Du bist mein Hauptgewinn

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Hauptgewinn für Single-Mom Lauryn? Für eine Fernsehshow renoviert der sexy Handwerker Ryder Wallace ihr Haus - und schafft es dabei, auch die Mauer um ihr Herz einzureißen. Aber meint der berüchtigte Playboy es wirklich zum ersten Mal im Leben ernst, oder spielt er bloß mit ihr?


  • Erscheinungstag 20.01.2020
  • Bandnummer 10
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729349
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Und schon wieder regnete es.

Die Tropfen prasselten auf das Dach und weckten Lauryn – eine ganze Weile, bevor ihr sieben Monate alter Sohn wach werden würde. Die Leuchtziffern auf dem Wecker zeigten 5.28 Uhr.

Verflucht, zu früh!

Sie drehte sich auf die andere Seite und zog sich die Decke über den Kopf. Natürlich war ihr völlig klar, dass diese Aktion die unheilvollen Regentropfen nicht stoppen würde.

Im Frühling hatte sie mehrere undichte Stellen flicken lassen, da hatte ihr der Dachdecker dann die frohe Botschaft übermittelt, dass eigentlich das ganze Dach längst fällig war. Für so eine umfangreiche Maßnahme fehlte ihr allerdings das Geld. Und jetzt hörte es sich glatt so an, als wollte die Natur ihr mit dem beständigen Prasseln ihre gesamten Fehlentscheidungen vor Augen halten.

Dabei war sie längst nicht mehr die naive Siebenundzwanzigjährige von vor sechs Jahren. Damals war sie bis über beide Ohren in Rob verliebt gewesen … und als er ihr auch noch einen Heiratsantrag gemacht hatte, war es um sie geschehen.

Für diesen Fehler musste sie heute noch büßen.

Bitte, bitte, halte doch noch ein Jahr dicht, flehte sie in Gedanken das Dach an. Oder jedenfalls so lange, bis ich mein Leben und meine Finanzen wieder im Griff habe.

Ihre Eltern, Tom und Susan Garrett, hatten ihr und Rob zur Hochzeit Geld für ein Eigenheim geschenkt. Dabei hatte ihr eigentlich ein hübsches, gut erhaltenes Häuschen aus dem späten neunzehnten Jahrhundert vorgeschwebt. Doch ihr frischgebackener Ehemann hatte sie mit all seinem Charme davon überzeugt, etwas Günstigeres, Renovierungsbedürftiges zu kaufen und den Rest des Geldes in sein neu eröffnetes Sportgeschäft zu investieren: The Locker Room, auf Deutsch: „Die Umkleidekabine“.

Jetzt, sechs Jahre später, war das Haus immer noch stark renovierungsbedürftig, der Laden lief überhaupt nicht, und sie selbst war inzwischen alleinerziehende Mutter mit Kleinkind und Baby. Kein Wunder, dass sie am liebsten den ganzen Tag im Bett geblieben wäre.

Das allerdings konnte sie sich nicht leisten. Sie konnte nicht einfach so „der Stimme ihres Herzens folgen“, wie Rob es damals ausgedrückt hatte, als er sie mit allen Verantwortlichkeiten hatte sitzen lassen. In einem heruntergekommenen Haus mit kaputtem Dach, zugigen Fenstern, undichten Rohren und einer Veranda, bei der man Angst haben musste, dass sie unter einem zusammenbrach.

Aber sie wollte sich lieber auf die positiven Dinge in ihrem Leben konzentrieren: Vor ein paar Tagen war ihre Scheidung rechtskräftig geworden – endlich! Am liebsten hätte sie ihre ganze Ehe rückgängig gemacht … und auch wieder nicht: Schließlich hätte sie sonst Kylie und Zachary nicht.

Sie würde einfach alles tun, damit ihre Kinder ein liebevolles Zuhause hatten und in gesicherten Verhältnissen aufwuchsen. Für ihren Termin heute bei der Bank hatte sie einen Businessplan vorbereitet, mit dem sie ihren Berater hoffentlich davon überzeugen konnte, ihr einen Kredit zu gewähren. Eines kam für sie nämlich nicht infrage: ihre Eltern um noch mehr Geld zu bitten.

