Schon immer wollte ich nur dich

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Vor zwölf Jahren hat er sie ein Mal geküsst und ihr das Herz gebrochen. Jetzt wird Tristyn auf Josh Slaters drei kleine Nichten aufpassen, zwei Monate lang, gemeinsam mit ihm in einem Wohnmobil. Unmöglich, so dem Charme des Playboys zu widerstehen, den sie noch immer heimlich begehrt …


  • Erscheinungstag 03.02.2020
  • Bandnummer 12
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729684
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Tristyn Garrett wurde nicht dafür bezahlt, Josh Slater im Auge zu behalten. Obwohl ihr Verantwortungsbereich im Garrett/Slater-Rennstall – GSR, wie ihn alle nannten – immer größer wurde und sich ständig veränderte, gehörte das definitiv nicht zu ihren Aufgaben. Als daher Dave Barkov Punkt halb zehn zum Gesprächstermin mit ihrem Boss in den Geschäftsräumen in Charisma, North Carolina, erschien, rief sie in Joshs Büro an. Der Miteigentümer des Rennstalls teilte seine Arbeitszeit zwar ein, wie es ihm passte, aber wenn man ihn brauchte, war er eigentlich immer da.

Eigentlich! Und warum jetzt nicht?

„Entschuldigen Sie mich kurz“, bat sie Mr. Barkov und ging über den Flur in Joshs Büro. Die Tür war geöffnet, aber das Licht brannte nicht, und der Stuhl hinter seinem Schreibtisch war leer. Auf seinem Computer, der ständig eingeschaltet war, blinkte eine Erinnerung an das Treffen mit Dave Barkov. Doch keine Spur von Josh.

Das Büro ihres Cousins war ebenfalls verwaist, aber sie wusste, dass Daniel sich mit dem Rennfahrer Ren D’Alesio und dem Mannschaftschef zu Tests im Windkanal aufhielt.

Normalerweise machte sie sich keine Gedanken darüber, wo Josh sich aufhielt, aber Mr. Barkov war ein potenzieller Sponsor, und die Besichtigung des Firmengeländes war bereits vor Wochen vereinbart worden. Sie selbst hatte den Termin ausgemacht. Im Moment verfluchte sie sich insgeheim dafür, dass sie für Josh arbeitete.

Ihre Beziehung war rein beruflich. Josh war seit Langem mit ihrem Cousin Daniel befreundet, und er war auch Gast bei den meisten Familienfeiern. In gewisser Weise war er wie ein weiterer Cousin für sie – abgesehen von der Tatsache, dass sie mit all ihren Cousins gut zurechtkam, was sie von Josh nicht immer behaupten konnte.

Dafür machte sie in erster Linie ihn verantwortlich. Es schien ihm Spaß zu machen, Dinge zu sagen oder zu tun, die sie provozierten, und obwohl sie das wusste, konnte sie ihre Reaktion darauf nicht immer im Zaum halten. Ihre Schwestern neckten sie damit, dass er sich nur so gegen die sexuelle Anziehungskraft, die sie auf ihn ausübte, zur Wehr setzen konnte, und schlugen vor, dass sie einfach mal nackt in sein Büro gehen sollte. Sie hatte nur entrüstet den Kopf geschüttelt. Niemals würde sie Josh nackt gegenübertreten – und sie wollte ihn auch nicht so sehen.

Dass er jedoch einen Termin mit einem neuen Sponsor verpasste, sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Wenn es um den Rennstall ging, war er ein Muster an Verlässlichkeit – natürlich auch deshalb, weil er eine Menge Geld, das aus seinem Anteil am elterlichen Unternehmen Slaters Industries stammte, reingesteckt hatte. Tristyns Cousin hatte er überredet miteinzusteigen.

Tristyn wählte Joshs Handynummer. Sie schickte ihm auch eine SMS und eine E-Mail, aber er antwortete auf keinen ihrer Kontaktversuche. Daher erklärte sie dem Sponsor mit ihrem strahlendsten Lächeln, dass beide Besitzer des Rennstalls in einem spontan anberaumten Meeting säßen. Er könne also entweder einen neuen Termin vereinbaren – oder sich von ihr über das Gelände führen lassen.

