jüngeren Mann mit einer Kamera heran, der feierliche Musik anstellte – nicht Mendelssohns Hochzeitsmarsch, sondern Pachelbels Kanon in D-Dur.

Autor

Brenda Harlen
<p>Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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