Erneut sah sie auf den Wecker – 5.57 Uhr.

In gut einer Stunde würde Zachary aufwachen, das wusste sie aus Erfahrung. Also schälte sie sich aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen in sein Zimmer, um sich zu vergewissern, dass er noch tief und fest schlief. So groß war er schon geworden! Inzwischen konnte er sich schon vom Rücken auf den Bauch rollen, außerdem versuchte er immer wieder, sich an den Gitterstäben seines Kinderbettchens hochzuziehen.

Leise ging sie weiter ins Badezimmer und duschte schnell.

Unten in der Küche bereitete sie Zacharys Fläschchen vor und ging damit wieder nach oben. Sie hob ihn aus dem Bettchen, wechselte seine Windel und setzte sich dann mit ihm in den Schaukelstuhl am Fenster.

Als er satt war – jedenfalls vorerst –, schaute sie nach ihrer Tochter. In Kylies Zimmer kam sie sich immer vor wie in einem Bilderbuch. Die Wände waren kunstvoll bemalt: Sie sahen aus, als wären sie aus Steinblöcken gemacht. Darauf gaben drei aufgemalte bogenförmige „Fenster“ den Blick auf ein prächtiges Königreich frei: mit schneebedeckten Bergen, einem tiefgrünen Wald und einem Wasserfall, der sich in einem kristallklaren See ergoss. Lauryns Schwester Jordyn hatte diese Märchenwelt für Kylie erschaffen. In letzter Zeit fragte Lauryn sich allerdings immer häufiger, ob es nicht ein Fehler war, Kylies Glauben daran, dass immer alles gut wird, noch weiter zu bestärken.

An genau diese Dinge hatte Lauryn selbst einmal geglaubt. Und als Rob Schulte ihr einen Heiratsantrag machte, hatte sie ihn für ihren persönlichen Märchenprinzen auf dem weißen Pferd gehalten. Selbst als ihre Ehe immer mehr aus dem Gleichgewicht geriet, war sie überzeugt, dass sie mit der Macht der Liebe alle Schwierigkeiten aus dem Weg räumen würden. Bis ihr Prinz mit einer Yogalehrerin namens Roxi davongaloppiert war.

Jetzt saß Lauryn mit ihren Kindern in einer Schlossruine und musste sich allein mit einer modernen Form feuerspeiender Drachen herumschlagen: den Gläubigern ihres Mannes.

Irgendwann hatte sie eingesehen, dass der wunderbare Rob sie wohl nie so geliebt hatte wie sie ihn. Dass er sie selbst hatte sitzen lassen, konnte sie ihm ja noch verzeihen. Nicht aber, dass er auch seine Kinder im Stich ließ. Dass er keinerlei Anstalten machte, um das Sorgerecht zu kämpfen, fand sie nicht weiter erstaunlich, im Grunde war sie darüber sogar erleichtert. Schließlich hatte sie genug damit zu tun, das Sportgeschäft vor dem Ruin zu retten und dafür zu sorgen, dass sie nicht auch noch das undichte Dach über dem Kopf verloren.

Mit Zachary auf dem Arm ging sie die Stufen hinunter ins Erdgeschoss. Auf dem Weg zur Küche machte das Baby laut sein Bäuerchen, dann seufzte es zufrieden.

Lauryn rieb ihm sanft über den Rücken. „Na, besser?“

Zachary antwortete natürlich nicht, dafür fühlte sich ihre Schulter jetzt feucht an.

Lauryn riss ein Blatt von der Küchenrolle ab und versuchte, damit die ausgespuckte Milch abzutupfen, die ihr gerade vorn übers Oberteil lief. Sie hatte erst mal keine Zeit, sich umzuziehen: Gleich würde Kylie wach werden, und sie musste ihr schnell Frühstück machen.

Also setzte sie Zachary in den Hochstuhl und gab ihm ein paar ringförmige Frühstücksflocken auf das Plastiktablett, damit er beschäftigt war. Dann suchte sie die Zutaten für French Toast zusammen, Kylies Lieblingsfrühstück. Lauryn hoffte, dass sich das Mädchen dann umso bereitwilliger darauf einlassen würde, den Nachmittag bei ihren Großeltern zu verbringen, während sie selbst mit dem Bankberater sprach.