Mr. Barkov entschied sich für Letzteres.

Zwei Stunden später klopfte Tristyn an die Tür ihres Cousins, ehe sie sein Büro betrat. „Wo zum Teufel ist er?“

„Wer?“ Daniel schaute von seinem Computerbildschirm auf.

Sie verdrehte die Augen. „Die Slater-Hälfte von GSR.“

„Ich habe ihn heute Morgen noch nicht gesehen“, gab Daniel zu.

„Es geht nicht nur um heute Morgen“, entgegnete Tristyn. „Seit Samstagnachmittag ist er wie vom Erdboden verschluckt.“

„Er hat etwas von einer Familienkrise erzählt, um die er sich kümmern muss“, sagte ihr Cousin.

„Was denn für eine Familienkrise?“ Ihr Unmut wich sofort der Besorgnis.

Daniel zuckte mit den Schultern. „Ich habe ihn nicht gefragt. Schließlich geht es mich ja nichts an – und dich übrigens auch nicht.“

„Schon klar“, nickte Tristyn. „Aber ich denke, du solltest ihn trotzdem anrufen.“

„Warum?“

„Weil ich nicht nur versucht habe, ihn anzurufen, sondern ihm auch eine E-Mail und eine SMS geschickt habe. Er hat nicht reagiert, und deshalb frage ich mich, ob es einen Grund gibt, warum er mich ignoriert.“

Daniel zog die Augenbrauen hoch. „Gibt es denn einen?“

„Nicht, dass ich wüsste“, antwortete sie. „Aber normalerweise antwortet er immer umgehend auf meine Nachrichten.“

Daniel wählte Joshs Nummer, aber wie auch bei ihren Anrufen zuvor schaltete sich sofort die Voicemailbox ein.

Hier spricht Josh Slater. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht. Ich werde mich bei Ihnen melden.

Das Signal ertönte, und Daniel sagte: „Hallo, Josh. Ruf mich an, wenn du das hörst. Tris steht in meinem Büro und macht sich Sorgen, weil sie dich nicht erreichen kann.“

„Ich mache mir Sorgen, weil er die Verabredung mit einem potenziellen Sponsor verpennt hat“, verbesserte sie ihn.

„Er wird sich schon melden“, beruhigte Daniel sie. Dabei klang er, als müsste er sich ebenfalls davon überzeugen.

„Sag mir Bescheid, wenn er es tut.“

Sie ging zurück in ihr Büro. Auf ihrem Schreibtisch wartete eine Menge Arbeit, die sie als Assistentin der Geschäftsführung und Pressesprecherin zu bewältigen hatte. Als Josh sich um drei Uhr immer noch nicht gemeldet hatte, nahm sie ihre Handtasche und erklärte ihrem Cousin: „Auf dem Heimweg fahre ich bei ihm zu Hause vorbei.“

Stirnrunzelnd warf Daniel einen Blick auf seine Uhr. „Du machst dir wirklich Sorgen, stimmt’s?“

Vielleicht tat sie das wirklich, denn es sah Josh überhaupt nicht ähnlich, einfach abzutauchen. Der Mann legte sein Handy praktisch nie beiseite. Er beantwortete jeden Anruf und jede E-Mail umgehend. Aber sie wollte ihrem Cousin ihre Besorgnis nicht auf die Nase binden.

„Ich bin verärgert“, antwortete sie stattdessen, und das war sie wirklich. „Ich konnte nicht mal Mittagspause machen, weil ich mich zwei Stunden diesem Sponsor widmen musste.“

„Ich glaube nicht, dass Dave Barkov deswegen sauer war“, meinte ihr Cousin. „Schließlich bist du viel hübscher als Josh.“

Sie drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Bis morgen.“

Auf dem Weg zu Joshs Wohnung dachte sie über die Worte ihres Cousins nach. In der Tat würde wohl kaum jemand Josh als hübsch bezeichnen. Aber ihr fielen eine ganze Menge anderer Adjektive für den fast ein Meter neunzig großen Mann ein. Mit seinem dunkelblonden Haar, den rauchgrauen Augen und einem Mund, der eine Sünde wert war, hätte sie ihn eher als verführerisch, reizvoll, heiß bezeichnet.

Oh ja, er war wirklich heiß.

So heiß, dass sie sich nur allzu leicht verbrennen konnte.

Josh Slater starrte auf das Katastrophengebiet, das mal seine Küche gewesen war, und überlegte, ob er es betreten oder ein Aufräum-Kommando anfordern sollte. Schmutziges Geschirr vom Frühstück und vom Mittagessen stapelte sich im Spülbecken. Auf der Herdplatte klebten Reste von Pfannkuchen. Brotkrümel waren über die Küchentresen verstreut, Cornflakes auf dem Boden, und ein mit Käse verklebter Topf stand auf einem Stuhl. Vorsichtig trat er in das Chaos hinein und ließ Wasser in die Spüle laufen. Da klopfte es an der Tür.

Er erwartete niemanden. An diesem Wochenende hatte er genug Besucher gehabt. Also beschloss er, das Klopfen zu überhören und so zu tun, als sei er nicht zu Hause.

Doch es klopfte erneut, dieses Mal lauter und energischer. Stirnrunzelnd überlegte er, ob die Art des Klopfens Rückschlüsse auf den Verursacher erlaubten – und kam zu dem Schluss, dass es nach Tristyn Garrett klang.

Deshalb war er auch nicht überrascht, als er ihre Stimme hörte. „Josh, wenn du zu Hause bist, öffnest du besser die Tür, ehe ich die Polizei rufe, damit sie sie einschlägt.“

Da er ihre Drohungen grundsätzlich ernst nahm, wischte er sich die Hände an einem Küchentuch ab und machte die Tür auf. „Was willst du denn hier, Tristyn?“

„Nette Begrüßung.“ Forschend sah sie ihn mit ihren grünen Augen von oben bis unten an. „Du siehst furchtbar aus.“

Er fuhr sich mit der Hand über die Bartstoppeln. Offensichtlich hatte er vergessen, sich zu rasieren. Aber geduscht hatte er – zweifelsfrei.

Tristyn dagegen sah fantastisch aus. Mit ihren schönen Augen und dem perfekt geformten Mund hätte sie ihr Geld auch vor der Kamera verdienen können. Aber als eine Garrett würde sie ohnehin ein Vermögen erben. Trotzdem arbeitete sie genauso hart wie alle bei GSR, oft auch länger als die anderen.

„Ich habe letzte Nacht nicht viel geschlafen“, erklärte er schließlich.

Ihr spöttischer Blick entging ihm nicht. „Bist du krank?“ Sie trat einen Schritt näher und hob die Hand, als wollte sie seine Temperatur messen.

Er machte einen Schritt zurück, und sie ließ die Hand sinken. Seit sie vor zwei Jahren von ihrem Cousin dazu überredet worden war, bei GSR anzuheuern, war Josh zu der Auffassung gelangt, dass die kleine Cousine seines Freundes erwachsen geworden war. Aber sie war immer noch die Cousine seines besten Freundes, und das hieß, dass er die Finger von ihr lassen sollte – egal wie gut sie aussah.

Was ihn allerdings nicht davon abgehalten hatte, von ihr zu träumen – sehr oft und sehr erotisch. Aber er wollte nicht, dass sie ihn aus Mitleid berührte. Es war besser, die Mauer zu respektieren, die sie stillschweigend zwischen sich errichtet hatten.

„Nein, ich bin nicht krank“, antwortete er. „Ich bin nur groggy, weil ich drei sehr anstrengende weibliche Wesen im Zaum halten musste.“

Jetzt wurde ihr Blick kühl. Ihre grünen Augen glitzerten wie Smaragde. „Echt jetzt? Du hast einen Termin mit einem Sponsor sausen lassen, weil du am Wochenende eine Orgie veranstaltet hast?“

Ehe er etwas erwidern konnte, ließ sich eine Piepsstimme vernehmen. „Was ist eine Ohr-gi-e?“

Oh, verflucht.