Susan und Tom Garrett liebten ihre Enkel von ganzem Herzen, und Kylie hatte sie auch immer gern besucht – aber seit Rob sie verlassen hatte, hing das kleine Mädchen umso stärker an seiner Mutter.

Gerade wendete Lauryn die erste Brotscheibe in der Pfanne, da hörte sie schon Kylies Schritte auf der Treppe. Wenige Sekunden später kam ihre Tochter in ihrem pinkfarbenen Prinzessinnennachthemd in die Küche getrottet. Ihr mürrischer Gesichtsausdruck wirkte allerdings so gar nicht prinzessinnenhaft.

Sie kletterte auf ihren erhöhten Sitz und griff nach der Tasse mit dem Orangensaft. Lauryn schnitt das geröstete Brot auf und stellte ihr den Teller hin, woraufhin das Mädchen gleich ein Stück Toast mit der Gabel aufspießte. Lauryn setzte sich mit ihrem Kaffee neben sie.

Kylie hatte gerade mal die Hälfte gegessen, da schob sie den Teller von sich. „Gehen wir heute in den Park?“

„Später vielleicht“, erwiderte Lauryn.

„Ich will jetzt hin“, beharrte ihre Tochter.

„Jetzt regnet es aber. Außerdem muss ich mich heute Morgen noch um Papierkram kümmern.“

Kylie verschränkte trotzig die Arme vor der Brust: eine Geste, die Lauryn nur zu gut von ihr kannte. „Ich will aber in den Park.“

„Später“, versprach Lauryn, drückte ihr einen Kuss auf den Kopf und hob Zachary aus dem Hochstuhl. „Wir müssen erst mal schauen, dass wir euch beide gewaschen und angezogen kriegen.“ Gerade hatte sie das Baby auf ihre Hüfte gesetzt, da klingelte es an der Tür. Sofort rannte Kylie ins Wohnzimmer, das neben der Haustür lag.

Seufzend folgte Lauryn ihrer Tochter. Sie selbst hätte das Klingeln einfach ignoriert.

Kylie stand allerdings schon auf dem Sofa vor dem Fenster und hatte den Vorhang zur Seite geschoben. „Da draußen sind ganz viele Leute!“, rief sie.

Ganz viele Leute?

Lauryn entriegelte die Tür, öffnete sie … und erkannte, dass ihre Tochter nicht übertrieben hatte: Als Erstes fiel ihr Blick auf einen unfassbar gut aussehenden und beeindruckend muskulösen Mann, der einen Helm und einen Werkzeuggürtel trug und vor der Haustür auf der Veranda stand.

Oh, nein! Hoffentlich hat mir nicht jemand einen Stripper mit Grußbotschaft vorbeigeschickt! Wie soll ich so was bloß meiner Tochter erklären?

Unten auf dem Rasen stand ein Mann mit einer riesigen Filmkamera auf der Schulter, ein Stück weiter weg drängten sich drei weitere Menschen unter einem Schirm, und vor dem Haus parkten ein großer Wagen und zwei Pick-ups.

Der Mann mit Helm und Werkzeuggürtel lächelte, und ihr wurde ganz flau im Magen. Sie wurde das Gefühl nicht los, ihn irgendwo schon mal gesehen zu haben.

„Sind Sie Lauryn Schulte?“, erkundigte er sich.

„Allerdings“, gab sie ruhig zurück. „Aber wenn Sie nicht gerade vorbeigekommen sind, um mir einen dicken Lotto-Gewinnscheck zu überreichen, muss ich Sie bitten, sich mit Ihrem Kamerateam schnellstmöglich von meinem Grundstück zu entfernen.“

Seit drei Jahren stand Ryder Wallace jetzt schon vor der Kamera. Inzwischen hatte er gelernt, dass es am besten war, immer ein Lächeln auf den Lippen zu behalten – egal, was passierte. Außerdem gab es Schlimmeres, als sich mit einer entnervten Mutter mit Baby auseinanderzusetzen, der gerade frisch erbrochene Milch über das hellgelbe T-Shirt lief, das sie zu ihren verwaschenen Jeans trug.