Beim Klang der Kinderstimme zuckte Josh zusammen. Er drehte sich zu seiner fünfjährigen Nichte um. „Ich dachte, du schaust dir einen Film an.“

Emily schüttelte den Kopf. „Der Film gefällt mir nicht. Er macht mir Angst.“

„Es geht um eine Prinzessin. Wie kann dir das Angst machen?“ Er hatte die DVD in einem der Koffer gefunden, den seine Schwester zusammen mit ihren Töchtern bei ihm abgeliefert hatte.

„Er macht mir aber Angst“, beharrte sie.

„Das ist meine Nichte Emily“, stellte Josh sie vor. „Emily, das ist Tristyn.“

„Hallo“, sagte das kleine Mädchen schüchtern.

Tristyn ging in die Hocke, um dem Mädchen in die Augen schauen zu können. Damit bot sie Josh unfreiwillig einen Einblick in den Ausschnitt ihrer Bluse. Und die Aussicht war perfekt: sanft gerundete Kurven, die sich unter dünner Seide wölbten. Er wandte den Blick erst ab, als etwas an seinen Lenden zum Leben erwachte.

„Wie heißt denn der Film, den du dir anschaust?“, wollte Tristyn wissen.

„Die Prinzessin und der Frosch.“

„Bist du an der Stelle, wo der Prinz die Hexe trifft?“

Emily nickt ernst.

„Der Teil kann einem wirklich Angst machen“, bestätigte Tristyn. „Ich habe den Film auch neulich mit meiner Nichte angeschaut, und ich kann dir versichern, dass die Stelle bald vorbei sein wird. Dann wird es richtig lustig, und es gibt ein Happy End.“

Emily kaute auf ihrer Unterlippe. „Wirklich?“

„Wirklich“, versprach Tristyn.

„Willst du den Film noch mal sehen?“, fragte das kleine Mädchen.

„Das würde ich gerne tun“, erwiderte sie. „Aber erst muss ich mit deinem Onkel sprechen. Okay?“

„Okay.“ Zögernd ging Emily zurück ins Schlafzimmer, wo sie den Film mit ihren Schwestern anschaute.

Tristyn richtete sich wieder auf und zupfte an ihrem Rock. Sie hatte auch tolle Beine. Mit den Kurven am Oberkörper ergab das ein sehr attraktives Gesamtbild.

„Ist das eines der weiblichen Wesen, das dich die ganze Nacht wachgehalten hat?“, wollte sie wissen.

„Ja“, gab er zu. „Emily ist die mittlere Tochter meiner Schwester. Sie hat zwei Schwestern. Charlotte ist älter und Hanna jünger.“

Tristyn versetzte ihm einen Boxhieb auf den Oberarm.

Er zog die Augenbraue hoch. „Was soll das denn?“

„Du bist ein Idiot.“ Sie öffnete die Faust und bewegte die Finger. „Himmel, dein Arm ist genauso hart wie dein Kopf.“

„Du hast mich schon oft als Idiot beschimpft“, entgegnete er, ohne auf ihre letzte Bemerkung einzugehen. „Aber gewalttätig bist du noch nie geworden.“

Sie schüttelte den Kopf. „Warum lässt du mich im Glauben, dass du bei einer Orgie warst? Warum sagst du nicht gleich, dass du auf deine Nichten aufgepasst hast?“

„Ich wollte dich nicht enttäuschen.“

„Hast du Angst, dass ich eine fürsorgliche Ader bei dir entdecken könnte?“

Er zuckte mit den Schultern. „Wir wissen doch beide, dass es besser für unsere Beziehung ist, wenn du mich nicht für einen netten Kerl hältst.“

„Keine Sorge. Nur weil du ein Wochenende mit deinen Nichten verbringst, werde ich meine Meinung über dich nicht ändern.“

„Gut zu wissen“, konterte er.

„Obwohl ich schon neugierig bin, warum sie hier sind – und wo deine Schwester ist.“

„Das ist eine lange Geschichte.“

„Und warum bist du nicht ans Telefon gegangen?“

„Weil ich es nicht finden kann“, gestand er.

„Du machst Witze.“

Er schüttelte den Kopf. „Ich kann mich noch erinnern, gestern Abend eine SMS beantwortet zu haben. Danach habe ich den Mädchen ein Eis gegeben, und seitdem ist das Ding verschwunden.“

„Hast du in der Küche nachgeschaut?“

Er zögerte unmerklich. „Ja.“

„Das klingt nicht überzeugend.“

„Die Küche ist im Moment ein bisschen unordentlich“, gestand er. „Aber ich hoffe, ich finde das Handy wieder, wenn ich aufräume.“

„Ich kann dir helfen“, bot sie sich an und machte Anstalten, in die Küche zu gehen.

Josh folgte ihr und betrachtete wohlwollend den Schwung ihrer Hüften. Fast wäre er gegen Tristyn geprallt, als sie unvermittelt an der Tür stehen blieb.

Langsam drehte sie sich zu ihm um. „Ein bisschen unordentlich?“

„Ich hatte keine Zeit, das Frühstücksgeschirr vor dem Mittagessen wegzuräumen“, sagte er reumütig.

„Du hast doch eine Spülmaschine.“

„Die ist noch voll mit dem Geschirr von gestern.“

Resigniert schüttelte sie den Kopf. „Ich räume sie aus. Du kümmerst dich um das restliche Chaos.“

Er hätte ihr Angebot ablehnen sollen, aber insgeheim war er dankbar dafür. Verstohlen betrachtete er sie aus den Augenwinkeln, während sie in der Küche hantierte. Sie hatte wirklich eine umwerfende Figur …

„Josh …“ Sie fischte etwas aus dem Besteckkorb der Spülmaschine und hielt es hoch. „Ich habe dein Handy gefunden.“

Irritiert starrte er auf das Telefon. Dann stieß er einen Fluch aus, und sie musste sich auf die Lippen beißen, um nicht laut loszulachen.

Er riss ihr das Handy aus der Hand und stürmte los. Tristyn folgte ihm, zögerte jedoch an der Tür, als sie erkannte, dass es sein Schlafzimmer war. Drei Mädchen saßen auf dem riesigen Bett und starrten wie gebannt auf den Bildschirm.

Unauffällig ließ Tristyn ihren Blick durch den Raum wandern. Das Bett wurde von zwei Nachttischen flankiert; eine Kommode und ein Kleiderschrank vervollständigten die Einrichtung, die schlicht, aber elegant war. Und definitiv zu einem Mann passte. Verstohlen schaute sie zur Decke. Nein, dort war kein Spiegel. Er war also doch nicht so verdorben, wie sie geglaubt hatte.

Josh griff nach der Fernbedienung und drückte die Pausentaste. Erst jetzt wandten die Mädchen ihm ihre Blicke zu – Emily, die nahe an der Tür saß, Hanna in der Mitte, mit großen blauen Augen und blonden Zöpfen, und an ihrer Seite Charlotte, die Älteste, die ihre Arme vor der Brust verschränkt hatte – irgendwie trotzig, wie Tristyn fand.

Charlotte wollte etwas sagen, schloss aber den Mund, als sie das Telefon in Joshs Hand bemerkte.

„Hat eine von euch mir etwas zu sagen?“, fragte er streng.

Hanna meldete sich zu Wort. „Ich hab es in die Spülmaschine getan, damit es wieder sauber wird.“

Joshs Wangenmuskeln zuckten. „Man muss ein Handy nicht in die Spülmaschine stecken, um es sauber zu machen. Es ist sowieso sauber.“

Hanna schüttelte den Kopf. „Ich hab Eis draufgekleckert.“

Josh ließ einen frustrierten Laut hören.

„Du hast gesagt, du magst keine klebrigen Fingerabdrücke auf deinen Sachen“, verteidigte Charlotte ihre kleine Schwester.

„Und das heißt, dass keine von euch meine Sachen anzufassen hat“, stellte er klar.