Als Nächstes schlug sie ihm allerdings die Tür vor der Nase zu.

Und dem Geräusch nach zu urteilen, schob sie auch noch den Riegel vor.

„Schnitt!“ Owen Diercks kam zu der baufälligen Veranda herübergelaufen, auf der Ryder immer noch stand und auf die geschlossene Tür starrte.

„Was war denn da bitte los?“, wollte der Regisseur wissen.

„Ich glaube, es hat gerade nicht so gepasst“, erwiderte Ryder.

„Weißt du was? Ich habe es satt, immer zu warten, bis sich diese Frauen für die Aufnahmen aufgehübscht haben“, wetterte Owen. „Wer auch immer auf diese Schnapsidee gekommen ist, dass wir die Gewinner persönlich überraschen, hatte einfach keine Ahnung.“

„Ich meine, das mit der Überraschung war deine Idee“, entgegnete Ryder trocken. Er hatte allerdings nicht den Eindruck, dass Lauryn Schulte ihm gerade die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte, weil sie noch Lippenstift auflegen wollte. „Und was machen wir jetzt? Willst du’s für heute gut sein lassen?“

„Nein, ich will natürlich im Zeitplan bleiben. Aber es hilft ja nichts.“ Owen blickte zu dem Kameramann Carl hinüber, der gerade eine Mülltüte als Regenschutz über seine Filmkamera hielt. „Pack alles wieder ein, wir brechen ab“, rief er ihm zu.

Carl brachte seine Ausrüstung zum Wagen. Der Regieassistent und der Aufnahmetechniker folgten ihm.

„Dadurch verlieren wir wertvolle Zeit, die müssen wir wieder aufholen“, sagte Owen. „Einer von uns muss Mrs. Schulte noch mal die Bedingungen erklären, mit denen sie sich mit ihrer Bewerbung ja automatisch einverstanden erklärt hat.“

„Ich mache das schon“, sagte Ryder schnell. Owen war zwar ein grandioser Regisseur, aber manchmal führte er sich auf wie ein Elefant im Porzellanladen. Und Lauryn Schulte war offenbar so schon ganz schön sauer auf das Filmteam.

Owen nickte. „Aber Montagmorgen sind wir alle wieder hier, und dann muss es auch losgehen.“

„Auf jeden Fall.“ Sicher war Ryder sich allerdings nicht …

Und während sein Regisseur sich auf den Weg zu seinem Wagen machte, überlegte Ryder, wie er mit der Situation umgehen sollte. Bisher hatten die Leute ihn und sein Team gleich begeistert hereingebeten, wenn er plötzlich vor ihrer Tür gestanden hatte. Ryder to the Rescue – „Ryder der Retter“, so lautete der Titel der Fernsehsendung, die er präsentierte. Alle bisherigen Teilnehmer waren dankbar für seinen Besuch gewesen. Schließlich bügelte er glatt, was angebliche Profis in den Sand gesetzt hatten, oder er brachte gescheiterte Heimwerkerprojekte zu Ende.

Lauryn Schulte begriff offenbar nicht, worum es gerade ging. Also klopfte er noch einmal an ihre Tür.

Keine Reaktion.

Er klopfte erneut – vergeblich.

Dafür schob das kleine Mädchen wieder den Vorhang am Fenster zur Seite und winkte ihm zu.

Er hob eine Hand und erwiderte den Gruß.

Als sie daraufhin lächelte, erschienen Grübchen. Was für ein niedliches Kind! Und irgendwie kam es ihm vor, als hätte er es schon mal gesehen …

Dann hörte er die Stimme seiner Mutter – zwar nicht die genauen Worte, aber als das Mädchen ihm noch einmal zuwinkte und sich dann zurückzog, war klar, wie die Botschaft gelautet hatte.

Ryder setzte sich auf die Veranda. Über ihm prasselte weiter der Regen auf das Vordach, das zum Glück noch einigermaßen guten Schutz bot.

Das Haus stand in einer ganz anständigen Gegend. Die meisten Gebäude waren recht einfach, jeweils ein- oder zweistöckig und im Schnitt dreißig bis vierzig Jahre alt. Sie waren aber gut in Schuss, der Rasen in den Vorgärten war gemäht, und die Blumenbeete wirkten ordentlich.

In Mrs. Schultes Garten gab es gar keine Blumen, hier wuchsen nur ein paar struppige Sträucher, und dann lagen da noch ein Plastikeimer und eine Schaufel, die aber eher für den Sandkasten gedacht war als dafür, Erde umzugraben.

Ryder hörte ein Klicken hinter sich, ein Riegel wurde zurückgeschoben … und jemand öffnete die Haustür.

„Warum sitzen Sie im Regen auf meiner Veranda?“, erkundigte sich Lauryn Schulte müde.

Er stand auf und wandte sich zu ihr um. Auf ihren sanft geschwungenen Lippen zeigte sich zwar kein Lächeln, und mit ihren graugrünen Augen blickte sie ihn ziemlich misstrauisch an … trotzdem entging ihm nicht, was für eine Schönheit sie war. Davon, dass sie ihm gefiel, wollte er sich allerdings nicht ablenken lassen.

„Weil Sie mich noch nicht ins Haus gebeten haben“, beantwortete er ihre Frage.

„Das habe ich auch jetzt nicht vor.“ Ihre Stimme klang entschieden.

„Okay, dann fangen wir noch mal von vorn an.“ Er lächelte. „Ich bin Ryder Wallace von der Doku-Soap Ryder to the Rescue, die bei WNCC ausgestrahlt wird. In der Serie geht es um Renovierungsarbeiten.“

Lauryn wirkte unbeeindruckt. „Das erklärt immer noch nicht, warum Sie hier sind.“

„Ich möchte mit Ihnen über Ihre Renovierungswünsche sprechen. Darum wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn ich wenigstens reinkommen dürfte. Hier draußen regnet es nämlich.“

Sie runzelte zwar immer noch die Stirn, ging aber ein paar Schritte zurück, um ihn ins Haus zu lassen.

„Haben Sie vielleicht einen Kaffee für mich?“

„Ich dachte, Sie wollten einfach nur mit mir reden.“

Erneut lächelte er. „Schon, aber wenn wir uns dabei mit einem Kaffee in die Küche setzen könnten, wäre das viel gemütlicher, als hier im Eingangsbereich zu stehen.“

„Das stimmt“, gab sie zurück. „Aber ich will es mir mit Ihnen gar nicht erst gemütlich machen.“

Das kleine Mädchen von vorhin hatte sich die ganze Zeit hinter ihrer Mutter versteckt. Jetzt lugte sie vorsichtig hervor. „Du kannst ja mit mir Tee trinken.“

Lauryn seufzte. „Kylie … ich habe dir doch neulich erst erklärt, dass du bei fremden Leuten vorsichtig sein sollst.“

Das Kind schüttelte den Kopf. „Er ist kein Fremder. Er hat mir Blumen geschenkt.“

Ryder sah zu ihrer Mutter hinüber, aber die schien mit der Aussage genauso wenig anfangen zu können wie er selbst.

„Auf der Hochzeit“, erklärte Kylie.

„Vielleicht meint sie die Hochzeit meiner Schwester Avery“, vermutete er. Jedenfalls war das die einzige, bei der er in letzter Zeit zu Gast war.

Lauryn zog die Augenbrauen hoch. „Ach – dann ist Avery Wallace Ihre Schwester?“

„Allerdings.“

„Na dann …“, begann Lauryn zögernd. „Dann bekommen Sie jetzt doch einen Kaffee.“

„Waren Sie etwa auch auf der Hochzeit?“, erkundigte er sich, als er Mutter und Tochter den Flur entlang in die Küche folgte. Er kannte den Raum von den Fotos, die sie ihrer Bewerbung beigefügt hatte.

„Nein. Zachary hatte an dem Tag Fieber.“ Sie wies mit dem Kopf auf ein Baby, das gerade in einem Laufstall mit bunten Plastikringen spielte. „Kylie ist dann mit meinen Eltern hingegangen. Und nachdem Sie den Brautstrauß gefangen hatten …“

„Den hat Avery mir praktisch in die Arme geworfen“, erklärte er zu seiner Verteidigung. „Da habe ich ihn festgehalten, einfach so als Reflex.“

Lauryn zuckte mit den Schultern und legte einen Filter in die Kaffeemaschine – das einzige moderne Gerät im Zimmer.