Seine älteste Nichte zuckte mit den Schultern. „Hanna nimmt alles sehr wörtlich.“

„Sie hat mein Handy kaputtgemacht.“

Das jüngste Mädchen schaute ihn schuldbewusst an, nahm Josh das Telefon aus der Hand und presste die Lippen auf das Display. „Jetzt wieder gut?“

Seufzend steckte Josh das nutzlose Gerät in seine Hosentasche. Um seine Mundwinkel zuckte es. „So leicht geht das leider nicht“, sagte er. „Du musst mich schon hier küssen, damit es besser wird.“ Er legte einen Finger auf seine Wange.

Hanna streckte die Ärmchen aus, und er nahm sie auf den Arm. Bei diesem Anblick wurde Tristyn ganz seltsam zumute. Eine warme Woge schwappte durch ihren Körper, als sie den starken, attraktiven Mann mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm betrachtete.

Hanna schlang die Arme um seinen Nacken und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann zog sie missbilligend die Nase kraus. „Du kratzt“, stellte sie fest.

„Ja, ich habe vergessen, mich heute Morgen zu rasieren“, entschuldigte er sich und setzte sie zurück aufs Bett.

„Können wir jetzt weitergucken?“, fragte sie hoffnungsvoll.

„Wenn ihr zu Ende geschaut habt und die Küche wieder sauber ist, müssen wir ein neues Handy kaufen“, erklärte Josh, ehe er auf die Fernbedienung drückte.

Tristyn folgte ihm in den Korridor. „Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich es nicht glauben.“

Er warf ihr einen Blick über seine Schulter zu. „Was glauben?“

„Dass du ein weiches Herz hast.“

Seine Brauen zogen sich zusammen. „Habe ich gar nicht.“

„Doch“, beharrte sie. „Du bist ein knuffiger und weicher Mann.“

Er stellte sich vor sie hin und legte die Hände neben ihren Schultern gegen die Wand, sodass sie nicht fliehen konnte. Dann drückte er seinen Körper an ihren. Seinen zweifellos muskulösen und harten Körper.

„Fühlt sich das knuffig und weich an?“, wollte er wissen.

Sie legte die Hand auf seine Brust, um ihn auf Distanz zu halten. Sein Herz klopfte viel regelmäßiger als ihres. Plötzlich war ihr Mund ganz trocken. „Dein Herz.“ Sie klopfte gegen seinen Brustkasten. „Das ist weich.“

„Weil ich ein dreijähriges Mädchen nicht angeschrien habe?“

„Du hast nicht nur nicht geschrien. Du bist geradezu weggeschmolzen. Die Kleine hat dich mit ihren großen blauen Augen angeschaut, und du hast total vergessen, dass sie dein achthundert Dollar teures Telefon kaputtgemacht hat.“

„Es ist nur ein Telefon“, erwiderte er leichthin.

„Na ja, jedenfalls weiß ich jetzt, warum du auf meine Anrufe und Nachrichten nicht reagiert hast.“ Sie drückte sich noch enger an die Wand. Obwohl sie sich viel lieber an den Mann gedrückt hätte …

„Hast du dir etwa Sorgen um mich gemacht, Tris?“ Seine Stimme klang seidenweich. Es war, als streichelte er sie damit.

„Nein“, log sie. „Ich war sauer, dass ich Dave Barkov herumführen musste.“

„Ich habe nie daran gezweifelt, dass du das kannst.“

„Darum geht es nicht.“ Sie duckte sich unter seinem Arm weg und ging in die Küche.

Er folgte ihr. „Willst du eine Entschuldigung? Okay, tut mir leid, dass ich ein paar Stunden nicht erreichbar war.“

„Du verstehst nicht, was ich meine, stimmt’s? Du hast nicht nur keinem erzählt, dass du heute nicht zur Arbeit kommen würdest. Du hast auch allen Freunden verschwiegen, was hier los ist.“

Aufmerksam schaute er sie an. „Sind wir Freunde, Tris?“, fragte er mit derselben samtweichen Stimme, bei der eine Frau ganz schwach werden konnte.

Das hieß, alle Frauen außer ihr, denn sie war Joshs Charme gegenüber natürlich immun.