„Und nachdem Sie den Brautstrauß gefangen hatten“, begann sie erneut, während sie das Kaffeepulver in den Filter gab, „haben Sie die Blumen Kylie geschenkt.“

Er betrachtete das kleine Mädchen im Rüschennachthemd, und ganz allmählich dämmerte es ihm. „Ach – hattest du an dem Tag etwa ein dunkelblaues Kleid an?“

Kylie lächelte und nickte.

„Dann seid ihr zwei ja mit Averys Ehemann Justin verwandt“, sagte er zu Lauryn.

„Ja, Justin ist mein Cousin“, erklärte sie. „Mein Vater ist der Bruder seines Vaters.“

„Was ist die Welt doch klein“, überlegte Ryder laut und dann schweigend weiter, ob diese Verbindung ihm seinen Job erleichtern oder erschweren würde.

„Die Welt vielleicht nicht, dafür aber diese Stadt“, wandte sie ein und reichte ihm einen Becher Kaffee. „Milch und Zucker dazu?“

„Nur Zucker, bitte.“

Während er den Kaffee süßte, hakte er weiter nach: „Wieso werde ich eigentlich das Gefühl nicht los, dass Sie sich das mit der Fernsehsendung anders überlegt haben?“

„Worum geht es eigentlich gerade?“

Komisch – Lauryn wirkte ernsthaft verwirrt. „Na ja, Sie haben sich doch bei Ryder to the Rescue um Unterstützung bei der Renovierung Ihrer Küche beworben.“

Sie runzelte die Stirn. „Ganz bestimmt nicht. Meine Schwester Tristyn ist zwar süchtig nach der Show, aber ich habe die noch nie gesehen“, erklärte sie. „Eigentlich habe ich auch keine Zeit zum Fernsehen. Und wenn, schaue ich Kindersendungen.“

Das war nachvollziehbar. „Dann hat Ihnen also Ihre Schwester erzählt, dass man sich bei uns bewerben kann?“

„Bewerben? Ich habe absolut keine Ahnung, wovon Sie reden.“

Ryder zog die Bewerbungsunterlagen aus der Tasche und schob sie ihr zu. Zur gleichen Zeit zog Kylie ihre Mutter am Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr.

„Ja, du kannst oben in deinem Zimmer spielen“, erwiderte sie, und das Mädchen lief aus der Küche und die Treppen hoch.

Dann faltete Lauryn das Dokument auseinander und las es eine Zeit lang stirnrunzelnd. Schließlich legte sie es wieder auf den Tisch. „Tja, was da steht, stimmt alles“, sagte sie. „Aber ich habe das hier nicht ausgefüllt und eingeschickt.“

Er wies auf die Zeile mit der Unterschrift. „Und was ist hiermit?“

„Das ist nicht meine Unterschrift. Die hat jemand gefälscht, und zwar ziemlich gut. Es sieht ganz so aus, als hätte eine meiner Schwestern das Formular ausgefüllt – oder beide.“

Ryder kniff die Augen zusammen. „Durch die Unterschrift ist ein rechtskräftiger Vertrag entstanden. Ich tue jetzt mal so, als hätte ich das eben nicht gehört, sonst müssen wir die Rechtsabteilung einschalten.“

„Können Sie nicht einfach sagen, dass ich es mir inzwischen anders überlegt habe?“, schlug sie vor.

„Das verstehe ich jetzt nicht. Wenn wir hier loslegen, bekommen Sie eine tolle, neue Küche. Von so etwas können die meisten Leute nur träumen.“

Sie ließ den Blick über die langweilige, altmodische Einrichtung schweifen. „Rob wollte hier einiges verändern. Er wollte den Boden fliesen, eine Arbeitsplatte aus Granit und neue Küchenschränke einbauen.“

„Bei der Gestaltung hat Ihr Mann natürlich Mitspracherecht“, bot Ryder an.

„Er ist nicht da.“

„Wann kommt er denn wieder?“

„Na ja, inzwischen ist es neun Monate her, dass er sich aus dem Staub gemacht hat. Da erwarte ich ihn so schnell nicht zurück.“

„Das tut mir leid“, erwiderte Ryder automatisch.

„Das braucht es nicht, mir tut es auch nicht leid.“

Jetzt musste er sich erst mal sammeln und überlegen, wie er weiter vorgehen wollte. „Okay, dann vergessen wir einfach, was er wollte. Was würden Sie denn gern verändern?“

Lauryn stand auf, um das Baby aus dem Laufstall zu heben. Der Kleine fing gerade an herumzuquengeln. „Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll.“ Sie holte eine Schachtel aus einem Schrank und reichte dem Jungen einen Keks. Sofort begann der Kleine, darauf herumzukauen.

In diesem Moment kam Kylie wieder in die Küche. Sie ging direkt zur Hintertür und schlüpfte dort in pinkfarbene Regenstiefel.

„Hey, ich habe dir doch gesagt, dass wir später zusammen in den Park gehen“, erinnerte Lauryn sie. „Spiel bitte erst mal in deinem Zimmer.“

„Ja, aber … es regnet gerade in meinem Schloss.“

„Wie meinst du das – es regnet im Schloss? Der Regen ist doch draußen.“

Die Kleine schüttelte den Kopf. „Der Regen fällt auch auf mein Bett.“

Abrupt schob Lauryn den Stuhl zurück und lief mit dem Baby auf der Hüfte die Treppen in den ersten Stock hinauf.

Ryder folgte ihr automatisch.

Oben sah er sie im Türrahmen stehen, hinter dem offenbar das Zimmer ihrer Tochter lag. Entsetzt schaute sie dabei zu, wie dort das Wasser durch die Decke auf das Bett des kleinen Mädchens tropfte. Neben ihrer Kommode bildete sich auch schon eine Pfütze, vor ihrem Kleiderschrank ebenso.

Lauryns Unterlippe bebte, Tränen standen in ihren Augen.

„Warum regnet es jetzt drinnen, Mama?“, wollte Kylie wissen.

„Weil der Tag noch nicht beschissen genug war“, murmelte ihre Mutter müde.

Das Mädchen schnappte nach Luft. „Mom, du hast eben ein böses Wort gesagt!“

„Da hast du recht.“

„Wo ist hier der Zugang zum Dachboden?“, wollte Ryder wissen.

„In meinem Schlafzimmer“, erwiderte Lauryn und ging ihm voraus in das Zimmer auf der anderen Seite des Flures. Dort reckte sie sich auf Zehenspitzen nach der Schlaufe aus weißem Seil, die von der Zimmerdecke baumelte, kam aber gerade mal mit den Fingerspitzen an. Ryder wiederum griff einfach danach und zog mit einem Schwung die Leiter hinunter.

„Ich weiß schon gar nicht mehr, wann ich zuletzt da oben war“, gestand sie. „Und ich bin mir noch nicht mal sicher, ob es da oben einen Lichtschalter gibt.“

Wie auch immer es da oben aussah – im Moment regnete es durchs Dach, und Ryder wollte sich nicht darauf verlassen, dass die Kabel in diesem alten Haus alle sicher verlegt waren. Also zog er eine Taschenlampe aus dem Werkzeuggürtel, schaltete sie ein und stieg die Leiter hoch.

Oben richtete er den Strahl zur Decke. Dort fand er schnell die undichten Stellen.

„Haben Sie ein paar alte Handtücher und Eimer für mich?“, rief er Lauryn zu, die unten an der Leiter stand. „Papierkörbe oder große Kochtöpfe tun’s auch.“

Sie verschwand, um die Sachen zu holen, während Ryder mit seiner Bestandsaufnahme fortfuhr.

„Warum regnet es in meinem Schloss?“

Er zuckte zusammen. Die Kinderstimme war genau hinter ihm. „Wie bist du denn hier raufgekommen?“, wollte er wissen.

„Mit der Leiter“, informierte Kylie ihn.

„Das findet deine Mom bestimmt nicht gut – dass du einfach so eine Leiter hochkletterst, wenn sie nicht dabei ist.“

Autor

Brenda Harlen
<p>Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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