„Ich weiß nicht“, antwortete sie schließlich zögernd, entschlossen, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. „Wären wir befreundet, wüsste ich doch sicher, dass du drei Nichten hast.“

„Wir reden ja nur wenig über Privates“, wandte er ein. „Außerdem sehe ich sie nicht oft, seit meine Schwester nach Seattle gezogen ist. Damals war Charlotte noch ein Baby.“

„Deshalb fährst du Weihnachten immer an die Westküste“, sagte sie.

„Nicht immer.“ Mit einem Lappen wischte er den Herd sauber. „Aber sooft ich kann.“

„Und warum sind sie jetzt hier?“ Sie begann, die Spülmaschine mit dem schmutzigen Geschirr zu füllen.

„Lucindas Chefin hat sie kurzfristig nach Spanien geschickt, um die Eröffnung einer neuen Filiale zu überwachen und die Mitarbeiter einzuweisen.“

„Warum hast du so viel Geschirr verbraucht?“, fragte sie kopfschüttelnd.

„Jedes der Mädchen wollte etwas anderes zum Frühstück haben.“

„Und du hast ihnen den Wunsch natürlich erfüllt.“

„Was tut man nicht alles als liebender Onkel“, seufzte er in komischer Verzweiflung.

Tristyn grinste. „Und wie lange bleiben sie bei dir?“

„Acht bis zehn Wochen.“

Sie zog die Augenbrauen hoch. „Was machst du denn zwei Monate lang mit ihnen?“

„Das habe ich mich auch schon gefragt. Soll ich einen Babysitter einstellen, wenn ich nicht hier bin? Das wird wohl die meiste Zeit der Fall sein. Schließlich ist Rennsaison.“

„Das ist keine gute Idee.“

„Hast du eine bessere?“

„Im Moment nicht.“ Sie schloss die Spülmaschine.

„Dann sag mir Bescheid, wenn dir was einfällt. Sie sind gerade mal vierundzwanzig Stunden hier, und ich bin jetzt schon dankbar für jeden Vorschlag.“

2. KAPITEL

Tristyn versuchte, nicht darüber nachzudenken, dass sie in Joshs Bett lag, während sie mit seinen Nichten die letzte halbe Stunde des Films gemeinsam anschaute. Auf Joshs Bett, korrigierte sie sich hastig. Als ob das einen Unterschied machen würde.

Sie fragte sich, wie viele Frauen schon durch seine Schlafzimmertür gegangen sein mochten und im selben Bett gelegen hatten. Dann verdrängte sie die Frage, denn eigentlich wollte sie es gar nicht wissen. Sie kannte jetzt den Grund dafür, warum er an diesem Tag nicht zur Arbeit erschienen war und warum er auch für den Rest der Woche – und vielleicht sogar für den Rest des Sommers – nur unregelmäßig im Büro sein würde. Jetzt, da diese Fragen beantwortet waren, hatte sie keine Veranlassung mehr, länger zu bleiben.

Ihr Blick fiel auf Emily, die sich an sie gekuschelt hatte, und Tristyn musste an Lucy Slater denken. Am College war Joshs jüngere Schwester zwei Semester unter ihr gewesen und mehr an Partys als am Studium interessiert, weswegen sie die Universität auch vorzeitig verlassen musste. Ein paar Jahre später wurde sie schwanger. Hals über Kopf hatte Lucy geheiratet – und genauso schnell war sie auch wieder geschieden.

Und jetzt war sie Mutter von drei bezaubernden Mädchen, um die sich nun Josh kümmern musste. Vielleicht sollte sie ihm ihre Unterstützung anbieten? Na ja, besser nicht. Eine zu große Nähe zu Josh erschien ihr … zu riskant.

Autor

Brenda Harlen
<p>Brenda ist eine ehemalige Rechtsanwältin, die einst das Privileg hatte vor dem obersten Gerichtshof von Kanada vorzusprechen. Vor fünf Jahren gab sie ihre Anwaltskanzlei auf um sich um ihre Kinder zu kümmern und insgeheim ihren Traum von einem selbst geschriebenen Buch zu verwirklichen. Sie schrieb sich in einem Liebesroman Schreibkurs...
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